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Biel

Und plötzlich geschah ein Wunder

Einen Hund zu adoptieren, kann viel Freude machen, aber auch zu einer echten Herausforderung werden. Was die Bielerin Isabelle Wäber mit ihrem Hund Bimba erlebte, hat sie an ihre Grenzen gebracht.

Zwei, die sich gefunden haben: «Ich beschloss, dass Bimba und ich den Weg gemeinsam weitergehen», sagt Isabelle Wäber. Bild: Peter Samuel Jaggi
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Monique Unterrassner

Als sich die 54-jährige Übersetzerin Isabelle Wäber nach reiflicher Überlegung entschloss, einen herrenlosen Hund zu adoptieren, wurde sie, nach erfolglosen Anfragen in Tierheimen der Region, auf Facebook fündig. Im Tessin wurde für ein Hündchen ein ruhiges Plätzchen ohne Kinder gesucht. Das Tier mit dem hilflosen Blick stach ihr gleich ins Auge und eroberte ihr Herz.

Für Wäber war klar, das war genau, was sie suchte. Sie vereinbarte mit dem Tierheim einen Termin und reiste in die südliche Schweiz. Die erste Begegnung mit der elfjährigen Hündin, einer Mischung aus Pudel und Yorkshire-Terrier, war eher nüchtern.

Nicht nur eine Hürde
Das kleine Wollknäuel, so niedlich es auch aussah, entpuppte sich als ausgesprochen starrköpfig und den Menschen gegenüber sehr misstrauisch. Wäber erinnerte sich, dass der Heimleiter den speziellen Charakter des Tieres am Telefon erwähnt hatte: «Er sagte zu mir, dass das Hündchen zutraulich werde, wenn man es schaffe, es auf den Arm zu nehmen.» Was nach einer ersten Herausforderung klang, schreckte sie nicht von ihrem Vorhaben ab, dem Hündchen mit Namen Bimba ein neues Zuhause bieten zu wollen.

Doch dann folgte eine weitere Hürde: Die Mischlingsdame liess sich wohl anleinen, ging offensichtlich gerne spazieren, doch Berührungen liess sie nicht zu. Nach einiger Mühe lag das Tier dennoch in der Transportkiste auf der hinteren Sitzbank, und die beiden machten sich auf den Weg ins unbekannte Abenteuer. Anfangs war die kleine Passagierin schön artig und machte sich nicht bemerkbar. Alles schien nach Plan zu laufen. Doch die Freude sollte nur von kurzer Dauer sein. Denn kaum im Gotthard-Tunnel angekommen, begann Bimba kläglich zu wimmern. Alles beruhigende Zureden nütze nichts.

Erst als Wäber bei der ersten Raststätte anhielt, Bimba aus der Transportkiste holte und mit ihr einige Schritte ging, schien die Welt wieder in Ordnung zu sein. Die Hündin schaute sie erstmals mit grossen dunklen Augen an. Es war, als wäre das Misstrauen etwas geschwunden. «Da wurde mir richtig bewusst, dass ich nun einen Hund hatte, der mir gehörte und mir doch etwas zu vertrauen schien.» Ohne weitere Vorfälle erreichte das Duo Biel.

Wäber hatte für den Neuankömmling alles vorbereitet. Angefangen bei einem Hundebett und einigen Spielsachen. Bimba liess sich nicht zweimal bitten, als das Türchen der Transportbox geöffnet wurde. Sie beschnupperte alles und schien sichtlich erleichtert, endlich die Reise hinter sich zu haben, dass sie kurzum ihre Notdurft am Bett ihrer Herrin verrichtete.

Gravierende Verletzungen
Rückblickend erzählt Wäber: «Ich war dabei, ihr das Fressen in den Napf zu geben und habe nichts gesagt, sondern bin gleich mit ihr in den Garten gegangen und stellte fest, dass sie anscheinend mit Rasen nicht vertraut war.»
Nach drei Tagen hatte die Hundedame begriffen, was Gassigehen war. Wäbers Geduld war belohnt worden, und liess vermuten, dass das Tier nicht nur Erfahrungen in der Gosse gemacht, sondern auch eine Erziehung genossen hatte.
Doch die Spuren der Vergangenheit liessen nicht auf sich warten und zeigten sich bitterlich. Bimba, wie vermutet wurde, hatte bei einem Unfall mit einem Fahrzeug Verletzungen am Kiefer und an einem Auge erlitten. Nach sechs Wochen im neuen Zuhause begann sie sehr unruhig zu werden. Die Tierärztin diagnostizierte ein Augenproblem, das dem Tier offensichtlich starke Schmerzen verursachte. Die Verletzung war so gravierend, dass das Auge herausoperiert werden musste. Doch das Ganze war noch nicht ausgestanden; denn das gesunde Auge wurde trüb und Bimba erblindete. «Ich hätte vieles in Kauf genommen, aber auf einen blinden Hund war ich nicht vorbereitet und war überfordert», sagt Wäber. Der Hund stiess sich in der Wohnung an die Möbel und die täglichen Spaziergänge wurden zur Tortur.

Mit grosser Beharrlichkeit
Wäber war der Verzweiflung nahe. «Bimba war seit acht Wochen bei mir und ich hatte mehr als einen Monatslohn für Arztkosten ausgegeben.» So konnte es nicht weitergehen. Dank der moralischen und finanziellen Unterstützung von Freunden und Bekannten hielt sie durch. Dazu kam, dass Bimba immer anhänglicher wurde, als ob sie Wäbers Sorgen und Gedankengänge bemerken würde.

Wäber begann das Hündchen aus einer anderen Optik heraus zu sehen. Sie kam zum Schluss: «Das Schicksal hat mir diesen Hund geschenkt.» Bekannte machten Bemerkungen, was sie denn mit so einem «kaputten» Hund wolle. Diesen schenkte sie keine Beachtung. «Ich beschloss, dass Bimba und ich den Weg gemeinsam weitergehen und hoffentlich auch meistern würden», sagt sie.

Im Kanton Waadt fand Wäber Hilfe bei einem Augenarzt für Tiere. Wie durch ein Wunder erlangte Bimba nach einem Monat wieder das Augenlicht. Täglich bekommt sie Augentropfen und kann, wenn auch nur mit einem Auge, ein normales Hundeleben führen. Wäber bereut nichts. Mensch und Tier haben sich gefunden, weil beide einen starken Charakter und eine grosse Portion Beharrlichkeit mitgebracht und nicht aufgegeben haben.

Stichwörter: Tiere, Hunde, Sommerserie

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