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Energiepreise

Die BKW zahlt rekordverdächtig viel

Wer eine Solaranlage betreibt, kann sich über massiv höhere Strommarktpreise freuen. Umgekehrt wiederum profitieren Verbraucherinnen und Verbraucher allmählich vom Monopol.

Ein Monteur bringt auf einem Dach in Hünibach Solarpanels an. Die Aussicht auf ein rentables Geschäft mit Solaranlagen wird dank den höheren Strommarktpreisen besser. Bild: zvg/Energiegenossenschaft Bern

Julian Witschi

Viele Jahre ist die BKW hart kritisiert worden: Die Strompreise des Berner Monopolisten für die Haushalte und das Gewerbe zählten schweizweit zu den höchsten. Demgegenüber geize der Konzern bei der Vergütung für Strom aus Solaranlagen.

Doch die Vorzeichen am Strommarkt haben sich geändert. Die Preise im Handel steigen wegen der weltweit höheren Energienachfrage seit einigen Monaten, in den letzten Wochen sogar sprunghaft. Dies aufgrund von Sorgen um die Gaslieferungen wegen des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine sowie wegen Ausfällen von französischen Atomkraftwerken.

 

Neuer Höchststand

Von der Preishausse profitieren Solarstromproduzierende. Über 27 Rappen: So viel hat die BKW im vierten Quartal 2021 für eine Kilowattstunde Strom aus Solaranlagen bezahlt. Das ist mehr als das Vierfache vom Sommer 2020. Und schweizweit rekordverdächtig viel in den letzten Jahren.

Wie es mit den Preisen weitergeht, ist aber nicht fix. Zudem kürzte die BKW die Vergütung für den Herkunftsnachweis. Für dieses Label des ökologischen Mehrwerts von Solarstrom zahlen viele Stromversorger etwas zusätzlich zum Preis für die eigentliche Energie. Dazu hatte die Politik gedrängt, um die Energiewende voranzutreiben.

Die Bezahlung des Labels erfolgt aber freiwillig und nach Gutdünken der Stromkonzerne. Die BKW stutzte ihren Preis für Herkunftsnachweise auf Anfang 2022 von 4,5 auf 1 Rappen und sorgte damit für Ärger. Es war die erste Senkung seit der Einführung vor vier Jahren. Für die BKW schien dies angesichts der deutlich gestiegenen Vergütung für die Energie gerechtfertigt.

 

Radikaler als die anderen

Die Stiftung für Konsumentenschutz führte darauf eine Umfrage unter den 15 grössten Stromanbietern der Schweiz durch. Der Solarverband Vese befragte sogar 30 Versorger. Fazit: So stark wie die BKW kürzte niemand den Herkunftsnachweis.

Das mehrheitlich dem Kanton Bern gehörende Unternehmen torpediere dadurch die kürzlich vom Stimmvolk angenommene Klimastrategie und die Energiewende, um seinen Gewinn aufzupolieren, kritisiert der Konsumentenschutz. Andere Stromkonzerne hätten die Vergütung für das Solarlabel gar erhöht. So der Energiekonzern des Kantons Zürich, der von 2 auf 3,5 Rappen geht. Er zahlt für die Energie hingegen unverändert nur 5,3 Rappen.

 

Risiko abgewälzt

Der Herkunftsnachweis gibt aber darüber hinaus für die Rentabilität von Solaranlagen eine gewisse Sicherheit. Zudem legen viele Stromunternehmen auch die Vergütung für die Energie zum Voraus fest. Die allermeisten zahlen damit für Solarstrom insgesamt zwischen 8 und 12 Rappen. In diesem Bereich lässt sich eine Solaranlage heute je nach Grösse der Anlage sowie dem Eigenverbrauch refinanzieren.

«Eine Fotovoltaikanlage lohnt sich!», twitterte nun BKW-Kommunikationschef Martin Schweikert zu den 27 Rappen seines Konzerns. Doch die BKW kürzte nicht nur den Herkunftsnachweis, seit zwei Jahren wälzt sie auch das Risiko für die Marktpreisentwicklung auf die Solarstromlieferanten ab. Sie legt den Energiepreis jeweils quartalsweise rückwirkend fest, je nach den Preisen im Handel.

 

Brisant bei Solardachzwang

Das ist umso brisanter, weil die Grünen im Kanton Bern Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer zwingen wollen, auf alle geeigneten Dachflächen Solaranlagen zu montieren. Dies würde nach Annahme der Initiative für Neubauten ab sofort gelten. Bestehende Bauten müssten bis 2040 aufgerüstet werden. Wo dies nicht zumutbar ist, müsste eine Ersatzabgabe gezahlt werden.

Wird die Solardachpflicht für Hauseigentümer zur Kostenfalle, wenn die Strompreise wieder zusammenbrechen wie vor ein paar Jahren? Eine Garantie für so gute Preise wie Ende 2021 gebe es nicht, betont die BKW.

 

Preise dürften höher bleiben

Aber aufgrund getroffener Vereinbarungen für spätere Stromverkäufe lässt sich abschätzen, dass die 27 Rappen pro Kilowattstunde Solarstrom nicht bloss ein einmaliger Ausreisser gewesen sein dürften. Im ersten Quartal 2022 sei aus heutiger Sicht mit einer Stromvergütung in der Grössenordnung des vierten Quartals 2021 zu rechnen, sagt BKW-Sprecher René Lenzin. In den nachfolgenden Quartalen werde die Vergütung wohl etwas tiefer sein, aber immer noch deutlich über den Werten der vergangenen Jahre. Die Herkunftsnachweise sind dabei nicht eingerechnet.

Pikant ist schliesslich, dass die BKW für Strom aus Solaranlagen nur noch einen Ökoaufpreis von 1 Rappen bezahlt. Aber von den Konsumierenden verlangt sie für grünen Strom weiterhin 3,5 Rappen mehr als für Graustrom, der mehrheitlich aus Atomkraftwerken stammt. Das ist vom Gesetzgeber so geregelt.

 

Monopol plötzlich ein Vorteil

Den im Monopol gebundenen Kunden verkauft sie den Strom nicht zum Marktpreis, sondern basierend auf den Produktionskosten ihrer Kraftwerke mit regulierter Marge. Das war lange Zeit zum Nachteil der Kunden, weil sie nicht von den tieferen Strommarktpreisen profitieren konnten. Einzig Grossverbraucher können den Anbieter wechseln. Wenn aber die Strommarktpreise so weit steigen wie jetzt, profitieren die gebundenen Kunden. Sie bleiben weitgehend geschützt vor Aufschlägen beim Strompreis.

BKW-Sprecher Lenzin bestätigt: «Aufgrund der regulatorischen Vorgaben und der Zusammensetzung des Elektrizitätsportfolios der BKW fliessen die Gestehungskosten der eigenen Kraftwerke immer mit einem grossen Gewicht in die Grundversorgungstarife ein.» Einfacher ausgedrückt heisse das, die BKW beliefere ihre Kunden in der Grundversorgung seit Jahren weitestgehend mit dem Strom aus ihren eigenen Kraftwerken. Bei hohen Marktpreisen ist dies zum Vorteil der Kunden.

Energie Wasser Bern (EWB) der Stadt Bern produziert ebenfalls einen Teil des Stroms selbst und ist am grossen Oberländer Wasserkraftwerkbetreiber KWO beteiligt. Anders sieht es bei kleineren Versorgern von Gemeinden ohne eigene Produktion aus. Sie müssten bei anhaltender Preishausse an den Märkten für neue Bezugsverträge mehr zahlen. Dann würden wohl auch die Kunden zur Kasse gebeten.

 

EWB und Postfinance stellen Portal ein

  • Die Plattform Ormera stellt im 
2. Quartal 2022 ihre Geschäftstätigkeiten ein. Das Marktumfeld sei zäh und die Konkurrenz namhaft, heisst es in einer Mitteilung.
  • Ormera wurde 2019 von Postfinance und Energie Wasser Bern (EWB) gegründet. Das Onlineportal dient zur Messung und zur Verrechnung von eigenproduziertem Strom mittels Blockchain-Infrastruktur.
  • Das Jahr 2021 habe gezeigt, wie aufwendig und schwierig es für das vergleichsweise kleine Start-up mit 14 Mitarbeitenden sei, im Markt Fuss zu fassen, heisst es. Der hohe Kapitalbedarf und die Notwendigkeit, rasch wettbewerbsfähig zu werden, seien entscheidende Faktoren. Deshalb werde Ormera ihre Geschäftstätigkeit sukzessive einstellen. sda/awp
Stichwörter: Wirtschaft, BKW, Solaranlage, Umwelt

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