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Hightech

Wie Roboter den Bauern unterstützen

Die Landwirtschaft wird immer digitaler. Forscher Stefan Gfeller weiss, wo die Technik dem Bauern unter die Arme greift, was noch kommt – und wo die Grenzen liegen.

Ein Mistroboter im Kuhstall. Bild: Thomas Peter

Sheila Matti

Selbst über den Rebberg surren sie mittlerweile: Drohnen, von unzähligen Propellern in der Luft gehalten, während aus dem darunter angebrachten Tank feiner Sprühnebel dringt.

Die ferngesteuerten Fluggeräte sind in der Landwirtschaft angekommen. Sie werden nicht nur für das gezielte Verteilen von Pflanzenschutzmitteln eingesetzt, sondern auch zum Düngen, zum Platzieren von Schlupfwespenlarven im Mais – schlüpfen diese, fressen sie Schädlinge – oder zum Auffinden von Rehkitzen vor dem Mähen.

Kein Wunder, kommen den meisten Menschen erst einmal Drohnen in den Sinn, wenn sie an technische Möglichkeiten in der Landwirtschaft denken. Ein Reflex, den Stefan Gfeller nur bedingt verstehen kann: «Viel zu oft beschäftigt man sich mit einer angesagten Technologie und überlegt, wie man diese nutzen könnte. So auch bei den Drohnen.»

Was die Flugkörper anbelange, habe man jedoch rasch die Grenzen kennengelernt. Sie könnten nur ein geringes Gewicht tragen, also keine grossen Tanks, seien teuer und eher schwierig in der Handhabung. Irgendwann folgte deshalb die Ernüchterung. Und die Erkenntnis: «Eigentlich müssen wir vom Problem her überlegen.» So sei der digitale Fortschritt nicht in der Luft am spektakulärsten, sondern andernorts – etwa im Stall.

 

Programme gegen
die Verdichtung

Stefan Gfeller (33) beschäftigt sich beruflich mit den Herausforderungen in der Landwirtschaft – und mit den technischen Möglichkeiten, diese zu meistern. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Agronomie an der Berner Fachhochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (Hafl).

Gfellers Schwerpunkt liegt in der Entwicklung von Programmen: Werkzeuge, die den Landwirten das Leben erleichtern und gleichzeitig den nachhaltigen Anbau fördern. Beispielsweise das von der Hafl mitentwickelte Tool Terranimo, bei dem die Bauern die Messwerte ihres Feldes sowie die Art ihres Traktors eingeben können – Informationen wie Reifengrösse, Achsenstand oder Anhängertyp. So finden sie heraus, ob beim Ausbringen der Gülle die Gefahr besteht, den Boden zu verdichten.

Gfeller kennt sich mit den unterschiedlichen Technologien aus, die in der Landwirtschaft bereits eingesetzt werden oder sich in der Entwicklung befinden. So unterstützt er etwa auch immer wieder Teams, die sich mit der Hardware beschäftigen, also auch am Bau von Robotern beteiligt sind.

Ein spannendes Beispiel sei der Farmdroid, sagt Gfeller und lässt auf seinem Laptop ein Video laufen: Ein klobiger Roboter mit einem grossen Solarpanel auf dem Dach fährt langsam, mit nur 0,7 Stundenkilometern, über ein braunes Feld. Kleine Rädchen bohren sich in den Boden und platzieren einen Zuckerrübensamen nach dem anderen.

«Der Roboter kann nicht nur säen, sondern auch hacken», schwärmt Gfeller. Die Maschine speichert die genaue Position der Rüben via GPS ein und bearbeitet dann nur den Bereich um die Keimlinge herum. Und: Weil der Roboter mit 700 Kilogramm im Vergleich zu Traktoren eher leicht sei, bestehe auch die Gefahr der Bodenverdichtung nicht.

Im Gegensatz zu Drohnen sind solche Saat- oder Unkrautroboter noch eher Zukunfts­musik. «Aufgekommen sind sie erst in den letzten Jahren», so Stefan Gfeller. Zurzeit werde aber mit Vollgas an ihnen geforscht, weltweit gebe es mehrere interessante Projekte. «Es wurde auch schon eine Menge Geld in den Sand gesetzt.» Ein einsatzfähiges Exemplar kostet zurzeit etwa 80 000 Franken – wenn überhaupt, können sich dies nur Lohnunternehmen leisten. Ein weiteres Problem: Die fahrenden Helfer funktionieren nur auf ­flachen und steinfreien Flächen. Der Farmdroid wurde deshalb hauptsächlich in Dänemark geprüft.

In der Schweiz befinden sich gegenwärtig zwei Roboter im Einsatz, einer in den Kantonen Genf und Freiburg und der andere in den Kantonen Thurgau und Zürich. Für das Jahr 2022 seien zudem noch weitere Flächen im Kanton Bern geplant.

 

Ein vollautomatischer ­Kuhstall

Der am stärksten automatisierte Bereich sei der Stall, erklärt Stefan Gfeller: «Hier herrschen gute Bedingungen: Mauern aus Beton, ein Dach drüber, und alles steht immer am selben Ort – ausser die Kühe.» Der Mistroboter etwa, der den Kot der Kühe sammle und raus schiebe, könne immer genau dieselbe Strecke fahren. Aufladen wiederum lasse sich dieser einfach an einer Steckdose. «Solarpanel braucht der Roboter nicht.»

Neben dem Misten und Füttern ist mittlerweile in modernen Ställen auch das Melken vollautomatisiert. Drückt die Kuh das Euter, kann sie sich einfach an die Melkstation stellen. Die Technik geht hier sogar noch einen Schritt weiter. So gibt es ­heute auch Sensoren in den Melkmaschinen, die Menge und Zusammensetzung der Milch messen; falls es der Kuh an etwas fehlt, wird dies sofort erkannt. Und der Bauer erhält eine Nachricht auf sein Smartphone. Sensortechnik spiele im Stall allgemein eine wichtige Rolle. «Einerseits werden die Tiere mit Sensoren ausgestattet», sagt Stefan Gfeller. Zeichnet man die Aktivität einer Kuh mittels Bewegungssensoren auf, kann man Rückschlüsse auf ihre Gesundheit oder auf ihr Brunstverhalten ziehen. Und Messfühler am Kopf können die Wiederkäu-Tätigkeit der Kuh erfassen, was wiederum viel über die Futterqualität aussagt.

Andererseits würden auch Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Raum mit Sensoren überwacht und automatisch reguliert. «In der Hühnerzucht geht dies sogar noch einen Schritt weiter», so der Experte: Hier würden heute gar der Ammoniak- und der CO-Gehalt in der Luft gemessen und dementsprechend die Lüftung angepasst.

 

Verbunden
mit der Natur

Die Liste an technischen Errungenschaften ist lang. Gfeller spricht über das Ortungssystem Alptracker, das hilft, die Tiere auf dem Berg zu lokalisieren. Oder über Multispektralbilder, mit denen via Infrarot die Pflanzengesundheit überwacht wird. Offenbar scheint jeder Bereich der Landwirtschaft heute digitalisiert zu sein.

Gibt es künftig gar mehr Roboter als Menschen auf dem Bauernhof? Gfeller lächelt und schüttelt den Kopf: «Ganz klar nein. Kein Bauer wird je nur mit dem Tablet im Liegestuhl liegen.» Wer Landwirt werde, der wolle draussen, mit den Tieren arbeiten. «Natürlich kann uns die Technik in gewissen Bereichen das Leben erleichtern – die Verbundenheit mit der Natur geht aber nicht verloren.»

Stefan Gfeller spricht aus Erfahrung. Er selbst lernte ursprünglich Landwirt, bevor er aus Interesse für die Technik in die Informatik eintauchte. In seiner jetzigen Position kann er beide Leidenschaften verbinden. Besonders faszinierend finde er es, dass vieles, was entwickelt werde, auch einen Sinn habe. «Hätten die Maschinen und Programme keine Einsatzberechtigung, würde man wohl kaum so viel Zeit und Geld investieren. Und Bestand hätten sie auch nicht.»

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