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Zwei Grüne, die anpacken

Grüne Der Biowinzer Bruno Martin möchte im Grossen Rat bleiben. Michelle Berger leitet Projekte im Marketing und steuert von Aarberg aus einen Sitz in Bern an.

Michelle Berger ist engagiert in Beruf, Politik und Sport. Bruno Martin lebt seine Werte in den Reben, der Familie und im Grossen Rat. 


Vanessa Naef

Zwei Grüne mit sportlichem Ehrgeiz, unterschiedlich gefüllten Rucksäcken und fast vier Jahrzehnten Altersunterschied: Das sind Bruno Martin und Michelle Berger. Gemeinsam streben sie für die Land-Liste der Grünen im Wahlkreis Biel-Seeland zwei Sitze im Grossen Rat an.

Für Bruno Martin aus Gerolfingen ist es der erste Wahlkampf als Bisheriger. Vor drei Jahren ist der 60-jährige Biowinzer in den Grossen Rat nachgerutscht. Bei den letzten kantonalen Wahlen unterstützte er den jetzigen Nationalrat Kilian Baumann – und erzielte sogleich das beste Resultat nach ihm. Dann wechselte Baumann in den Nationalrat und Bruno Martin übernahm im Grossen Rat.

Der Grüne hat viel erlebt: Der gelernte Fassbauer und diplomierte Winzer ist seit 40 Jahren selbstständig mit seinem Weinbau in Ligerz, den er von den Grosseltern übernahm. Gesetzlichen Hürden zum Trotz setzte er bereits vor 30 Jahren auf biologischen Anbau. Als alleinerziehender Vater zog er vier Kinder gross und pflegte seine Tochter, die zystische Fibrose hatte, bis zu deren Tod. Er baute einen Fernwärmeverbund in Ligerz auf und brachte sich im Verband Bio Suisse ein. Mit der Wahl in den Grossen Rat nahm sein Leben eine neue Wende.

Bei der Aarbergerin Michelle Berger ist es die Premiere als Spitzenkandidatin. Sie legte schon in jungen Jahren in der Parteipolitik los. Seit sie 20 Jahre alt ist, ist sie bei den Grünen Aarberg im Vorstand und Teil der Wirtschaftskommission ihrer Gemeinde.

Nun reizt sie der Sprung von der Gemeinde in die Kantonspolitik. Beispielsweise liessen sich manche Verkehrsprobleme nur auf Kantonsebene lösen, weil es sich um Kantonsstrassen handelt, so Berger.

Die 22-jährige hat eine Lehre als Mediamatikerin gemacht, ein Beruf an der Schnittstelle zwischen Grafik, Informatik und KV. Dazu hat sie die Berufsmatura absolviert. Seit der Lehre arbeitet sie im Marketing, wo sie Projektleiterin ist und Lernende ausbildet. Zudem ist sie Volleyballspielerin in der zweithöchsten nationalen Liga.

Motiviert, Grossrätin zu werden, ist sie seit ihrer Kandidatur für den Aarberger Gemeinderat 2020. «Das hat mir Antrieb gegeben.» Den Grünen gelang auf Anhieb ein Sitzgewinn. Zwar zog nicht Michelle Berger in den Rat ein. Sie habe aber gute Rückmeldungen und viele Stimmen erhalten. Für sie ein Zeichen, dass die Bevölkerung junge Leute in der Politik will – das hat ihren Ehrgeiz geweckt. «Wenn, dann richtig», sagte sie sich. Diese Zielstrebigkeit schätzt Bruno Martin an seiner Mitstreiterin.

Sie setzte ihren Fokus vermehrt auf die Politik, als Verletzungen ihre sportliche Tätigkeit ausbremsten. Während der Lehre wäre dies kaum möglich gewesen. Wie es mit dem Sport weitergeht, weiss sie noch nicht.

 

Durchmischung verstärken

Andere Junge gehen fürs Klima auf die Strasse – was zieht Michelle Berger in das kantonale Parlament? Auch sie war an Demos, findet aber: «Damit retten wir die Welt nicht.» Es sei ein Anstoss für Veränderung, aber jemand müsse diese in die Hand nehmen. Mit ihrer Kandidatur will sie sich beteiligen und die Bedürfnisse von jungen Menschen einbringen. Nur gerade drei von 160 Mitgliedern des Grossrats sind derzeit unter 30 Jahre alt.

Bruno Martin meint, dass manche älteren Semester Platz für die Jüngeren machen sollten. Doch das Alter allein sei nicht ausschlaggebend: Alt sein heisse nicht automatisch, die Bedürfnisse der Jungen nicht zu kennen. Wer wie er Grosskinder betreut, erfahre, was diese und ihre Eltern beschäftigt. Aber: «Es ergibt sich eine andere Dynamik, wenn Leute unterschiedlichen Alters zusammenarbeiten.» Voneinander profitieren können die Generationen, sagt Michelle Berger.

Durch ihre Arbeit im Marketing hat Michelle Berger täglich Kundenkontakt mit Jung und Alt aus verschiedensten Branchen. Und durch die Betreuung von Lernenden sieht sie, was die Jüngsten umtreibt. Bruno Martin sagt über seine Parteikollegin, durch berufliches und sportliches Engagement habe jemand Junges schon viel Erfahrung und sei breit unterwegs – sonst wäre sie nicht auf diesem Listenplatz.

Die beiden sind sich einig: Es braucht nicht nur mehr Vielfalt, was das Alter oder das Geschlecht betrifft, es sollen auch Leute im Kanton politisieren, die unterschiedliche Berufs- und Lebenserfahrungen mitbringen.

Zuhören können sei das Geheimrezept für die Politik, sagt Bruno Martin. Ihm ist es wichtig, nicht drauflos zu schiessen, um aufzufallen. «Nur mit Blöken bewegt man nichts», sagt Martin.

Ein Erfolgserlebnis für ihn war die Anpassung der Härtefall-Regelung für Betriebe während der Pandemie. Diese hat er gemeinsam mit der SVP initiiert. Der Regierungsrat hatte festgelegt, dass Selbstständige 100 000 Franken Mindestumsatz machen müssen, um Gelder für Erwerbsausfälle in Anspruch nehmen zu können. Die Motionäre erreichten, dass der Betrag auf 50 000 Franken gesenkt wurde.

Im Rat ist Bruno Martin nicht, um zu sehen, wie Links auf Rechts schiesst und umgekehrt. In seiner ersten Session beobachtete er dies manchmal – und war enttäuscht. Doch das Klima habe sich zum Guten verändert.

Er steht für vielfältige Meinungen innerhalb der Partei ein. Michelle Berger will vorurteilslos ins Kantonsparlament: «Jemand von der SVP ist nicht ein schlechter Mensch oder hat eine schlechte Meinung.» Sie hat auch Freunde, die eine andere politische Einstellung haben.

 

Nicht nur Umweltthemen

Bruno Martins Expertise prägte seinen Einsatz für die Trinkwasserinitiative und für die Landwirtschaft. Doch darauf lässt er sich nicht reduzieren: «Ich bin nicht nur der Wein- und Biobauer.» Er stehe für eine menschliche Politik ein. Genauso wichtig sind ihm die Spitäler und die Pflege. Er vertritt christliche Werte, wie er sagt. Auch Michelle Berger will sich für die Gesundheit einsetzen. Speziell die psychische Gesundheit dürfe nicht vergessen werden. Psychische Erkrankungen bei Jugendlichen haben zugenommen, die Wartezeiten für Therapien werden länger, sagt die Berufsbildnerin. Sie sagt: «Es ist ein Thema, das für viele nah ist in ihrem Umfeld.» Am 27. März zeigt sich, ob die «grüne Welle» nach den Nationalratswahlen auch im Grossen Rat in Bern Einzug hält.

 

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Für Mensch und Umwelt

In der Berner Exekutive sind die Grünen derzeit von Christine Häsler vertreten.

Bei den Nationalratswahlen 2019 konnten die Grünen 17 Sitze gewinnen, und kommen auf 28 Sitze. So sind sie die fünftstärkste Fraktion in der grossen Kammer.

Für die Wahlen in den Grossen Rat hat die Kantonalpartei fünf Schwerpunkte definiert: Umwelt und Natur schützen; sozialen Zusammenhalt stärken; Wirtschaft zukunftsfähig machen; Offenheit und Vielfalt leben; und die Demokratie weiterentwickeln.

Der Klimaschutz soll sozial und wirtschaftlich umgesetzt werden und zum Beispiel Velo, ÖV und Solarenergie gefördert. Armutsbedrohte Familien sollen finanziell unterstützt werden. Die Grünen wollen die Lohn- und Anstellungsbedingungen in der Pflege, Betreuung und Bildung verbessern. Bei der Wirtschaftsförderung soll auf Kreislaufwirtschaft gesetzt werden. Die Grünen wollen zudem die Mehrsprachigkeit im Kanton fördern und unterstützen eine Ausweitung des Stimmrechtsalters auf 16 Jahre. vna

 

Die Listen

  • Die Grünen und Jungen Grünen treten im Verwaltungskreis Biel-Seeland mit der Liste 17 «Land» (Seeland) und der Liste 18 «Gewerkschaften» (Biel) an.
  • Neben Bruno Martin tritt Christoph Grupp (Biel) als
Bisheriger an.
  • Die Grünen Listen bilden eine Unterlistenverbindung.
  • Zudem besteht eine Listenverbindung mit den beiden Listen der SP und jenen der PSR, JUSO und PdA. vna

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