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Uhrenbranche

Ein Rekord – aber nicht für alle

Die Schweiz hat letztes Jahr für 22,3 Milliarden Franken Uhren exportiert. Bei günstigen Modellen verliert sie aber zunehmend an Boden.

Ein Uhrmacher in Guangzhou – China wird für die Schweizer Uhrenbranche immer wichtiger. Bild: Keystone

Tobias Graden

Die Schweizer Uhrenexporte haben sich schneller erholt als erwartet: Diesen Befund konnte der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie (Fédération Horlogère, FH) gestern mitteilen. Betrachtet man alleine den Gesamtwert der ausgeführten Uhren und Bestandteile, so hat sie die Coronakrise hinter sich gelassen. 22,3 Milliarden Franken betrug der Wert aller letztes Jahr getätigten Exporte, das sind 31,2 Prozent mehr als im krisengeprägten Vorjahr, 2,7 Prozent mehr als 2019 und immer noch 0,2 Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2014.

Corona sei zwar immer noch präsent gewesen, habe sich aber weniger gravierend ausgewirkt als zuvor, hält die FH fest. Besonders zwei Märkte haben das Wachstum stark getrieben: die USA und China. Während der US-Markt gegenüber 2019 um 27,8 Prozent wuchs, so waren es in (Festland-)China gar 48,8 Prozent. Dass Letzteres nicht zuletzt eine Folge der pandemiebedingten ausgebliebenen Reisetätigkeit der chinesischen Konsumenten ist, darauf hat die Swatch Group diese Woche bei der Präsentation ihrer Zahlen bereits aufmerksam gemacht. Auch der Verband stellt die «Verlagerung der Einkäufe ins Inland und in die digitalen Kanäle» fest, ebenso habe die Entwicklung des Duty-free-Marktes von Hainan eine Teilkompensation der Einbussen ermöglicht. Gleichzeitig aber hat der ehemals zentrale Handelsplatz Hongkong weiter an Relevanz eingebüsst: 20,7 Prozent betrug die Einbusse gegenüber 2019.

 

Licht und Schatten

Die auf den ersten Blick erfreulichen Zahlen sind allerdings mit mehreren Relativierungen zu lesen, worauf die FH gleich selber hinweist: «Hinter dem erfreulichen Ergebnis von 2021 verbergen sich jedoch sehr unterschiedliche Erfolgszahlen der verschiedenen Akteure der Luxusbranche und der schweizerischen Uhrenindustrie.» Besonders einzelne Marken hätten profitiert, nicht mehr bestimmte Produktekategorien wie in der Vergangenheit. Andere Marken wiederum hatten laut FH weniger Erfolg oder mussten gar «deutliche Einbussen» hinnehmen. In den Märkten, aber auch bei den Preissegmenten sei eine Polarisierung auszumachen.

In der Tat: Neben den Wachstumstreibern USA und China war in fast allen der 15 wichtigsten Märkte der Branche ein Minus zu verzeichnen, besonders in Japan und Südkorea sowie Frankreich und Italien. Es gibt aber nicht nur die konjunkturellen Faktoren, die wohl zum guten Teil temporär sein dürften.

 

Massiver Rückgang

Vielmehr verliert die Schweizer Uhrenindustrie an Boden, wenn es um günstige Zeitmesser geht. Das zeigt der Blick auf die einzelnen Preissegmente und insbesondere auf Statistik der Stückzahlen. Insgesamt wurden im letzten Jahr 15,7 Millionen Uhren exportiert. Das ist im Vergleich zu 2019 ein Rückgang um 23,8 Prozent oder 4,9 Millionen Stück. Ein Teil dieses Rückgangs dürfte zwar darauf zurückzuführen sein, dass nach dem Krisenjahr 2020 die Lager noch stärker gefüllt waren als in einem normalen Jahr. Doch der Trend dauert nun bereits mehrere Jahre an: In nur sechs Jahren hat sich die Stückzahl praktisch halbiert, exportierte die Schweiz doch 2015 noch über 28 Millionen Stück.

Uhren unter 500 Franken (Preise ab Werk) sind davon am stärksten betroffen. Ihr Exportwert sank im Vergleich zu 2019 um über 25 Prozent, gleichzeitig sind sie für über 95 Prozent des Volumenschwundes verantwortlich. Davon dürfte auch die Marke Swatch betroffen sein, worauf auch der starke Rückgang bei elektronischen Uhren hindeutet. Im Mittelsegment (500 bis 3000 Franken) betrug der Wertrückgang dagegen nur noch 3,5 Prozent, und die Luxusuhren (ab 3000 Franken) legten wertmässig um 9,7 Prozent zu. Die FH, die sich üblicherweise in Zurückhaltung übt, verbirgt denn auch gewisse Bedenken nicht: Sie schreibt von «strukturellen Veränderungen, die Anlass zu grösseren Sorgen geben und an die sich die Branche gewöhnen und anpassen muss».

Gleichwohl: Für das angelaufene Jahr zeigt sich die FH «zurückhaltend optimistisch». Die Entwicklungen der letzten Jahre dürften allerdings anhalten. Die Nachfrage nach Luxusgütern wird nach Ansicht des Verbandes weiter wachsen, hingegen blieben die gesundheitlichen Rahmenbedingungen schwierig und die makroökonomischen Aussichten eher ungünstig.

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