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Landwirtschaft

Rehkitze leben weniger gefährlich

Rehe verstecken ihren Nachwuchs tagsüber gerne in Feldern. Damit bei deren Bewirtschaftung keine Unfälle passieren, wird grosser Aufwand getrieben.

Bild: zvg
  • Dossier

Lotti Studer

Rehkitze sind auch als Bambis bekannt, erdacht in den Zeichnungsateliers von Walt Disney. Das Bambi, bei Disney ein junger Hirsch mit weiss geflecktem Fell und schwarzen Augen, ist zur Legende geworden. In der modernen Landwirtschaft wurde es für Rehkitz auf den Feldern immer gefährlicher.

Die beiden Vinelzer Jäger Markus Zesiger und Bruno Verna erkären dem BT, wie in Zusammenarbeit mit den Bauern die Überlebenschancen der Bambis verbessert werden konnten. In der Regel setzen die Rehgeissen ihre Kitz Ende Mai bis Anfang Juni, meist im hohen Gras, seltener in Getreidefeldern. Plant der Bauer den Schnitt des Grases, ruft er am Vorabend den Wildhüter oder Jäger an um das Grasfeld zu verblenden und zu verwittern. (siehe Infobox). Dies fällt der Rehgeiss auf und sie holt ihre Jungen, oft sind es zwei, aus dem Gras heraus. In diesem Fall kann der Bauer am nächsten Tag beruhigt das Gras mähen. Viele Jäger wissen zudem durch intensives Beobachten, wo die Rehgeiss ihre Jungen setzt. Wo sich der Bauer nicht meldet, um zu verblenden, kann es passieren, dass Rehkitz von Maschinen getötet werden. «Das ist kein schöner Anblick und stimmt uns immer wieder traurig», sagen die Jäger. Solche Funde sind auch für sie emotional schwer zu ertragen. Oft werden die jungen Rehe an den Beinen schwer verletzt. Dem Jäger bleibt nur noch der Gnadenschuss, um das Jungtier zu erlösen.

 

Mehr Aufwand und Drohnen

Doch in den letzten Jahren hat sich die Situation für die Kitze verbessert. Die Landwirte wurden durch verschiedene Aktionen sensibilisiert und helfen aktiv bei der Rettung von Rehkitzen mit. Es gäbe sogar Bauern, die selber verblenden, so Bruno Verna und Markus Zesiger. Fünfzehnmal haben die Jäger rund um Vinelz in diesem Frühling verblendet.

Der Galser Lohnunternehmer Ueli Freudiger sagt, dass er mit seinen Erntemaschinen in 45 Jahren Arbeit auf den Feldern «kein einziges Tier erwischt habe». Vor der Ernte oder dem Schnitt von Gras fährt er mit einem Frontlader, auf dessen Schaufel drei Mitarbeiter sitzen und Ausschau halten, im Zickzack über das Feld. Der Lärm der Maschinen vertreibt die Tiere. Da in den Getreidefeldern selten Rehkitze gesetzt werden, ist dem Unternehmer bis jetzt ein grausamer Anblick eines toten Tieres erspart geblieben.

Zudem kommt im oberen Seeland auch eine Drohne von Michael Jenni aus Ins zum Einsatz. Er hat mit seiner Drohne in dieser Saison in seinem Landwirtschaftsbetrieb drei Rehkitz retten können. Da die Drohne mit einer Wärmebildkamera ausgestattet ist, muss er dies in den frühen, kühlen Morgenstunden tun. Wärmt die Sonne die Luft, kann auch die Wärmebildkamera nicht mehr exakte Bilder liefern.

Bruno Verna befürchtet, dass in der kürzlichen Hochwassersituation auf dem Heidenweg etliche Rehe nicht mehr zu retten sind. Rehe aus der Not zu retten, sei praktisch unmöglich. Da das Reh ein Fluchttier ist, kann es kaum eingefangen werden. Allerdings bleibt die Hoffnung, dass die Tiere die Gefahr gewittert haben und auf die nahe Chüngeliinsel oder auf die St. Petersinsel geflüchtet sind.

Link: www.rehkitzrettung.ch

 

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Verblenden und Verwittern

Im Gras, welches am nächsten Tag geschnitten wird, werden zum Beispiel Tücher mit einer stinkenden Flüssigkeit an einem Stecken befestigt und im Feld verteilt aufgestellt. Die Rehgeiss wittert den fremden Geruch und sieht die Tücher. Sie holt dann ihre Jungen aus der Gefahrenzone. Weil die Rehe den Geschmack von Hunden nicht mögen, marschieren die Jäger mit ihren angeleinten Hunden durch das Gras. Da das Rehkitz keinen Eigengeruch abgibt, spürt der Hund das Kitz in seinem Lager nicht auf und weil es sich zum Schutz mit seiner perfekten Tarnung auf den Boden duckt, kann es auch vom Jäger kaum gefunden werden. In der ersten Lebenswoche verharrt das Kitz im Lager und duckt sich auf den Boden. 
Ältere Rehkitze springen bei drohender Gefahr auf ihren schlaksigen Beinchen in die rettende Umgebung des Waldes. Weil das Rehkitz keinen Eigengeschmack hat, heisst es noch lange nicht, dass Hundehalter ihre Hunde nicht an der Leine führen sollten. Die Jäger bringen kein Verständnis auf, wenn Hunde in solchen Situationen nicht an der Leine sind. Das Wild wird durch streunende und neugierige Hunde extremem Stress ausgesetzt. Die Rehkitzrettung hat sich in letzter Zeit verändert und wird durch moderne Hilfsmittel ergänzt. Der Verein Rehkitzrettung schreibt, dass auf knapp 92 Hektaren im Seeland an zwölf Einsatztagen neun Rehkitze gerettet wurden. Weiter: «Die Zahlen sind noch bescheiden, auch wenn 9 Kitze auf 90 Hektaren ein gutes Resultat ist. Wir suchen nach wie vor engagierte Drohnenpilotinnen, damit künftig im Seeland noch mehr Flächen abgesucht werden können.» ls

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