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Wahlen mit Zwahlen

Die Macht des Berner Grossen Rats

Sie sind die Vertreterinnen und Vertreter des Volkes. Doch: Welche Macht haben sie eigentlich, die 160 Grossrätinnen und Grossräte im Kanton Bern? Können sie der Regierung im Namen des Bevölkerung Befehle erteilen? Teil eins der Serie “Wahlen mit Zwahlen”.

Bild: Wahlen mit Zwahlen/zvg
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Am 27. März 2022 wählt das Berner Stimmvolk die Menschen, die ihre Interessen in der kantonalen Politik vertreten sollen. 160 Grossrätinnen und Grossräte zählt das Parlament, das vier Mal pro Jahr tagt. Als Vertreterinnen und Vertreter des Volkes sind die Parlamentarier die höchste Instanz im Kanton Bern, trotzdem sind in der Öffentlichkeit vor allem die Regierungsrätinnen bekannt, weil sie die Verwaltungen führen. 

 

Die Frage deshalb an Hervé Gullotti (SP) aus Tramelan, der als Grossratspräsident aktuell der “höchste Berner” ist: Wie kann das Parlament seine Macht ausspielen?

Hervé Gullotti: Der Grosse Rat und der Regierungsrat haben unterschiedliche Kompetenzen. Der Grosse Rat überwacht das, was die Behörden und die Regierung machen. Das Parlament ist die Legislative und macht somit die Gesetze. Der Regierungsrat setzt also das um, was der Grosse Rat bestimmt. Er kann natürlich auch selber Vorschläge machen, über die dann das Parlament beratet. 

 

Warum sind Regierungsräte und Regierungsrätinnen in der Öffentlichkeit bekannter?

Weil es die Regierung ist, die die Gesetze umsetzt, steht sie auch mehr im Scheinwerferlicht. Ausserdem sind Regierungsräte Politik-Profis, es ist ihr tägliches Geschäft. Parlamentarierinnen hingegen machen ihre politische Arbeit milizmässig und sind vor allem während den Sessionen aktiv. 

 

Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament aus? Kann das Parlament der Regierung Befehle erteilen?

Im Rahmen der gesetzlich geregelten Kompetenzen kann er dies. Der Grosse Rat kann zum Beispiel Anpassungen im Gesetz vornehmen, die die Regierung dann umsetzen muss. 

 

Ein konkretes Beispiel: An den Berner Schulen herrscht Maskentragpflicht. Wer kann eine solche Entscheidung fällen?

Das ist eine typische Kompetenz der Exekutive, also der Regierung. Denn es geht um das operative Tagesgeschäft. Grossrätinnen und Grossräte können zwar mit politischen Vorstössen Richtwerte vorgeben, sie können die Leitlinien für das Pandemie-Management vorgeben, aber es ist die Regierung, die entscheidet, wie solche Vorstösse umgesetzt werden. Der Grosse Rat hat nicht das Recht, beim operativen Geschäft mitzureden, das geht ihn nichts an. Also kann die Regierung entscheiden, dass an den Schulen Masken getragen werden müssen. 

 

Um ihre Ideen und Projekte einbringen zu können, haben Parlamentarierinnen sechs verschiedene Instrumente, das reicht von der Anfrage bis zur parlamentarischen Initiative. Eines der beliebtesten Instrumente ist die Motion. Wird diese angenommen, muss die Regierung handeln. Welchen Weg geht so eine Motion?

Zuerst muss der Motionär im Parlament eine Mehrheit finden, was eine grosse Aufgabe ist. Wichtig ist auch, dass die Motion richtig formuliert ist. Inhaltlich kann sie in viele Richtungen gehen: Zum Beispiel eine Anfrage zu einer Budgetänderung, zur Schaffung eines neuen Gesetzes oder ganz einfach eine Frage zu einem Veloweg zwischen Biel und Tramelan. Wird eine Motion angenommen, ist die Regierung verpflichtet, sie innert sechs Monaten zu bearbeiten. In diesem Zeitraum muss sie mindestens eine Antwort auf die Anfrage liefern. Es gibt auch die Form der dringlichen Motion. Wenn diese vom Ratsbüro des Grossen Rates als solche bestätigt wird, muss die Regierung innerhalb von drei Monaten eine Antwort liefern. Telebielingue/pam

 

Info: In der Serie “Wahlen mit Zwahlen” vertieft “Telebielingue”-Redaktionsleiter Raphaël Zwahlen wöchentlich einen Aspekt zu den Kantonalen Wahlen vom 27. März 2022. In der nächsten Ausgabe geht es um den Regierungsratssitz für die französischsprachige Minderheit im Kanton Bern.

 

 

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