Sie sind hier

Abo

En famille

Unter Elstern – Survival Tipps fürs Elterngespräch

«Elstern-Gespräch» nannte es jeweils ein Bekannter, der Pädagoge war. Die komische Vorstellung, an einen Tisch zu sitzen mit diebischen Vögeln, half ihm wohl, der anstehenden Reihe von Elterngesprächen mit Gelassenheit zu begegnen. Denn zweifelsohne lassen diese Treffen den Puls bei allen Beteiligten etwas ansteigen.

Theresia Mühlemann

An dieser Stelle, liebe Leserinnen und Leser, möchte ich Sie von meiner reichen Erfahrung in Elterngesprächen profitieren lassen. Vielleicht kann ich Sie davon abhalten, sich selbst ins Fettnäpfchen zu manövrieren oder das Gespräch aus dem Ruder laufen zu lassen. All diese Fehler habe ich für Sie in den letzten Jahren bereits begangen, damit ich Sie davor warnen kann.

Ich weiss, es ist nicht leicht. Im Gespräch wissen wir nicht, wo wir uns positionieren sollen. Wie ein Huhn, das in der kargen Wüste einen Busch zum Eierlegen sucht, tippeln wir kurzsichtig hin und her zwischen absoluter Loyalität zu unserem Spross und Verständnis für die Lehrperson. Wir mäandern zwischen zwei Parteien und versuchen, Kritik am eigenen Kind nicht als Infragestellen unserer Fähigkeit als Elternteil zu interpretieren. Unterstützen Sie ihr Kind diskret, es könnte ihm sonst peinlich werden. Blicken Sie es nicht die ganze Zeit an, als wäre es ein Fabergé-Ei, das Ihrem Schoss entsprungen ist, und streicheln Sie es nicht unentwegt. Händchenhalten unter dem Tisch ist aber erlaubt.

Sicherlich hat Ihr Kind seine Eigenheiten nicht gestohlen, doch das ist nicht das Thema. Erzählen Sie bitte keinen Schwank aus Ihrer Jugend, sparen Sie sich dieses vermeintliche Ass für die Hochzeitsrede oder die Ansprache zum 18. Geburtstag.

Vermeiden Sie unbedingt den Super-GAU; auch wenn die Verlockung noch so gross ist, auch wenn der Satz lautstark und schillernd in Ihrem Kopf um Ihre Gunst buhlt, sagen Sie niemals folgende Worte: «… und aus mir ist ja auch etwas geworden!» Natürlich möchte Ihnen niemand absprechen, dass Sie Ihren Weg im Leben gefunden haben, auch ohne sich an einer Reckstange zum Felgaufzug hochziehen zu können, oder obwohl ihre Englischkenntnisse nur soweit reichen, dass Sie den Akzent nachahmen können. Doch dieser eine Satz kann möglicherweise ein Pulverfass entzünden, er impliziert, dass Sie den Anliegen der Lehrperson keine Gültigkeit zusprechen.

Und bitte reissen Sie sich zusammen, fangen Sie nicht an zu weinen. Wenn Sie in allen Punkten gescheitert sind, haben Sie immer noch die Möglichkeit, umzuziehen und neu anzufangen. Vergessen Sie nicht, die Person gegenüber hat möglicherweise genau so viel Angst wie Sie und stellt sich gerade vor, Sie sässen im schwarzweissen Federkleid da.

Info: Theresia Mühlemann (39) ist freie 
Autorin und Yogalehrerin. Sie schreibt 
regelmässig für den Regionalteil des BT. 
Im Wechsel mit Parzival Meister berichtet sie an dieser Stelle über ihren Familien-
alltag mit vier Kindern im Alter von 5 bis 
13 Jahren. 
kontext@bielertagblatt.ch

Stichwörter: Fokus

Nachrichten zu Fokus »