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«Wir waren uns bewusst, dass wir damit keine Sympathiepunkte holen»

Die Hirslanden Klinik Linde hat die OP-Reinigung ausgelagert. Dadurch arbeiten die Betroffenen nun zu deutlich schlechteren Bedingungen. Direktorin Stefanie Ruckstuhl erklärt, weshalb man sich trotzdem dafür entschieden hat.

Stefanie Ruckstuhl ist seit etwas mehr als einem Jahr Direktorin der Hirslanden Klinik Linde.  Peter Samuel Jaggi
Interview: Hannah Frei
 
Stefanie Ruckstuhl, ich hatte Sie am Dienstag vor einer Woche um eine ausführliche Stellungnahme zur Auslagerung der OP-Reinigung gebeten. Damals liessen Sie viele Fragen unbeantwortet. Weshalb haben Sie sich nun dazu entschieden, doch noch mündlich Stellung zu nehmen?
Stefanie Ruckstuhl: Da haben wir grundsätzlich eine andere Wahrnehmung. Wir haben Stellung genommen, sind jedoch nicht auf jede einzelne Frage eingegangen. Bei manchen Fragen waren wir auch nicht der richtige Ansprechpartner. Uns ist es wichtig, Transparenz und dadurch Verständnis zu schaffen. Kommunikation ist in unserem Unternehmen zentral. Daher möchten wir nun die Gelegenheit nutzen, unsere Überlegungen zum Entscheid der Teilauslagerung darzulegen. Zudem wurden in den Medien manche Dinge verzerrt, was wir richtigstellen möchten.
 
Was denn?
Wir haben beispielsweise vor der ersten Berichterstattung kommuniziert, dass bereits zwei Personen den Vertrag unterschrieben und somit das Angebot angenommen haben. In den Medien war jedoch lediglich von einer Person die Rede. Natürlich ist das ein Detail.
 
Verfügt die Unia nicht über die Vollmachten der Betroffenen?
Wir haben diese Vollmachten zweimal eingefordert. Bisher liegt uns lediglich eine vor.
 
Gemäss der Unia haben 211 der 530 Angestellten die Petition unterschrieben. Was sagen Sie dazu?
Diese Zahl ist nicht korrekt. Es waren deutlich weniger als von der Unia kommuniziert. Manche der Unterzeichnenden arbeiten nicht bei uns, andere haben keine Unterschrift aufs Blatt gesetzt. Wir kommen daher auf eine Summe von 186 gültigen Unterschriften.
 
Das ist immer noch ein grosser Teil der Belegschaft.
Das stimmt. Es ist eine Unterschriftensammlung und damit eine Form der Stellungnahme, die wir uneingeschränkt respektieren. Dass so viele unterschrieben haben, zeigt das grosse Mitgefühl mit den Betroffenen.
 
Das ist ja eigentlich etwas Positives.
In Bezug auf die Kultur in unserem Unternehmen schon. Aus unternehmerischer Sicht ist es hingegen erfreulich, dass eine Mehrheit der Angestellten nicht unterschrieben hat. Das heisst, dass viele unseren Entscheid verstehen.
 
Was hat diese Unterschriftensammlung in der Klinik Linde ausgelöst?
Auf unseren Entscheidungen und den Umgang mit Betroffenen hat dies keine Auswirkungen. Wir sind der Meinung, dass wir bereits vorher einen korrekten Weg eingeschlagen haben. Und an diesem halten wir fest. Wir stehen mit den Betroffenen seit Dezember in regelmässigem Austausch und werden dies auch weiterhin so handhaben. Auch unsere restlichen Mitarbeitenden wurden über den Entscheid informiert. Letzte Woche hatten wir mit dem Kader einen Workshop, an dem wir das Thema aktiv aufgenommen und besprochen haben. Von ihnen hat übrigens niemand die Petition unterschrieben. Wir haben unser Handeln aber stets kritisch hinterfragt. Haben wir genügend kommuniziert? Haben wir die Gründe für unseren Entscheid den Mitarbeitenden nachvollziehbar erklären können?
 
Was würden Sie heute sagen: Haben Sie das?
Wir müssen das genau analysieren. Ich bedauere die aktuelle Situation. Dass das Thema medial so viel Aufmerksamkeit erhält, hilft niemandem. Nun fragen wir uns natürlich, ob wir dies irgendwie hätten verhindern können, ob wir etwas hätten anders machen müssen.
 
Was genau hat Sie denn zu dieser Entscheidung bewogen? Geht es um Geld?
Der Entscheid ist unternehmerisch begründet, fundiert und sehr wohl überlegt. Es war kein Kurzschlussentscheid. Zu sagen, das sei aufgrund der Wirtschaftlichkeit entschieden worden, würde zu kurz greifen. Vielmehr ist es ein Zusammenspiel von organisatorischen, strukturellen und wirtschaftlichen Faktoren.
 
Wie lässt sich dieser Entscheid mit der sozialen Verantwortung vereinbaren?
Wir sind uns unserer sozialen Verantwortung sehr wohl bewusst. Wir sind eine Klinik mit über 500 Mitarbeitenden. Und wir sind auch stolz darauf, ein solch wichtiger Arbeitgeber in dieser Region sein zu dürfen.
 
Von der Klinik Linde hört man durchaus viel Positives, sowohl von Angestellten als auch von Patientinnen und Patienten. Die Löhne sind verhältnismässig hoch. Und die Spitalleistungen befinden sich gemäss Patienten-Rückmeldungen auf einem hohen Niveau. Daher erstaunt dieser Schritt umso mehr.
Diese positiven Rückmeldungen bestätigen, dass wir die soziale Verantwortung wahrnehmen. Doch auch bei einem Arbeitgeber, der seine soziale Verantwortung ernst nimmt, gibt es immer wieder Veränderungen. Wir sind ein Unternehmen, das den Herausforderungen von morgen gewachsen sein muss. Zurzeit befinden wir uns am Ende einer Krisensituation aufgrund der Pandemie. Da müssen wir uns regelmässig fragen, ob wir gut aufgestellt sind oder ob Anpassungen gemacht werden müssen.
 
Diese Auslagerung hat man in 15 von 17 Kliniken der Hirslanden Gruppe bereits vollzogen. Wie kommt es, dass dies in keiner anderen Klinik zu einem solchen Aufschrei geführt hat?
Grundsätzlich werden solche Auslagerungen ja längst nicht nur in Privatkliniken gemacht, sondern allgemein in Gesundheitsinstitutionen. Wir fragen uns auch, wie es bei uns so weit kommen konnte. Vielleicht hätten wir unsere guten Gründe noch besser kommunizieren können.
 
Inwiefern?
Das eine ist die Situation mit den Betroffenen. Diese nehmen wir sehr ernst. Das andere ist der Umgang mit der Unia. Das Vorgehen der Unia ist sehr aggressiv. Auf unser Schreiben im Februar erhielten wir beispielsweise keine Antwort mehr. Stattdessen stand die Unia plötzlich vor unserer Tür und sammelte Unterschriften.
 
Weshalb sind Sie nicht bereit, mit der Unia über einen Sozialplan für die Frauen zu verhandeln?
Ein Sozialplan wird grundsätzlich dann erstellt, wenn es sich um eine Massenentlassung handelt, bei der die Zeit nicht reicht, sich mit allein Mitarbeitenden einzeln auseinanderzusetzen. Es handelt sich in unserem Falle um acht Betroffene. Wir haben die Ressourcen, um mit jeder Mitarbeiterin Gespräche zu führen.
 
Ich habe mit fünf der betroffenen Frauen gesprochen. Sie standen dabei den Tränen nahe. Nicht nur wegen der Lohneinbussen, sondern, weil sie sich durch diese Auslagerung nicht wertgeschätzt fühlen. Was sagen Sie dazu?
Ich kann nachvollziehen, dass der Entscheid für die Betroffenen schmerzhaft ist. Ich habe Verständnis für die Emotionen. Eine Kündigung ist selten eine erfreuliche Botschaft. Wir waren uns zudem schon damals bewusst, dass wir uns damit keine Sympathiepunkte holen.
 
Weshalb ist man denn diesen Frauen nicht mehr entgegengekommen? 400 Franken während sechs Monaten als Ausgleich sind nicht gerade viel für ein solch grosses Unternehmen.
Wir können aus Datenschutzgründen nicht auf einzelne Lohndetails eingehen. Was wir aber sagen können: Es sind unterschiedliche Ausgangslagen bei den Betroffenen. Wir haben uns viel Gedanken darüber gemacht, wie wir den Frauen entgegenkommen können. Und es laufen auch weiterhin Diskussionen. Ein pauschaler Sozialplan für alle Mitarbeitenden ist in unseren Augen daher auch nicht sinnvoll. Es handelt sich um acht Betroffene. Wir haben die Ressourcen, um mit jeder eine individuelle Lösung zu finden. Zudem bezahlt die Firma Vebego branchenübliche Löhne.
 
Die Frauen verdienen mit den neuen Verträgen aber nur noch knapp genug, um zu überleben. Wie kann man das damit rechtfertigen, dass man sagt, es sei branchenüblich?
Diese Frage müssen Sie Vebego stellen.
 
Ist das für Sie damit abgehakt?
Ich kann zu unseren Löhnen Stellung nehmen. Zu denen unserer Zulieferer und Partner jedoch nicht.
 
Nebst der OP-Reinigung hat man auch einen Teil der Wäscherei ausgelagert. Den vier betroffenen Angestellten hat man jedoch keine Anschlusslösung angeboten. Weshalb nicht?
Wir haben uns darum bemüht, konnten aber keine Anschlusslösung finden.
 
Wie viele der Frauen haben unterdessen den neuen Vertrag unterschrieben?
Mehrere Mitarbeitende haben den neuen Vertrag unterschrieben. Mit weiteren ist es absehbar, dass wir bald zu Lösungen kommen. Und mit den Restlichen ist noch unklar, wie es weiter geht.
 
Wird es in der Klinik Linde noch weitere solche Auslagerungen geben?
Der Entscheid vom November ist vollumfänglich kommuniziert und damit abgeschlossen.

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