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«Angst hindert uns daran, das Beste aus uns herauszuholen»

Der Rennfahrer Neel Jani aus Bellmund kennt Ängste. Aber er weiss auch, was er tun muss, um diese zu überwinden. Seine Höhenangst hat er mit Training besiegt.

Der 37-jährige Neel Jani ist einer der wenigen Schweizer, die das 24-Stunden-Rennen in Le Man gewonnen haben.  haf
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Neel Jani, Fallschirmspringen oder auf einer grossen Bühne vor vielen Leuten singen?
Neel Jani: Für mich wäre beides kein Problem. Wenn ich mich aber entscheiden müsste, wäre es das Fallschirmspringen.
 
Haben Sie vor beidem keine Angst?
Nein, wieso sollte ich? Sterben werde ich bei beidem nicht, sofern alles gut läuft. Also muss ich auch keine Angst davor haben.
 
Ihre Höhenangst haben Sie also überwunden?
Ja, wir gehen häufig klettern im Training, um eigene Limits zu überschreiten. Da gingen wir auch schon über 100 Meter hohe Wände hoch. Und dabei habe ich gelernt: Wenn man sich darauf konzentriert, was man macht, dann ist es eigentlich egal, wo man ist.
 
Das klingt fast so, als wäre Ihre Höhenangst von einem auf den anderen Moment verschwunden?
Nein, das nicht. Aber beim Klettertraining geht es darum, sich auf das zu konzentrieren, was vor einem liegt, was man macht, und nicht auf das, was rundherum passiert. Dieses Ausblenden hilft mir dabei, meine Limits zu überwinden. Klar, wenn ich nicht muss, dann gehe ich nicht unbedingt freiwillig eine steile Bergwand hoch. Aber es ist machbar.
 
Dieses Ausblenden gelingt Ihnen immer?
Meistens. Ich habe schon früh damit begonnen, mich beim Training nur auf das Wesentliche zu konzentrieren und alles rundherum auszublenden. Ängste sind ja eigentlich einfach Limits. Und egal was man macht, es gibt immer irgendwo ein Limit, oder einer, der das besser kann als du. Aber man kann diese Limits auch verschieben. Dazu braucht es viel Konzentration, einen absoluten Fokus.
 
Gibt es für Sie Grenzen, die sich nicht verschieben lassen?
Bestimmt. Irgendwann gelangt man an das Ende seiner Fähigkeiten. Ob nun bei der Rechtschreibung oder was auch immer.
 
Haben Sie Mühe mit Rechtschreibung?
Nein, eigentlich nicht. Ich muss so viele E-Mails schreiben. Durch das Rechtschreibprogramm habe ich einiges gelernt. Ich lese auch viel. Das hat bestimmt auch geholfen. Das einzige, bei dem ich mir oft unsicher bin, sind die Kommas. Das mache ich nach Gefühl. Aber das könnte ich bestimmt auch noch lernen.
 
Das heisst aber, bei der Rechtschreibung gibt es für Sie auch keine unverschiebbare Limits. Was ist mit anderen Bereichen?
Hm, da käme mir gerade nichts in den Sinn. Ich würde vielleicht nicht nackt durch die Nidaugasse rennen, sagen wir es mal so.
 
Weshalb nicht?
Dabei würde ich mir wahrscheinlich komisch vorkommen.
 
Aber das ist ja keine Angst, oder?
Das stimmt. Aber es wäre mir unangenehm. Ah, was mir gerade in den Sinn kommt: Über den Bielersee schwimmen würde mir Angst machen. Ich habe zu wenig Vertrauen in mich, dass ich so lange schwimmen könnte. Ich kann zwar schwimmen, aber nicht wirklich gut. Ich würde auch nicht auf das offene Meer hinausschwimmen, wenn ich nicht muss.
 
Verspüren Sie jemals Angst, wenn Sie in einem Rennauto sitzen?
Nein, das wäre auch völlig falsch. Angst lähmt uns und hindert uns daran, das Beste aus uns herauszuholen. Ich versuche immer, gedankenbefreit an die Sache heranzugehen. Nur so kann man sein maximales Leistungslevel herausholen. Egal was man macht, wenn man vorbelastet reingeht, funktioniert es nicht. Wir gehen beispielsweise im Training Luftgewehrschiessen. Dort geht es um Millimeter. Wenn du dir im Vorfeld sagst, dass es heute wohl schwierig wird, die Mitte zu treffen, dann triffst du sie auch nicht. Wenn man jedoch mit einem guten Gefühl reingeht und es einfach auf sich zukommen lässt, erreicht man mehr. Gedankenbefreit läuft es am besten.
 
Schaffen Sie das auch im Privaten?
Gedankenbefreit zu sein? Also, ich glaube, ich bin möglichst neutral.
 
Neutral ist aber langweilig.
Das stimmt. Aber ich finde, jeder darf seine Meinung haben. Und solange er damit nicht in die Sphäre der anderen reinfährt, ist das auch in Ordnung. Deshalb versuche ich, so neutral wie möglich zu sein. Würde ich vor dem Haus meines Nachbars einen Burnout machen, würde mir dies vielleicht Spass machen. Aber ich weiss, dass mein Nachbar dies nicht toll finden würde ...
Interview: Hannah Frei
 
Info: Weshalb Neel Jani nach seiner Schulzeit kaum mehr gute Freunde gefunden hat und wie er seine Zeit zwischen den Rennen verbringt, erzählt er bei «Sags Frei». Den Podcast hören Sie hier:
 
 

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