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Automobil

Le Mans bedeutet so oder so Prestige

Nach einem Jahr Abwesenheit startet Neel Jani wieder am 24-Stunden-Rennen in Le Mans. Der Seeländer fährt zum ersten Mal in einer tieferen Kategorie. Trotzdem gibt es für ihn im Rennklassiker viel zu gewinnen.

Die Kombination aus permanentem Rundkurs und gesperrten Landstrassen ist das Markenzeichen der Rennstrecke von Le Mans.
 copyright: Porsche
Moritz Bill     
 
Neel Jani ist zurück am Ort seines grössten Triumphs. In Le Mans gewann der Seeländer 2016 das legendäre 24-Stunden-Rennen, sozusagen das Wimbledon des Motorsports. Dieses Jahr wird der mittlerweile 37-Jährige in Le Mans aber aller Voraussicht nach keinen zweiten Triumph einfahren. Erstmals tritt er nicht mehr in der Königsklasse, sondern in der GTE-Pro-Kategorie an. Das bedeutet: langsameres Auto, keine Aussichten auf den Gesamtsieg. 
 
Natürlich ist das nicht mehr ganz dasselbe, aber «Le Mans bleibt Le Mans», sagt Jani. Der Stellenwert, den er selbst wie auch sein Rennstall Porsche dem Rennen beimessen, bleibt gross. Denn in der GTE-Kategorie duellieren sich die meisten Werksteams, dementsprechend ist auch «nur» der Klassensieg mit Prestige verbunden – neben Porsche sind mit Ferrari und Corvette weitere illustre Namen der Motorsportgeschichte am Start. «Man kann die Wichtigkeit des Rennens im Fahrerlager spüren», sagt Jani.
 
Dazu kommt die grosse Leistungsdichte, die der GTE-Klasse während des Rennens vom kommenden Wochenende zusätzliche Aufmerksamkeit garantieren wird. Am Testtag letzten Sonntag lagen die ersten acht Fahrzeuge innerhalb von bloss vier Zehntelsekunden. «Das wird ein unglaublich harter Kampf», sagt der Porsche-Werksfahrer. 
 
Schon Favorit, aber ...
Trotzdem, Jani und seine beiden Teamkollegen Kévin Estre (Fra) und Michael Christensen (Dnk) dürfen dem Klassiker an der Sarthe zuversichtlich entgegensehen. Einerseits legte das Trio, das sich während des Ein-Tag-Rennens hinter dem Lenkrad abwechseln wird, die Tagesbestzeit auf den Asphalt. Andererseits ist der Porsche 911 RSR-19 mit der Startnummer 92 erfolgreich in die Saison gestartet: In zwei der drei bisherigen Rennen fuhr er als erstes GTE-Auto über die Ziellinie. Vor allem den jüngsten Erfolg in Monza bewertet Jani hoch: «Dieser Sieg sorgte für viel Selbstvertrauen und Motivation in unserem Team. Alles passte zusammen und das hat uns gezeigt, dass wir für Le Mans bereit sind.» Auch, weil Porsche mit der Abstimmung experimentiert hatte und den Rückstand auf den Geraden auf Ferrari verringern konnte. In den Kurven hat Porsche in der Regel die Nase vorn. 
 
Somit nimmt Janis Porsche die 24 Stunden als Mitfavorit in Angriff. Dem widerspricht der Jenser nicht, jedoch sagt er im selben Atemzug: «Alle liegen extrem nahe beieinander. In Monza waren wir im Vergleich mit Ferrari während der sechs Rennstunden im Durchschnitt nur minim schneller. Das bedeutet: Ein kleiner Fehler kann entscheidend sein – das wird eine angespannte Angelegenheit für alle Teams und Fahrer.» Für den Porsche 92 spricht jedenfalls auch die Expertise im Cockpit: Estre und Christensen sind im Gegensatz zu Jani alte Hasen in der GTE-Kategorie. Die beiden pilotierten 2018 den letzten Porsche, der auf dem Traditionskurs gewinnen konnte.  
 
Die Reifen werden heiss
Wenn auch nicht in einem GT-Fahrzeug, Jani bringt viel Le-Mans-Erfahrung mit. Letztes Jahr war er zum ersten Mal seit 2009 nicht dabei. Und so weiss er zum Beispiel, dass heuer dem Reifenmanagement eine zentrale Bedeutung zukommen dürfe. Am Wochenende werden Temperaturen knapp unter 30 Grad erwartet, der Asphalt wird um die 45 Grad heiss werden. «Die richtige Reifenwahl wird einen grossen Einfluss haben», sagt Jani. Auch hier kann der kleinste Fehlentscheid grosse Auswirkungen haben. 
 
Deshalb ist eine gute Vorbereitung wichtig, doch kann während 24 Stunden halt trotzdem viel Unvorhergesehenes eintreten. Nirgendwo anders während der Saison der Langstrecken-WM steht das Material unter einer derartigen Dauerbelastung wie in Le Mans. Neel Jani weiss Bescheid:2016 war er eigentlich schon besiegt, gewann dann aber dank eines Defekts der Konkurrenz in der letzten Runde doch noch. Im Jahr darauf lag sein Team scheinbar uneinholbar an der Spitze, ehe das Auto mit einem seltenen Schaden stehen blieb. 
 
Das Sprichwort, dass man Le Mans nicht gewinnen kann, sondern Le Mans einen gewinnen lässt, kommt nicht von ungefähr.

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