Sie sind hier

Abo

Jungpflanzenanzucht

Lasst es spriessen!

Der Frühling steht vor der Tür, und es ist höchste Zeit, die ersten Jungpflanzen für den Sommer vorzuziehen. Was gilt es dabei zu beachten? Und welche Fehler sollte man auf keinen Fall zweimal begehen? Ein Erfahrungsbericht.

Damit die Jungpflanzenanzucht gelingt, gilt es einiges zu beachten. Hier eine junge Tomatenpflanze. Copyright: Bieler Tagblatt/Matthias Käser
von Jana Tálos
 
Kribbelt es Ihnen auch schon in den Fingerspitzen, jetzt, wo der Frühling endlich vor der Türe steht? Ich jedenfalls werde jeweils ganz hibbelig, sobald die ersten Krokusse und Schneeglöckchen ihre Köpfe aus der Erde strecken. Jetzt, im März, kreisen meine Gedanken vor allem darum, was ich dieses Jahr alles anbauen will. Denn wie viele andere Hobbygärtnerinnen ziehe ich meine Pflanzen selber vor, und viele davon, etwa die Tomaten, wollen jetzt ausgesät werden. Doch wie geht das eigentlich? Und was kann dabei alles schief gehen? Im Folgenden habe ich meine zehn wichtigsten Erkenntnisse zusammengetragen.
 
1. Regional bewährt sich
In einem Saatkorn stecken bereits alle wichtigen Informationen über die Pflanze drin, die später daraus entstehen soll: Wie sie aussieht, welche Blüten sie trägt, aber auch, welche klimatischen Bedingungen nötig sind, damit sie sich gut entwickeln kann. Wenn Sie Saatgut kaufen, sollten Sie deshalb darauf achten, dass es an die regionalen Bedingungen angepasst ist, sprich aus regionaler Produktion kommt, zum Beispiel aus einer Gärtnerei in Ihrer Nähe. Bei Samen aus einer anderen Klimazone besteht die Gefahr, dass sie mit den Bedingungen bei Ihnen zuhause nicht zurechtkommen. So habe ich beispielsweise mehrere Male erfolglos versucht, eine Passionsblume heranzuziehen, deren Saatgut wohl in einem Tropenhaus gewonnen wurde. Das Frustrationspotenzial ist gross.
 
2. Das Timing machts aus
Nicht alle Arten sollten wie Tomaten bereits jetzt im März vorgezogen werden: Zucchetti zum Beispiel brauchen relativ wenig Zeit, um zu einer kräftigen Jungpflanze heranzuwachsen. Wenn sie dann bereits gross sind, es aber noch nicht warm genug ist, um sie ins Freie zu pflanzen, besteht die Gefahr, dass ihnen der Anzuchttopf zu klein wird. 
Auberginen und Peperoni haben eine relativ lange Wachstumsphase und sollten deshalb spätestens Anfang März, besser noch im Februar, ausgesät werden. Um sicher zu gehen, werfen Sie einen Blick auf die Rückseite Ihrer Samentüte. Dort ist in der Regel vermerkt, wann der günstigste Zeitpunkt für die Aussaat ist.
 
3. Jungpflanzen brauchen Platz
Bevor Sie mit der Aussaat starten, sollten Sie sich erst einmal überlegen, wie viele Pflanzen Sie wirklich wollen. Sobald die Pflanzen grösser werden, wird es auf der Fensterbank nämlich schnell einmal eng. Sehr eng, wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann: Was mit ein paar Aussaatschalen auf dem Fensterbrett beginnt, artet nach dem Umtopfen in grössere Gefässe schnell einmal in eine kleine Gärtnerei im Wohnzimmer aus, wo man sich dann abends das Sofa mit einer Tomatenpflanze teilen darf. 
Gleichzeitig besteht aber immer auch die Gefahr, dass nicht alle Samen, die man aussät, keimen, und dass man dann im schlimmsten Fall zu wenig Pflanzen hat. Mein Tipp: Rechnen Sie aus, wie viele Pflanzen sie im Minimum haben wollen und säen Sie vier, fünf Samen mehr aus. Keimen dann wider Erwarten alle, verschenken Sie die restlichen Jungpflanzen an Freunde, Familie oder Nachbarn. Das kommt gut an – und Sie haben mehr Platz auf dem Sofa.
 
4. Jedem Korn seine Wohlfühlzone
Jedes Saatgut hat seine eigene Wohlfühlzone. Tomatensamen zum Beispiel keimen am besten bei einer Zimmertemperatur von 20 bis 25 Grad Celsius. Ähnlich sieht es bei anderen exotischen Gemüsesorten wie Peperoni, Aubergine, Zucchetti und Gurken aus. Salate und Spinat mögen es etwas kühler. Bei diesen Pflanzen würde ich aber ohnehin nicht empfehlen, sie drinnen vorzuziehen. Auch Rüebli, Radiesli und andere Wurzelgemüse gedeihen besser, wenn man sie direkt ins Freiland sät und nicht erst noch mühsam umtopfen muss.
Wichtig ist zudem, dass die Pflanzen bei der Anzucht viel Licht bekommen. Ideal wäre ein beheiztes Gewächshaus. Wer wie ich keins hat, kann auch mit der Fensterbank an einem Südfenster vorliebnehmen. Hier besteht allerdings die Gefahr, dass das Licht je nach Tageslänge nicht ausreicht. Besonders meine Tomatenpflanzen bilden dann nur dünne und lange Stängel, die leicht brechen. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann sich auch eine kleine Anzuchtstation mit LED-Lampen zulegen.
 
5. Vorsicht mit den Nährstoffen
Eine ausgewachsene Pflanze braucht relativ viele Nährstoffe, insbesondere die sogenannten Starkzehrer, zu denen auch die Tomaten, Peperoni, Auberginen, Zucchetti und Gurken gehören. Im frühen Wachstumsstadium ist es genau umgekehrt. Die noch jungen und zarten Pflänzchen können mit einem Überangebot von Nährstoffen noch nicht umgehen, ihre Wurzeln können im schlimmsten Fall sogar verbrennen. 
Für die Jungpflanzenanzucht verwende ich deshalb sogenannte Aussaaterde aus dem Gartencenter, die nicht nur nährstoffarm, sondern in der Regel auch sterilisiert und daher in der Regel frei von Krankheitserregern ist. Wer will, kann seine Aussaaterde aber auch selber herstellen. Experten empfehlen dafür ein Gemisch aus Gartenerde, Kompost und Sand, andere schwören auf eine Mischung aus Kompost und Kokossubstart. Wie immer gilt auch hier: Probieren geht über studieren.
 
6. Topf, Schale oder Platte?
Im Gartencenter finden sie eine Vielzahl an Gefässen für die Anzucht: einzelne Töpfe, Anzuchtplatten mit Vertiefungen oder Anzuchtschalen, in die gleich mehrere Samen nebeneinander gesät werden. Ich habe es schon mit allem versucht, und ganz ehrlich: Es funktioniert auch mit allem. Fürs Erste würde ich aber grundsätzlich die Anzuchtschale empfehlen: Man kann relativ viele Pflanzen in einem Gefäss vorziehen und spart dadurch Erde und Platz. 
Sobald die Samen gekeimt sind und die Pflanzen mehr Platz brauchen, können Sie sie dann vereinzeln und in kleine Töpfe pikieren (siehe auch Tipp 9). Wer zu faul ist, die Pflänzchen umzutopfen, kann sie natürlich auch allein in einen Topf aussäen. Da besteht aber die Gefahr, dass die Samen nicht keimen, und man umsonst Erde, Wasser und Platz bereitgestellt hat. Kürbisgewächse wie Zucchetti, Gurken oder Melonen würde ich aber in jedem Fall einzeln in Töpfen vorziehen. Die mögen es nämlich gar nicht, umgetopft zu werden.
 
7. Nicht alle mögens tief
Nach all diesen Vorbereitungen kann das Saatgut endlich in die Erde. Doch wie tief muss das Korn denn jetzt gesät werden? Hier unterscheidet man zwischen Licht- und Dunkelkeimern. Zu den Lichtkeimern gehören die meisten Kräuter wie Basilikum, Kamille, Koriander oder Dill, aber auch Rüebli und Tomaten. Bedeckt man diese mit zu viel Substrat, kann man giessen und warten, so viel man will – am Ende klaubt man bloss einen verfaulten Samen aus der Erde. Die Lichtkeimer brauchen Licht, um zu keimen. Die Samen sollten daher nur auf die mit Erde gefüllten Anzuchtschalen aufgelegt, vorsichtig angedrückt und mit wenig Erde bedeckt werden. Bei Dunkelkeimern wie Auberginen, Zucchetti, Gurken oder auch Petersilie und Schnittlauch passiert hingegen gar nichts, wenn sie mit Licht in Kontakt kommen. Sie mögen es dunkel. Dabei gilt die Faustregel: Je grösser der Samen, umso tiefer muss er in die Erde.
 
8. Schön feucht halten
Nachdem Sie die Samen ausgesät haben, ist es ganz wichtig, dass Sie das Substrat feucht halten. Damit ich nicht ständig giessen muss, decke ich die Aussaatschale deshalb mit einer Haube ab, die es oft zu den Anzuchtschalen dazu gibt. Unter der Haube entsteht ein fast tropisches-feuchtes Klima. 
Wer keine Haube hat, kann die Schalen und Töpfe auch mit Frischhaltefolie bespannen oder feuchtes Zeitungspapier darüberlegen. So trocknet die Erde weniger schnell aus. Aber Achtung: Mit dem Feuchthalten kann man es auch übertreiben. Ich neige dazu, zu viel zu giessen, besonders dann, wenn die Erde auf der Oberfläche trocken aussieht. Darunter ist es aber meist noch länger feucht. Im Zweifelsfall also zuerst den Finger reinstecken und fühlen, ob da noch Feuchtigkeit vorhanden ist. Sobald die Samen gekeimt sind, entferne ich die Haube wieder. Ansonsten wird es selbst den wärmeliebenden Tomaten schnell einmal zu heiss.
 
9. Vorsichtig beim Umzug
Sobald die Pflanzen eine gewisse Höhe erreicht haben, können Sie sie in grössere Töpfe umsetzen. Ich verwende dazu einen Pikierstab, es geht aber auch mit einem Stift oder einem Holzstiel. Mit Daumen und Zeigefinger umfasst man den Stängel des Pflänzchens, hebelt es mit dem Stab vorsichtig aus der Erde und setzt sie in einen mit Substrat gefüllten Topf um. Tomaten kann man etwas tiefer setzen, bis etwas unterhalb der Keimblätter. Am Stängel bilden sich so weitere Wurzeln, wodurch die Pflanze später einen besseren Halt hat. Nach dem Umzug sollten Sie die Töpfe zudem eine Zeit lang vor direktem Sonnenlicht schützen. Die Pflanze ist nach dem Umzug noch gestresst und muss sich erst an die neue Umgebung gewöhnen. 
 
10. Erst mal angewöhnen
Sobald die letzten Fröste vorüber sind, kann man die Jungpflanzen nach draussen auspflanzen. Das ist in der Regel ab Mitte Mai der Fall. Bevor Sie das tun, sollten sie die Pflanzen aber zuerst an die neue Umgebung gewöhnen. Denn draussen sind die Bedingungen anders als auf der Fensterbank oder im Gewächshaus: Es windet, es regnet und das auch mal stark. Vor allem aber scheint die Sonne nun direkt auf die zarten Blätter. Würde man die Jungpflanzen direkt nach draussen setzen, bekämen sie sofort einen Sonnenbrand. 
Ich bringe die Pflanzen daher anfangs nur für ein paar Stunden nach draussen, zuerst in den Schatten, danach immer länger ins direkte Sonnenlicht. Nach ein paar Wochen kann man die Pflanzen dann ins Beet setzen – und einer erfolgreichen Ernte steht nichts mehr im Weg.
 
Info: Jana Talos ist stellvertretende Leiterin des «Kontext» und passionierte Hobbygärtnerin. In dieser Rubrik berichtet sie regelmässig über das Werken im Grünen. Haben Sie eine Anregung oder eine Frage zum Thema «Gärtnern»? Dann melden Sie sich unter:  jana.talos@bielertagblatt.ch
 

Nachrichten zu Fokus »