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Strafvollzug

Warum das frühere Jugendheim nicht so einfach zum Gefängnis wird

Wird Prêles zum Standort für die neue Vollzugseinrichtung in der Region Seeland – Berner Jura? Ein Rundgang vor Ort gibt einige aufschlussreiche Hinweise.

Copyright: Matthias Käser / Bieler Tagblatt

Pierre-Alain Brenzikofer/pl

Regierungsrat Philippe Müller, Vorsteher der Sicherheitsdirektion, hat zu einer Begehung des ehemaligen Jugendheims nach Prêles eingeladen. Neben der Standortprüfung des neuen Gefängnisses wurden zwei Alternativen für eine partielle Nutzung vorgestellt: Die Gebäude könnten abermals als Jugendheim für das Strafvollzugskonkordat der französischen und italienischen Schweiz (Concordat Latin) dienen. Oder die Anlage wird als Ersatz für das Regionalgefängnis Moutier als Administrativ-Haftanstalt genutzt.

Zur Standort-Evaluation der geplanten Vollzugseinrichtung für die Region Seeland – Berner Jura fand im Oktober eine Begehung in Witzwil statt. Nun wurde das Gelände des ehemaligen Jugendheims Prêles in Augenschein genommen.

Laut Spezialisten des Amtes für Grundstücke und Gebäude wäre die Realisierung einer Vollzugseinrichtung mit 100 Plätzen für die Untersuchungs- und Sicherungshaft und 150 Plätzen im geschlossenen Vollzug in Prêles möglich. Ein solches Grossprojekt erfordert allerdings eine neue Nutzungsplanung und die Beurteilung der Verkehrserschliessung, wie vor Ort ausgeführt wurde. Ebenso wären Grenzabstände zum benachbarten Naturschutzgebiet, zum Wald und zur Landwirtschaftszone vorzusehen. Für den Standort spricht auch die Nähe zu Biel.

 

Andere Alternativen

Vertreter des Concordat Latin verfolgen ein Projekt zur partiellen Nutzung des Jugendheims in seiner früheren Funktion. In den Kantonen der Romandie besteht eine Warteliste für die Einweisung verurteilter Jugendlicher in eine dafür geeignete Einrichtung. Mit einigen baulichen Anpassungen könnte ein Betrieb zur Unterbringung von über 20 minderjährigen Männern in einem geschlossenen Setting aufgenommen werden. Das Concordat Latin wird im März 2022 einen Abschlussbericht vorlegen.

Eine weitere Alternative wäre die Verlegung der heute im Regionalgefängnis Moutier vollzogenen Ausschaffungshaft nach Prêles. Hierfür geht das Amt für Justizvollzug von einer Einrichtung mit entweder 60 oder 90 Plätzen aus. Bei der grösseren Variante wäre bei geringerer Auslastung in der Administrativhaft der Vollzug von Kurz- und Ersatzfreiheitsstrafen denkbar.

 

Bald Standortentscheid

Bei der Begehung kam die Frage auf, ob eine kombinierte Nutzung sowohl als Jugendheim als auch als Haftanstalt denkbar wäre. Diese Fragen würden in die laufenden Machbarkeitsstudien aufgenommen und bei der Ausarbeitung von Varianten berücksichtigt, hiess es.

Ob Witzwil oder Prêles, der Kanton will voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres entscheiden. Nach Wettbewerb, Projektierung und Ausschreibung soll die Einrichtung zwischen 2028 und 2031 realisiert werden. Im Jahr 2032 soll sie dann schliesslich in Betrieb gehen.

 

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Drei Projekte, drei Chancen für den Tessenberg

Der Bau einer neuen Haftanstalt und die Prüfung der beiden Alternativen für das ehemalige Jugendheim Prêles: Drei Geschäfte, die dem Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller viel abverlangen. Er habe sich noch nicht auf eine Lösung festgelegt, teilt der Regierungsrat mit. In den nächsten Wochen ständen «viele Diskussionen» auf seiner Agenda. Im Februar will Bern den Entscheid verkünden.

Betrachtet man die Dimension des zukünftigen Gefängnisses, spricht einiges gegen den Standort Prêles: die bescheidenen Zufahrtsstrassen, der Zonenplan, die Landwirtschaft und der Naturschutz. Die Auswahl dürfte wohl eher auf Witz-wil fallen.

«Diese Argumentation ist nicht zwingend», entgegnet Müller, «denn auch in Witzwil bestehen Auflagen für den Schutz von Landwirtschaft und Natur.»

Dennoch weiss der Sicherheitsdirektor, dass die Perspektive einer grossen Gefängnisanlage auf dem beschaulichen Juraplateau keine Stürme der Begeisterung bei den Gemeindebehörden entfacht. Wenn am Ende Witzwil ausgewählt wird, bleiben für das Jugendheim die zwei Nutzungsprojekte: die Vollzugsanstalt für minderjährige Männer im Rahmen des Concordat Latin oder ein Ausschaffungsgefängnis als Ersatz für den heutigen Standort Moutier.

Der Sicherheitsdirektor findet beide Vorschläge «interessant für den Kanton». Pabr/pl

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