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Bundesgerichtsentscheid

Rückenwind für Windturbinen auf der vordersten Jurakette

Das Ja des Bundesgerichts zum Projekt Grenchenberg könnte auch einem Windenergiepark auf dem bernischen Romontberg Schub geben. Es wäre ein Tabubruch.

Bild: zvg

Stefan von Bergen

Für Windenergieanlagen galt bis jetzt im Kanton Bern ein ungeschriebenes Gesetz: Die vorderste Jurakette ist für die Errichtung der grossen Propeller tabu. Dort sieht der regionale Richtplan für Windenergie im Berner Jura aus Gründen des Landschaftsschutzes eigentlich keine Standorte vor. Denn Windturbinen dort oben wären selbst von der Stadt Bern aus noch von blossem Auge zu sehen. Sie wären wie Ausrufezeichen im Disput zwischen Landschaftsschutz und Anlagen für nachhaltige Energie.

Nun hat aber das Bundesgericht Ende November die Errichtung von zumindest vier Windturbinen auf dem Grenchenberg im Kanton Solothurn gutgeheissen. Nur wenige Kilometer entfernt plant die bernjurassische Gemeinde Romont ebenfalls ein Windparkprojekt auf der vordersten Jurakrete. Verleiht das OK der Richter aus Lausanne nun auch diesem Vorhaben Rückenwind? «Der Bundesgerichtsentscheid schafft zusätzliche Klarheit für die Planung von Windenergiegebieten in der Region Berner Jura», formuliert Daniel Wachter vorsichtig.

Was meint er genau damit? Der Vorsteher des kantonalbernischen Amtes für Gemeinden und Raumordnung (AGR) holt kurz aus: Der Kanton Bern habe in seinem Richtplan relativ grobe «Windenergieprüfräume» definiert, welche die Planungsregionen und Regionalkonferenzen in ihren regionalen Windenergierichtplänen zu genaueren «Windenergiegebieten» konkretisieren müssen. In Regionen wie dem Berner Oberland sind erst solche Prüfräume fixiert.

Die Region Berner Jura aber verfügt bereits über einen vom AGR genehmigten Windenergierichtplan. Darin sind laut Wachter in der Nähe des Grenchenbergs zwei Berner Windenergiegebiete definiert: Eines davon ist das auf dem Romontberg. Es figuriert im Richtplan, obwohl dieser eigentlich keine Standorte auf der vordersten Jurakette vorsieht.

Kann nun auch auf dem Romontberg ein Baugesuch eingereicht werden, so wie auf dem Grenchenberg? «Noch nicht», erklärt Wachter. Der Standort sei erst «mit dem Koordinationsstand ‹Zwischenergebnis› im Richtplan verankert». Das bedeute, dass die Planungsregion Berner Jura/Biel nun die Planungsarbeiten vorantreiben müsse, damit der Regierungsrat dann das Windenergiegebiet «im Richtplan festsetzen» könne. Erst wenn das gelinge, könne eine kommunale Nutzungsplanung erfolgen. «Der Ball liegt also zurzeit bei der Region», schliesst Wachter seine komplexen Ausführungen. Sind nach dem Bundesgerichtsentscheid vielleicht gar weitere Standorte auf der vordersten Berner Jurakrete möglich? Die dafür nötige Anpassung des Windenergierichtplans stehe «vorderhand nicht zur Diskussion», sagt Wachter. Denn dafür wäre eine Revision des erst seit 2020 rechtskräftigen Richtplans nötig.

 

Sechs Windturbinen
auf dem Romontberg

Macht die angesprochene Region Berner Jura bei der Planung des Projekts auf dem Romontberg nun vorwärts? «Der Entscheid des Bundesgerichts ist eine ziemlich gute Nachricht», sagt Yvan Kohler, Gemeindepräsident der bernjurassischen Gemeinde Romont oberhalb von Lengnau. Er ist die treibende Kraft hinter dem Windparkprojekt auf dem Romontberg. Man werde nächstens an die Planungsregion Berner Jura/Biel gelangen, kündigt er an.

Die Parc éolien Montagne de Romont AG mit Sitz in der Kleingemeinde will gemeinsam mit der Ennova, der Tochterfirma der städtischen Genfer Industriewerke für Windenergie, sechs Windturbinen bauen.

 

Windkraftgegner fürchten Dammbruch

7 Millionen Franken sollen investiert werden, total 36 000 Megawattstunden Strom würden die Propeller im Jahr produzieren für 10 000 Haushalte oder 
30 000 Menschen – und der Gemeinde gemäss Verträgen mit der Ennova 300 000 Franken im Jahr einbringen. Kohler räumt aber ein, dass man nun erst abwarte, ob die Stadt Grenchen ihr von sechs auf vier Turbinen redimensioniertes Projekt «noch interessant» finde.

Keine Freude am Bundesgerichtsentscheid hat der Verein «Freie Landschaft Schweiz», die Organisation der Windkraftgegner. Ihr Präsident Elias Meier wohnt in Grenchen und kritisiert die von weitem sichtbaren Projekte auf dem Grenchen- wie auch auf dem Romontberg. In einer Medienmitteilung warnt Meier, der Grenchenberg-Entscheid öffne nun wie ein juristischer Dammbruch den Weg für weitere Windparkprojekte. Diese könnten höchstens zwei Prozent des Schweizer Energiebedarfs decken, hätten aber «katastrophale Folgen für Umwelt und Landschaft».

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