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Spitalzentrum

Ein neues Reglement, das nicht allen behagt

Vor wenigen Tagen hat das Spitalzentrum Biel ein internes Reglement über Verhalten und Hygiene veröffentlicht. Einige Angestellte zeigen sich irritiert.

"Richtlinien zur Sicherheit gab es seit jeher": Geschäftsführer Kristian Schneider. Bild: Matthias Käser/A

Julie Gaudio/pl

«Es ist auf eine gepflegte Bekleidung zu achten … Falls eine Gesichtsmaske getragen werden muss, ist aus hygienischen Gründen maximal ein Dreitagebart zulässig.» So steht es in der neuen Verordnung für die Mitarbeitenden des Spitalzentrums Biel (SZB).

Die Weisung wurde von der Geschäftsleitung in deutscher und französischer Sprache auf dem internen Netzwerk des SZB an 1700 Angestellte versandt und hat da und dort für Unmut gesorgt. Vergangene Woche verbreiteten einige Medien die Bieler Vorschriften nicht frei von Häme im deutschsprachigen Raum.

Kristian Schneider, Geschäftsführer des SZB, erklärt: «Richtlinien zur Sicherheit gab es seit jeher in allen Abteilungen des Hauses. Der Einfachheit halber haben wir diese Regeln nun in einem einzigen Dokument zusammengefasst.» Im Übrigen gäbe es vergleichbare Hygienevorschriften in den meisten Spitälern: «Finger mit schadhaftem Nagellack wirken nicht besonders reinlich», so Schneider. Ebenso sei es, dass die Angestellten rutschfestes Schuhwerk tragen müssen: «Wir wollen nicht, dass sich eine Fachkraft das Bein bricht, weil sie in Latschen zum Operationssaal rennt.»

Mitarbeitende finden das Vorgehen der Spitalleitung zumindest ungeschickt: «Ich verstehe die Absicht, aber dass mir das Reglement nach Hause geschickt wird, hat mich befremdet», sagt ein Kadermitglied des SZB. Man hätte die Leitung der einzelnen Abteilungen mit der Vermittlung der Vorschriften betrauen sollen. Schliesslich steht im Dokument: «Für die Umsetzung der Weisung in ihrem Zuständigkeitsbereich sind die Vorgesetzten verantwortlich.»

Die leitende Angestellte, die anonym bleiben möchte, befürchtet, dass die neuen Bestimmungen für «Konflikte» bei ihrer Auslegung im Alltag sorgen könnten: «Warum muss ich meine Frisur nicht zusammenbinden, dafür aber den Bart stutzen?», könnte sich ein Kollege fragen. Sie selbst darf nun keinen hängenden Ohrschmuck und offene Haare bis zu den Schultern tragen – obwohl sie nicht in pflegerischem Kontakt mit den Patienten steht.

Dass sie in Zukunft Mitarbeiterinnen «zurechtweisen» müsse, die im Winter ein Kopftuch umschlagen, bereitet der Kaderfrau des SZB Kopfzerbrechen.

Ein anderer Angestellter findet den Zeitpunkt für die neuen Bestimmungen schlecht gewählt: «Seit mehr als einem Jahr sind wir voll ausgelastet. Alle stehen unter Druck, und das schlägt sich im Arbeitsklima nieder.» Die Kadermitarbeiterin pflichtet ihrem Kollegen bei: «Unsere Abteilungen sind unterbesetzt, weil viele Personen – wie auch in anderen Spitälern – gekündigt haben.»

Der Bart muss ab

Unsere zwei Gesprächspartner sind sich einig, dass die Vorschriften der SZB-Leitung, wären sie vor der Corona-Krise ergangen, kaum Wirbel erzeugt hätten: «Heute bedarf es wenig, um die Kollegen zu ärgern.»

Kristian Schneider ist überzeugt: «Im Grundsatz enthält das Reglement keine unzumutbaren Forderungen.» Daher hätten die Mitarbeitenden auch nicht über die Massen dagegen rebelliert. Trotzdem räumt der Geschäftsführer ein, dass gewisse Bestimmungen geeignet seien, einzelne Angestellte vor den Kopf zu stossen. Darunter fällt das Verbot, einen Bart zu tragen. Schneider erklärt, dass es sich hier um eine Frage der Hygiene handle: «Experten bestätigen, dass Barthaare, der mehr als drei Tage alt ist, die Wirkung der Gesichtsmaske beeinträchtigt, sodass der Schutz vor Ansteckung durch das Corona-Virus nicht mehr gewährleistet ist.»

Der Chef des Bieler Spitalzentrums stellt fest, dass seine Mitarbeitenden Verständnis für das Anliegen der Direktion zeigten. Schliesslich könne ein gepflegtes Erscheinungsbild viel dazu beitragen, den Patientinnen und Patienten, Angehörigen und Besuchern das Gefühl von Wertschätzung, Akzeptanz und Professionalität zu vermitteln. So würden es die meisten Unternehmen handeln, ergänzt Schneider.

Eine Kadermitarbeiterin findet, dass die neuen Bestimmungen auf «extreme Formen des Auftretens hinweisen, die im Alltag kaum vorkommen». Auch Schneider bestätigt, bisher keine Beschwerden vonseiten der Patienten über die Erscheinung von Pflegepersonal erhalten zu haben. Überdies seien Sanktionen im Reglement nicht vorgesehen, ergänzt der Geschäftsführer des SZB.

Keine Kündigungen in Sicht

Mitarbeitenden lassen durchblicken, dass es eine gewisse «Kluft zwischen jenen, die die Regeln aufschreiben und den Personen an der Front» gebe. So sei die «Verpflegung ausserhalb der dafür vorgesehenen Räume verboten». In der Tat aber fehle oft die Zeit für eine Mahlzeit: «Deshalb nehmen wir unser Sandwich am Arbeitsort ein», bestätigen die Angestellten.

Trotzdem: Niemand scheint eine Kündigung wegen des neuen Reglementes ins Auge zu fassen. «Wir sehen die Bestimmungen eher wie einen Gag und schauen in die Zukunft», scherzen unsere Gesprächspartner.

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