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«The Batman»

Düster und schwer

Der neue Batman-Film geht seinen ganz eigenen Weg. Das ist gut so und zeigt den berühmten Mitternachtsdetektiv endlich in seiner verdienten Ursprungsrolle.

Bild: zvg

Simon Dick

Atmen, einfach atmen.

Nach knapp drei Stunden läuft der Abspann über die Leinwand, und die Schwere, die sich über den Körper gelegt und ihn in den Kinosessel gedrückt hat, ist allgegenwärtig.

«The Batman» ist so weit von der gängigen Formel der Comicverfilmungen entfernt, dass man sich auch noch nach dem Ende immer wieder die Augen reiben und sinnieren muss. Nein, das ist definitiv keine simple Superhelden-Geschichte mit den üblichen Klischees und Erwartungen, die erfüllt werden müssen. Diese neue Batman-Version von Regisseur Matt Reeves ist anders. Mutig und kompromisslos in seinem Artdesign.

Schon der Beginn der Geschichte bricht mit einer der üblichen Genre-regeln: Wie das superreiche Waisenkind Bruce Wayne zum dunklen Ritter wurde und welche Hürden er nehmen und welche emotionalen Barrieren er durchbrechen musste, um in der tiefsten Nacht bei strömendem Regen auf Verbrecherjagd zu gehen, das wird nicht erklärt.

Batman ist bereits einfach da und verprügelt mit Gewaltausbrüchen reihenweise böse Buben und hält erst kurz vor deren Ableben inne. Das Gesindel auf der Strasse, die Unterwelt und alle vom rechten Pfad abgekommenen Wesen in der Moloch-Metropole Gotham City haben Angst vor dieser mannsgrossen Fledermaus, die ohne zu zögern die Fäuste sprechen lässt.

Nein, Batman ist in diesem Film kein Held, sondern ein Rächer, der die Öffentlichkeit in Angst und Schrecken versetzt. Auch die Polizei ist auf den Flattermann nicht gut zu sprechen. Und dennoch wird der Mitternachtsdetektiv unter der Obhut von Lieutenant James Gordon (stark: Jeffrey Wright) an einen Tatort zugelassen.

Denn Batman (düster: Robert Pattinson) kann nicht nur seine Fäuste sprechen lassen, sondern besitzt auch einen scharfen Verstand und eine intensive Kombinationsgabe. Und auch wenn er mit ein paar technischen Gadgets einen Vorteil besitzt; es sind seine detektivischen Fähigkeiten, die für einen grossen Pluspunkt in der Verbrechensbekämpfung sorgen.

Seine Gabe wird denn auch in einer Mordserie dringend benötigt: Ein Psychopath exekutiert gezielt bestimmte Männer aus der höheren Gesellschaftsklasse von Gotham City und stellt die Opfer besonders bedeutungsschwanger in Szene. Da er am Tatort abstruse Rätsel hinterlässt, wird ihm der Name The Riddler verpasst. Dieser Riddler (irre: Paul Dano) scheint etwas Grösseres geplant zu haben und Batman muss immer deutlicher erkennen, dass er und seine persönliche Vergangenheit wohl selber Teil des perversen Spiels sind.

Noch bevor mehrere Wendungen und Geheimnisse enthüllt werden und die Geschichte mit zahlreichen Irrungen und Wirrungen für noch mehr Aufmerksamkeit sorgt, macht sich Batman auf die weitere Spurensuche.

Dabei trifft er in einem Nachtclub, wo er sich, begleitet von treibenden Beats, seinen Weg durch die aggressive Meute bahnt und dabei inszenatorisch einen der vielen Höhepunkte verbucht, auf den dubiosen Oz, der sich unter dem Spitznamen The Penguin (eine Wucht: Colin Farrell) in der Schurkenwelt herumtreibt. Diese Ausgeburt der Kriminalität sorgt nicht nur dafür, dass die Indiziensuche weitergeht, sondern macht auch noch Platz auf der Bühne für eine weitere Figur: Die Diebin Selina Kyle (solid: Zoë Kravitz) besitzt ebenfalls eine ganz eigene Motivation, um in diesem Reigen mitzumischen, und wird im Drama von Minute zu Minute wichtiger.

Ja, die Geschichte von «The Batman» ist komplex, verschachtelt und zieht die Zusehenden immer tiefer in eine Welt voller Wut, Hass und Verkommenheit. Jede einzelne Figur bekommt dabei genügend Raum und Zeit, um auf dem Schachbrett positioniert zu werden. Das Treiben gleicht oft einem Kammerspiel, wird von Film-Noir-Merkmalen überschüttet und bekommt die Züge eines düsteren Thrillers verpasst, bei der die Jagd nach dem Mörder und dessen Motiv im Zentrum stehen.

Diese Schnitzeljagd, die immer wieder durch psychologische Minidramen und beissende Gesellschaftskritik unterbrochen wird, bekommt ein audiovisuelles Kleid verpasst, das die bereits düstere Grundstimmung noch dunkler macht. Es vergeht fast keine Szene, die nicht durch eine intensive Fotografie auffällt und die sich nicht als Wandgemälde in den eigenen vier Räumen eignen würde.

Und mittendrin stampft Robert Pattinson als gebrochene Seele auf der Suche nach Katharsis immer wieder durchs Bild und wird dabei von einem schweren Klangteppich eingelullt, der nochmals eine Schicht Melancholie darüberlegt. Auch wenn Pattinson im Film nur die zwei Gesichtszüge Trauer und Wut besitzt, fügt er sich hervorragend in die dunkle Detektivgeschichte ein und findet seinen Platz in dieser Welt voller Freaks.

Und am Ende sitzt der Batman-Fan einfach nur ausgelaugt und nach Atem ringend im Kinosessel und ist dankbar dafür, dass die Machenden hier einen unkonventionellen Weg gegangen sind, um diesem Mitternachtsdetektiv endlich eine neue filmische Seele zu schenken.

Atmen, einfach atmen.

Info: Auch in Grenchen und Lyss.

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