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Biel

Socken dürfen bunt sein, Nägel nicht

Das Spitalzentrum Biel hat Kleider- und Hygienevorschriften erlassen – und Stoff für Schlagzeilen geliefert. Doch was sagt der Berufsverband der Pflegefachleute zur neuen Regelung? Das BT hat bei der Geschäftsführerin der Sektion Bern nachgefragt.

Auffälliger Haarschmuck ist im Spitalzentrum Biel nicht erlaubt. Mit gutem Grund? Symbolbild: Keystone
Interview: Mengia Spahr
 
Flurina Schenk, braucht es Kleider- und Hygienevorschriften fürs Pflegepersonal?
Flurina Schenk: Selbstverständlich braucht es die. Wir müssen unterscheiden zwischen Kleider-, Hygiene- und Sicherheitsvorschriften und Vorschriften, die das persönliche Erscheinungsbild betreffen. Pflegende arbeiten in der Berufskleidung, Schuhe mit Absätzen sind aus Sicherheitsgründen überall verboten. Lange, offene Haare sind ein Hygieneproblem. Ebenso Uhren und Schmuck an Armen und Händen. Denn darunter können sich Bakterien ansammeln. Das Spitalzentrum Biel erlaubt das Tragen eines flachen Rings – in manchen Spitälern sind auch Eheringe verboten.
 
Flurina Schenk
 
Was ist mit Ohrschmuck? Und Nagellack?
Langer Ohrschmuck ist gefährlich. Patienten könnten im Delirium daran reissen. Nagellack ist tatsächlich hygienisch bedenklich. Man müsste ihn täglich erneuern.
 
Waren die Vorschriften für das Pflegepersonal früher weniger streng?
Im Vergleich zu früher haben sich gerade die Kleidervorschriften eher gelockert. In den 90er-Jahren mussten Pflegende etwa weisse Socken tragen.
 
Wie streng sind die Vorschriften des Spitalzentrums Biel im Vergleich mit denjenigen ähnlicher Institutionen?
Die Regelungen, für die es keine Hygiene- oder Sicherheitsgründe gibt, sind sicher eher streng. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich Weisungen zum persönlichen Erscheinungsbild erlassen, aber kann er es sich leisten, dem Personal die Haarfarbe vorzuschreiben? Es stellt sich schon die Frage, ob die Leute da mitmachen.
 
Haben junge Pflegende vermehrt Mühe mit Richtlinien, die das Aussehen betreffen?
Pflegende arbeiten unter grossem Druck und unter herausfordernden Bedingungen. Ich kann die Lust auf ein wenig Individualität im Arbeitsalltag gut nachvollziehen.
 
Wird ein grün-pinkiger Irokesenschnitt per se als ungepflegt erachtet? Es kann ja sein, dass die Person mit einem solchen Haarschnitt grossen Wert auf Hygiene legt?
Wie man seine Haare färbt, ist Geschmackssache und hat nichts mit Hygiene zu tun. Wichtig ist die Pflegequalität. Wenn jemand auffällige Tattoos hat, aber gut arbeitet, stellt man die Person ein. Die Spitäler brauchen qualifizierte Leute, das Aussehen ist sekundär.
 
Muss sich das Spital denn nicht um sein Image sorgen? Werden nicht manche Patientinnen reklamieren, wenn Pflegende auffällig aussehen?
Das kommt ganz auf die Patienten an. Vielleicht ist die Patientin ja selbst tätowiert. Die Vorschriften des SZB erinnern teilweise aber schon an solche in einem Hotel oder in einer Bank. 
 
Mitarbeitende des Spitalzentrums fühlen sich vor den Kopf gestossen, weil die Vorschriften zu einem Zeitpunkt kommen, zu dem die Situation des Personals besonders angespannt ist. Was sagen Sie dazu?
Es ist vielleicht etwas ungeschickt, wie und wann das SZB das neue Reglement kommuniziert. Mir ist aufgefallen, dass die Spitalleitung das Tragen von Buttons mit politischen Botschaften verbietet. Da fragt man sich schon, ob das jetzt kommt, da wir für die Pflegeinitiative, die am 28. November vors Volk kommt, mobilisieren.
 
Kann es nicht sicherheitstechnische Gründe haben?
Klar. Buttons mit Sicherheitsnadeln sind gefährlich. Wir haben aber extra Buttons zum Aufkleben herstellen lassen.
 
Wie wichtig ist das Thema «gepflegtes Erscheinungsbild» überhaupt im Alltag unter Pflegepersonen?
Ich weiss, dass Pflegedienstleitende immer wieder einmal mit Angestellten über die Körperhygiene sprechen müssen. Wenn jemand aus einer Narkose erwacht, kann der Patientin übel werden wegen Parfüm- oder Schweissgeruch. Nach solchen Gesprächen haben die Angestellten aber Verständnis für die Weisungen.
 
Sind ihnen schon Fälle begegnet, in denen Personen wegen Nichteinhaltung solcher Vorschriften gekündigt wurde?
Nein. Unsere Rechtsberatung wurde in letzter Zeit nicht mit solchen Fällen konfrontiert und wir haben keine Anfragen erhalten.
 
 
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Der Knatsch um die neue Regelung

Wenn die Person, die den Verband wechselt, schwarze Ringe unter den Fingernägeln hat, stellt sich automatisch die Frage, wie es das Spital mit der Hygiene hält. Zerrissene Hosen im Krankenzimmer gehen nicht. Das leuchtet ein.
Aber das Spitalzentrum Biel (SZB) geht mit einem neuen Reglement einen Schritt weiter und verbietet seinen Mitarbeitenden unter anderem Halstücher, auffällig gefärbte Haare, «auffälligen Haarschmuck» und «die Verwendung von Nagellack» (siehe BT von gestern). Auch bei der Gesichtsbehaarung gibt es Einschränkungen: Es ist «maximal ein Dreitagebart zulässig.»
 
Einige der Weisungen erstrecken sich auch auf Mitarbeitende ohne Patientenkontakt. Und sie gehen manchen Angestellten zu weit. Diese haben wenig Verständnis für die Regeln. 
Besonders aber die Art und Weise, wie die neue Vorschrift eingeführt wurde, stösst ihnen übel auf: Das Reglement haben sie ohne Kommentar nach Hause geschickt bekommen, zu einem, wie sie finden, ungünstigen Zeitpunkt. Denn die Abteilungen seien zurzeit unterbesetzt und die Pflegenden stünden stark unter Druck.
 
Der Geschäftsführer des SZB, Kristian Schneider, hält der Kritik entgegen, dass es in den meisten Spitälern solche Hygienevorschriften gebe und die Weisungen im Spitalzentrum Biel schon länger gelten – man habe sie nun lediglich der Einfachheit halber in einem einzigen Dokument zusammengefasst. mrs

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