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Eidgenössisches Schwingfest

Der Kampf über acht Gänge: Stuckis und Gnägis Exploit

Im achten und letzten Gang gestern Nachmittag machten Christian Stucki den Königstitel und Florian Gnägi den Kranz wahr. 
Es waren Exploits nach erbitterten je sieben Kämpfen. Einstellung, Wille und Können zeichneten das Duo aus.

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Beat Moning

Wo steht Christian Stucki? Eine mehrdeutige Frage, denn auf beiden Beinen und auf dem Boden der Realität ist er in den letzten dreieinhalb Monaten nach dem verletzungsbedingten Out am Emmentalischen in Zäziwil stets gestanden und geblieben.

Er wirkte an diesem Wochenende so fokussiert wie noch nie, hielt bei Autogramm- und Selfiejägern nur am Samstagabend nach dem vierten Gang an. Jetzt, waren sich die Insider einig, will er endgültig ein Böser sein. «Es könnte seine letzte Chance sein, die will er packen, das sieht man ihm an», meinte Matthias Sempach, der Stucki vor sechs Jahren in Burgdorf im Schlussgang bezwingen konnte. «Er kam stets geladen und hoch gespannt auf das Sägemehl. Das zeigte mir, dass er bereit ist, seinen Traum wahr werden zu lassen», meinte Vater Willi.

Nur einmal zögerte er bei seinen Beobachtungen. «Vor dem Gang gegen Armon Orlik spürte ich eine leichte Verunsicherung. Es hat ihn schon mitgenommen, dass er nach Wicki gerade Orlik erhielt. Damit hat er wohl nicht unbedingt gerechnet.»

Das Zeichen am Samstag

Der 34-jährige Lysser setzte am Samstag mit vier Siegen ein deutliches Zeichen, brauchte nur gegen Christoph Bieri etwas länger. «Das gab mir sehr viel Selbstvertrauen. Ich wusste, ich bin da, mein Knie ist super.» Die mit Spannung erwartete Begegnung zum Auftakt gegen Pirmin Reichmuth wurde zu einer klaren Sache für Stucki. «Ich bin sehr zufrieden. Ich habe mir viel vorgenommen, wollte auch böser sein als sonst», sagte er danach zur allgemeinen Gefühlslage. «Aber der Sonntag wird noch heisser und es ist ein neuer Schwingtag. Ich muss jetzt herunterfahren, gut essen, genügend schlafen und darauf hoffen, dass mit auch meine Erfahrung hilft. Ich werde wieder voll angreifen.»

Was kaum jemand wusste: Stucki klagte die letzte Woche über Rückenschmerzen, liess das Training am Montag aus (das BT berichtete), war nur sehr kurz am Mittwoch im Sägemehl. «Er ging in die Physio, in die Massage. Er hat alles dafür getan, dass er am Wochenende bereit ist. Schwingen war nicht unbedingt mehr nötig. Er musste einfach körperlich fit sein», so der Vater.

Wicki, Orlik, Schneider, Wicki

Dann aber schien es nicht mehr für ihn zu laufen. Die Einteiler gaben ihm für den Sonntagmorgen erst Joel Wicki, dies in einer Mitteilung noch am Samstagabend, und dann auch noch Armon Orlik im folgenden Gang.

Insider meinten, man wolle jetzt einfach alles dafür tun, dass kein Berner Schwinger im Schlussgang steht. Der Berner Einteiler Peter Schmutz liess durchblicken, dass er es gegen die anderen Technischen Leiter sehr schwer habe, sich durchzusetzen.

Christian Stucki stellte die beiden Mitfavoriten, erhielt gegen Wicki eine 9 und zeigte nicht nur da auf, dass er seine Chance durchaus wahren wollte. Vorwürfe, dass er zuwenig getan hätte, waren unberechtigt. Zu viel Risiko nehmen, und dann auf einen Konter zu verlieren, das wollte Taktiker Stucki nicht. Was ihm aber danach zugute kam, war die sportliche Einstellung von Sven Schurtenberger, der Armon Orlik alles abverlangt und mit dem Gestellten nicht nur Joel Wicki einen Gefallen tat, sondern eben auch Christian Stucki.

Ein Zug zum grössten Sieg

So kam es zum Schlussgang der beiden so unterschiedlichen Schwinger. Stucki brauchte einen Erfolg, um sich seinen Lebenstraum erfüllen zu können. Es kam zum vierten Aufeinandertreffen, dem zweiten am gleichen Tag. Bei zwei Innerschweizerischen setzte sich Stucki 2017 durch, 2018 stellten die beiden, als Stucki nicht unbedingt gewinnen musste. Auch für Wicki gab es nur ein Ziel: den Titel des Schwingerkönigs. Vor drei Jahren konnte er verletzungsbedingt nicht mittun, am Unspunnen 2017 musste er auf einen Gestellten zwischen Stucki und Curdin Orlik hoffen.

Stucki gewann kurz vor Ablauf des Schlussgangs. Solange wolle er nicht schwingen. Ein Zug, ein Sieg, der grösste Erfolg war perfekt. Von zwei Seeländern liess er sich schultern: Von Florian Gnägi, der den Kranz holte, und von Philipp Roth, der selber von einer grossen Enttäuschung sprach, dass er in Zug seine Leistung nicht abrufen konnte.

Florian Gnägi hat eine schwierige Saison hinter sich. Erst wollte der Fuss nicht so recht und er musste verspätet die Vorbereitung in Angriff nehmen. Beim Hallenschwinget in Büren im Februar blickte er aber zuversichtlich nach vorne. Kaum begann die Kranzsaison, fiel er mit einem Schleudertrauma und einer Gehirnerschütterung aus. Notabene am gleichen Fest, an dem sich Stucki Anfang Mai verletzte. Danach zeigte Gnägi in einigen Phasen und Gängen, dass er auf dem Weg zurück ist. Auf dem Weissenstein holte er den Kranz. Nach dem Bernisch-Kantonalen, bei dem er den Kranz verpasst hatte, war aber niemandem so recht klar, und wohl auch im selber nicht, wo der Aarberger genau steht. Die offensive Durchschlagskraft fehlte weitgehend, um Spitzenresultate zu erzielen.

So war es auch an diesem vergangenen Wochenende. Dem Startsieg folgte einer der härtesten Gegner überhaupt. Armon Orlik schien er aber kurz am Boden zu haben, setzte aber nicht konsequent nach und das Resultat konnte von den Kampfrichtern nicht gegeben werden. Es wäre ein Sieg für ihn selber, auch einer für Stucki gewesen. Kurz vor Ablauf des Ganges nutzte der Bündner eine seiner wenigen Chancen und legte den Seeländer auf den Rücken. Ein hartes Verdikt für Gnägi.

Damit war an sich nichts verloren, aber Florian Gnägi schien sich von diesem Ereignis nicht richtig erholen zu können. Er stellte danach zweimal, siegte aber am Sonntag zweimal und hielt die Hoffnung aufrecht, doch noch den zweiten Kranz nach 2013 in Burgdorf zu sichern. Dann aber kam nach Marco Rohrer und Adrian Steinauer Alex Schuler, auch ein Schwinger, der nicht unbedingt auf Resultat schwingt. Das dritte Remis bedeutete für Gnägi, dass er im achten Gang alles auf eine Karte setzen musste. Er tat dies und besiegte Shane Dändliker. «Die Erleichterung war gross, aber es war ein Kampf bis zum Schluss.» Er wisse sehr wohl, dass er nicht immer gut geschwungen habe. Was soll es? Der Kranz ist da, schon heute fragt niemand mehr, wie dieser zustande kam. Ein Kompliment erhielt er von Matthias Sempach: «Ein sehr wichtiger Mann für das Berner und Seeländer Team und somit auch für Stucki.»

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Dominik Roth schlecht belohnt

Vor dem Eidgenössischen blickte Dominik Roth auf eine gute Saison zurück. Drei Kränze, darunter den ersten Bergfestkranz am Brünig. Ihm trauten alle den eidgenössischen Kranz zu. In der Tat wirkte der Meikircher vom Schwingklub Aarberg topmotiviert, angriffiger als auch schon, vor allem aber defensiv derart solid, dass er gegen die Eidgenossen und Mitkronfavoriten Pirmin Reichmuth und Christian Schuler stellte, dazu Roger Rychen im vierten Gang am Samstagnachmittag mit einem Überraschungsangriff bezwingen konnte.

Königstitel überwiegt

Mit dem Unentschieden gegen Reichmuth liess er sich vor der Berner Kurve wie ein Sieger feiern. Als «Bremsklotz» hat er seine Spielverderber-Rolle voll ausgefüllt. Reichmuth sagte: «Ich bin am Druck zerbrochen. Da kam einfach zu wenig von mir und gegen so gute Defensivspieler wie Dominik wird es dann halt mit der Zeit im Gang schwierig.» Am Ende war auch Dominik Roth enttäuscht. Im achten Gang hätte er Steve Duplan bezwingen müssen. Nach wenigen Sekunden war der Traum von Kranz ausgeträumt. «Das Kartenhaus ist zusammengebrochen. Aber ich bin noch jung, der Königstitel von Chrigu überstrahlt alles und entschädigt auch micht.»

Bei Philipp Roth war es von Beginn weg eine zähe Angelegenheit. Über das ganze Fest konnte er seine schwierige Saison mit zahlreichen Blessuren nicht verstecken. «Ich habe Lehrgeld bezahlt. Es ist hart, wenn das Krankenblatt länger ist als die Notenblätter. An den Gegnern hat es nicht gelegen, einzig allein an mir.» bmb

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Neuling Burger: «Das war ein Superfest»

Joel Wicki hat in der Regel kurze Gänge. Moral tanken, Kräfte sparen, so das Motto. Auch Matthieu Burger gelang dies zum Auftakt seines Eidgenössischen-Debüts. Gegen den viel kleineren US-Amerikaner Steven Widmer benötigte der Schwinger vom SK Biel gerade mal 20 Sekunden. Dann war sein erster Sieg auch gleich im Sack und bildete im Laufe des Festes die Grundlage, um sein persönliches Ziel zu erreichen. «Das waren im Hinterkopf sechs Gänge. Dass ich alle absolvieren konnte, übertrifft alles bei Weitem.» Zumal er sich mit einem Gestellten im zweiten Durchgang auch noch gleich vorne in der Tabelle präsentierte. «Das war eine gute Basis, die mich motiviert hat.» Mit einem zweiten Erfolg gegen den Davoser Christian Biäsch in Runde fünf erreichte er den zweiten Ausstich. Und wer hätte das gedacht: Burger gewann den siebten und achten Gang. Entsprechend fiel seine Bilanz aus. «Von der Ambiance her war es wirklich einmalig. Es macht sehr viel Spass, vor dieser Kulisse zu schwingen.» Er habe es aber weitgehend ausblenden können. «Wir sind im Team sehr gut aufgestellt. Ich hatte stets einen Betreuer an der Seite, das half mir, fokussiert zu bleiben.» Sportlich könne er sehr viel mitnehmen. Er ist bei den Aktiven definitiv angekommen und konnte seine Nomination, die im Bernerverband viel diskutiert wurde, mehr als rechtfertigen. «Ich bin froh darüber. Diese Erfahrung bringt mich bestimmt weiter.» Die Saison geht zu Ende. Nun gilt es zu regenerieren. «Dann will ich gut trainieren, um 2020 wieder angreifen zu können. Da steht das 125-Jahr-Jubiläum des Eidgenössischen Schwingerverbandes auf dem Programm. In Appenzell dabei zu sein, sei sicher ein Ziel. «Aber es wird nicht einfach, weil weniger Athleten selektioniert werden als für das Eidgenössische.»

Staub sechs Gänge, Kramer mit Kranz

Von den weiteren Schwingern mit Seeland-Bezug lief es nicht allen nach Wunsch. Maël Staub aus Sonceboz und Arbeitsort Biel (Burgergemeinde) startete zwar mit zwei Siegen, dann aber ging es rückwärts und nach sechs Gängen musste er seine Sachen packen. Er wird demnächst seinen Rücktritt bekannt geben (das BT berichtete).

Besser lief es Lario Kramer aus Galmiz vom Schwinklub Kerzers. Er gehört, wie Joel Wicki, Samuel Giger, Kilian von Weissenfluh oder Matthias Aeschbacher zu den Neukranzern. Mit 75.25 Punkten und einigen schönen Erfolgen wie dem Sieg über Andreas Ulrich kann Kramer zufrieden die Heimreise antreten. Mit Steve Duplan und Benjamin Gapany holten noch zwei andere Schwinger aus der Südwestschweiz den ersten Kranz. 74.75 Punkte brauchte es, um sich Eichenlaub bei den Ehrendamen abzuholen. Es waren einige Schwinger darunter, die dieses verfehlten, so auch der Stucki-Vorgänger Matthias Glarner. Da fehlten 0.25 Punkte. bmb

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