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Aufbereitung von Trinkwasser 
im Seeland wird wohl teurer

Worben Mit Aktivkohle lassen sich Rückstände von Pestiziden aus dem Grundwasser filtern. Das Verfahren wird aber nicht billiger als eine Umkehrosmose-Filteranlage. Für die Zukunft müssen Lösungen her.

In sechs Rohren testen Roman Wiget und Urs Lanz verschiedene Aktivkohlen. Die Versuche laufen: Roman Wiget von der Seeländischen Wasserversorgung Worben, und Vorstandspräsident Urs Lanz.

Brigitte Jeckelmann

Vor knapp einem Jahr hat das Volk über die beiden Initiativen für sauberes Trinkwasser und gegen synthetische Pestizide abgestimmt – und beide Vorlagen abgelehnt. Seither haben die Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine das Thema in den Hintergrund treten lassen. Dennoch ist das Problem nicht vom Tisch. Die Abbauprodukte des Fungizids Chlorothalonil sind in der Schweiz nach wie vor verbreitet im Grundwasser vorhanden und damit auch im Trinkwasser. Wasserversorger müssen sich Gedanken darüber machen, wie sie die Qualität ihres Trinkwassers künftig hochhalten können.

Bei der Seeländischen Wasserversorgung Worben hätte eine Umkehrosmose-Filteranlage zum Einsatz kommen sollen, um die Rückstände von Chlorothalonil aus dem Grundwasser zu entfernen. Doch im August letzten Jahres schwenkten Geschäftsführer Roman Wiget und der Vorstand um. Erst sollten Verfahren mit neuen Aktivkohlen getestet werden.

Der Grund: Im Gegensatz zur Umkehrosmose ist Aktivkohle weniger schädlich für die Natur. Bei ersterer wären die herausgefilterten Schadstoffe wieder in Gewässer geleitet worden. Die Filterrückstände der Aktivkohle dagegen lassen sich verbrennen. Nach etwas mehr als einem halben Jahr ziehen Vorstandspräsident Urs Lanz und Roman Wiget eine erste positive Bilanz.

Tüfteln zum besten Ergebnis

Im Innern des Pumpwerks Worben blubbert Wasser in sechs Rohren, die mehrere Meter hoch sind. Darin testen Wiget und sein Team Aktivkohle in verschiedenen Formen: Als Körnchen oder Stäbchen in dünneren und dickeren Schichten. Durch die Kohle fliesst Wasser unterschiedlich schnell. Der Zustand der Kohle und die Fliessgeschwindigkeit des Wassers beeinflussen die Menge der Schadstoffe, die hängen bleibt und die Abnutzung der Kohle.

Wigets Aufgabe ist es, das beste Resultat heraus zu tüfteln, bei dem die Kohle gleichzeitig so lange wie möglich aufnahmefähig bleibt. Aktivkohle in Pulverform ist eine weitere Variante, die Wiget in einem Container vor dem Pumpwerk vorführt. Darin befindet sich ein Kessel mit einer schwarzen Brühe. Wie Wiget ausführt, kommt das Wasser mit dem Kohlepulver so optimal in Kontakt. Nachdem Pulver und Wasser gut zehn Minuten im Kessel gemischt worden sind, wird das Wasser durch eine feine Membran – einen Ultrafilter – gepresst. Dieser hält nicht nur die Kohle mit den problematischen Stoffen zurück, sondern auch Viren und Bakterien.

Das gereinigte Wasser aus dem Kessel und den Rohren lässt Wiget mehrmals pro Woche im Labor analysieren. Die Resultate seien vielversprechend, sagt er. «Mit Aktivkohle lassen sich auch die Rückstände von Chlorothalonil entfernen.» Nun gilt es zu entscheiden: Welche Kohle ist die Beste? Und ist das Verfahren auch wirtschaftlich? Wiget und Lanz hoffen, bis Ende Jahr an der Abgeordnetenversammlung einen Vorschlag unterbreiten zu können, der nur geringfügig teurer sein wird als die Umkehrosmose-Filteranlage. Die Anlage selbst wäre auf 1,875 Millionen Franken zu stehen gekommen. Dies bei jährlichen Unterhaltskosten von 230 000 Franken.

Wasseraufbereitung kostet viel Geld. Je mehr Technik ins Spiel kommt, umso teurer wird es. Dabei ist das Ziel, Trinkwasser in bester Qualität mit einfachen Methoden aufzubereiten. So steht es in der Gewässerschutzverordnung. Die Abbauprodukte von Chlorothalonil sind ein Problem, weil sie die europäische Lebensmittelbehörde Efsa als möglicherweise krebserregend eingestuft hat. Zudem sind sie langlebig und nur mit aufwendigen Reinigungsverfahren aus dem Grundwasser herauszukriegen.

Die Schweiz hat die Zulassung von Chlorothalonil auf Anfang 2020 widerrufen. Seither dürfen Spritzmittel mit diesem Wirkstoff nicht mehr verkauft werden. Die Herstellerfirma Syngenta beharrt jedoch darauf, dass die Abbauprodukte ungefährlich sind, und hat beim Bundesverwaltungsgericht eine Klage eingereicht. Der Entscheid steht noch aus.

Zur Erinnerung: Das Bundesamt für Umwelt hat in seinem Grundwasser-Überwachungsprogramm festgestellt: Abbauprodukte von Chlorothalonil überschreiten landesweit an jeder dritten Messstelle den Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter. Betroffene Wasserversorgungen hätten erst innerhalb von zwei Jahren die Werte wieder in den Griff bekommen sollen. Entscheidet das oberste Gericht zugunsten von Syngenta, könnte das die Situation von manchen Wasserversorger verändern.

In der Zwischenzeit empfiehlt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen den Wasserversorgern, die Werte weiterhin zu kontrollieren. Nach Möglichkeit solle man verunreinigtes Wasser mit Wasser aus unbelasteten Quellen mischen. Den kantonalen Behörden rät das Bundesamt, überschrittene Werte nicht zu beanstanden.

Schwierige Lage im Seeland

Beim Kanton Bern ist man an den Versuchen in Worben interessiert. An sich befürworte der Kanton die hochtechnische Aufbereitung nicht, sagt Claudia Minkowski, die Leiterin des Gewässer- und Bodenschutzlabors. «Wir sind für den vorsorglichen Gewässerschutz.» Will heissen: Es sollte dafür gesorgt sein, dass problematische Stoffe für Mensch und Umwelt gar nicht erst ins Grundwasser gelangen.

Doch Minkowski weiss: «Das ist gerade im Seeland mit der intensiven Landwirtschaft schwierig.» Sie verstehe die unangenehme Lage der Seeländischen Wasserversorgung. Deren zweites Standbein, das Pumpwerk in Worben, ist wegen massiv zu hohen Werten von Chlorothalonil-Abbauprodukten seit zwei Jahren stillgelegt. Nur bei langen Trockenperioden wird es wieder zugeschaltet.

Worben ist somit ein wichtiger Faktor, um die Versorgungssicherheit der Einwohnenden der Verbandsgemeinden mit Trinkwasser zu garantieren. Minkowski verweist auf die lange Verweildauer von Pestizidrückständen im Grundwasser. Zwei Abbauprodukte von Chlorothalonil sind auch zwei Jahre nach dem Verbot sowohl im Grundwasser wie auch in Oberflächengewässern in hohen Konzentrationen nachweisbar. Erhöhte Werte habe man beispielsweise auch im Bielersee gemessen und in einigen Aarezuflüssen.

Die Werte sind stark witterungsabhängig. Bei Trockenheit sind sie tiefer, bei schlechtem Wetter höher, weil der Regen die Pestizide und deren Abbauprodukte auf den Feldern auswäscht. Von da gelangen sie in Oberflächengewässer und ins Grundwasser. Minkowski: «Dort werden sie vermutlich noch Jahre bis Jahrzehnte bleiben.» Sie verdeutlicht dies am Beispiel von Chloridazon, einem Herbizid zur Unkrautbekämpfung im Anbau von Zuckerrüben. Chloridazon darf seit 2015 nur noch mit einer Sonderbewilligung angewendet werden und kommt laut Minkowski seither kaum noch zum Einsatz.

Werte werden nicht tiefer

Seit Anfang Jahr ist es in der Schweiz ganz verboten. Dennoch zeige sich bis heute kein Trend hin zu tieferen Konzentrationen des Abbauprodukts Desphenyl-Chloridazon im Grundwasser. An einigen Stellen ist dieses noch in grossen Mengen messbar. Da der Stoff jedoch nicht als gefährlich gilt, wurden bisher keine Grenzwerte überschritten. Aber egal ob 10 oder 0,1 Mikrogramm pro Liter; für Minkowski ist unbestritten: «Diese Stoffe gehören nicht ins Grundwasser.»

Zurück nach Worben. Der Auftrag von Urs Lanz und Roman Wiget ist klar: Sie haben dafür zu sorgen, dass ihren Vertragspartnern sowie den Konsumentinnen und Konsumenten ihrer 20 Verbandsgemeinden jederzeit qualitativ einwandfreies Trinkwasser in genügender Menge zur Verfügung steht. Mit welchen Mitteln auch immer. Dies solle aber nicht zulasten der Verbraucher gehen, gibt Urs Lanz zu bedenken: Ziel sei nicht, die Wasserpreise zu erhöhen. Die natürliche Reinigung sei noch immer die günstigste. Lanz: «Deshalb hat der vorsorgliche Schutz des Trinkwassers weiterhin Vorrang.»

Urs Lanz, 
Vorstandspräsident Seeländische Wasserversorgung Worben