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Filmkritik

"Madres paralelas": Besser geht es nicht

Wenn Frauen, die unverhofft Mütter werden, zusammenhalten: Pedro Almodóvars neuer Film ist umwerfend gut – mit einer fabelhaften Penélope Cruz in der Hauptrolle und Milena Smit als wunderbare Newcomerin.

Unterschiedlich und doch magisch voneinander angezogen: Janis (Penélope Cruz, rechts) und Ana (Milena Smit).

von Beat Felber

Der spanische Kultregisseur Pedro Almodóvar hat definitiv an Müttern einen filmischen Narren gefressen. Immer wieder thematisiert er ihre Rolle: Sei dies innerhalb der Familie oder generell in der Gesellschaft. Insbesondere bleibt «Todo sobre mi madre» in Erinnerung, mit dem Aldmodóvar im Jahr 2000 den Oscar für den besten ausländischen Film gewonnen hat.

Und jetzt doppelt der mittlerweile 72-jährige Spanier gleich mit mehreren Müttern im Filmtitel nach. Wie schon vor 21 Jahren spielt Penélope Cruz auch in «Madres paralelas» die Hauptrolle. Sie ist, so Almodóvar, überschwänglich, «meine liebste aller Mütter». Warum dem so ist? Dazu meinte der Regisseur kürzlich in einem Interview mit der «Sonntagszeitung» augenzwinkernd: «Wenn ich das wüsste… Das müssen sie meinen Psychiater fragen.»

Wie auch immer, man kann den Regisseur für seine Wahl nur beglückwünschen, denn Cruz spielt in seinem neuen Film überragend. Janis heisst sie auf der Leinwand, ist alleinerziehende Fotografin und lernt bei einem Foto-Shooting den forensischen Historiker Arturo (Israel Elejalde) kennen. Seine Kontakte ermöglichen es Janis, ein persönliches Projekt zu finanzieren, mit dem ihre ganze Familie und ihr Heimatdorf unwiderruflich verbunden sind: Sie möchte nämlich ihre Vorfahren exhumieren, die während des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939), genau wie Hunderttausende anderer Spanierinnen und Spanier, unter widrigsten Umständen ermordet wurden – die Massengräber wurden teilweise bis heute nicht gefunden, auch weil nicht gross danach gesucht wird. Doch die Grosseltern von Janis wissen genau, wo ihre hauptsächlich männlichen Vorfahren einst verscharrt wurden. Diese historische Dimension im Film, die noch immer unerledigte Aufarbeitung des faschistischen Franco-Regimes, ist allerdings nur die grosse Klammer, welche die eigentliche Handlung umschliesst.

Almodóvar und das grosse Ganze, ohne dabei all die kleinen Geschichten zu vergessen – das passt zu diesem Meister des tiefgründigen Erzählens und der emotionalen Berührung. So zaubert er denn während rund zwei Stunden nicht nur eine, sondern gleich zwei wunderbare Familiengeschichten voller empathischer und solidarischer Mütter, voller Witz und mit einer einmal mehr einnehmenden Bildersprache auf die Leinwand.

Da verweben sich Schicksalsschläge und Geschichte, Freundschaften und Sinnlichkeit, Komplexität und Leichtigkeit zu einem Meisterwerk, dass man am Ende nur noch den Hut vor solch einer Meisterschaft ziehen kann.

Nur kurz doch noch zum Rest beziehungsweise zur hauptsächlichen Handlung: Janis wird nach einem nachmittäglichen Schäferstündchen mit Arturo schwanger. In der Geburtsklinik lernt sie die minderjährige und ebenfalls ungewollt schwangere Ana (Milena Smit, eine wahre Entdeckung) kennen. Die beiden Frauen freunden sich an und bleiben auch nach der Geburt ihrer Töchter in losem Kontakt.

Als sie sich trotzdem aus den Augen zu verlieren drohen, schweissen der Tod von Anas Tochter und ein ebenso dunkles wie belastendes Geheimnis von Janis die beiden so unterschiedlichen und doch magisch voneinander angezogenen Frauen für immer zusammen.

Wie sich die Beziehung der beiden zueinander und zu ihren Freundinnen, Müttern und jeweiligen Kindserzeugern nach und nach entwickeln, immer neue und überraschende Geschichten und Tragödien zutage treten und sich dabei die Vergangenheit und Gegenwart ineinander verweben erinnert im Entferntesten an eine Seifenoper.

In Tat und Wahrheit ist es aber ein ebenso tiefgründig wie höchst authentisch erzähltes Melodrama und in der Summe schlicht und einfach ganz grosses Kino.

Info: Im Kino Rex 1, Biel.
 
Die Bewertungen der BT-Filmkritikerinnen und BT-Filmkritiker:
Beat Felber ***** (von 5 Sternen)


 

Stichwörter: Filmkritik

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