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Automobil

Auf die richtige Einstellung kommt es an

Neel Jani startet am Samstag in Santiago ins dritte Rennen der Formel-E-Meisterschaft. In der Pause hat der Serienneuling seine ersten Auftritte analysiert. Das Finden der Fahrzeugabstimmung machte dem Seeländer am meisten zu schaffen.

Rookie Neel Jani und sein Porsche 99X zahlen in der Formel E noch Lehrgeld. copyright: Porsche

Moritz Bill

Die Bedeutung der richtigen Einstellung wird im Sport zur Genüge lobgepriesen. Damit meinen die Athleten fast immer, dass «es im Kopf stimmen» muss. In Zeiten, in denen Hundertstelsekunden entscheiden, erhält die mentale Frische in der Beurteilung eines erfolgreichen Wettkampfs mindestens die gleiche Wichtigkeit wie die körperliche Fitness. Das Gewinner-Gen, der Killer-Instinkt oder die Sieger-Mentalität sind Produkte, die im Kopf mit dem dazu nötigen Selbstbewusstsein fabriziert werden. Ich fühle mich unbesiegbar, also kann ich gar nicht anders, als zu gewinnen.
Auch für Neel Jani ist die richtige Einstellung zentral. Als Rennfahrer versucht er unter höchster Konzentration, die Ziellinie als erster zu überqueren. Doch die erfolgsversprechende Einstellung ist für den Jenser in seiner ersten Formel-E-Saison auch anderenorts ausschlaggebend. Mit zig Optionen lässt sich sein neues, elektrisch betriebenes Dienstfahrzeug modifizieren; Setup nennt man das im Motorsport-Jargon. Stimmt dieses nicht, ist ein Rennfahrer auf der Strecke verloren – auch wenn er im Kreis fährt. Beim Saisonauftakt in Riad fand Jani die richtige Einstellung nicht. Die ersten beiden Saisonläufe in der saudi-arabischen Stadt beendete der Seeländer auf den Plätzen 17 und 13, also in der hinteren Hälfte des 24-köpfigen Startfeldes. Jani sagt: «Bezüglich Setup muss ich noch am meisten lernen.»

Erfahrung ist das A und O
Das Setup ist eine individuelle Sache. Es muss den Eigenheiten und Vorlieben des Piloten entsprechen, damit er sein fahrerisches Können auf den Asphalt bringen kann. Da sich dieser aber sozusagen von Piste zu Piste unterscheidet, sprich, jeder Kurs seine Besonderheiten hat, ist das Finden der passenden Einstellungen schwierig. Zumal sowohl Rookie Jani, wie auch seinem Rennstall, dem Serienneuling Porsche, Erfahrungswerte fehlen, die hilfreich wären. Ein Beispiel: Die Testfahrten müssen die Teams auf Rennstrecken absolvieren, die Formel-E-Läufe finden hingegen auf temporär erstellten Stadtkursen statt. Bei den Tests konnte sich Jani auf viel Grip verlassen, dieser war im Rennen dann stark reduziert. «Erfahrung ist in der Formel E zentral. Viele Details müssen stimmen, damit man das Maximum herausholen kann», sagt Jani.
Das bewies André Lotterers Exploit – oder eben auch nicht. Janis Teamkollege fuhr im ersten FE-Rennen für Porsche mit dem 2. Platz sogleich ein Podium heraus. Einerseits war das aufgrund der Unerfahrenheit des Rennstalls eine Riesenüberraschung. Andererseits bringt Lotterer die Expertise von zwei Saisons in der Elektroserie mit. Er weiss besser, welches Setup er benötigt, damit das Auto für ihn passt. Für Porsche und auch Jani ist Lotterer deshalb von grossem Wert. «Ich spreche viel mit André und kann mir Dinge bei ihm abschauen, das hilft», sagt der Seeländer, der schon in der Langstrecken-WM mit Lotterer im selben Team gefahren war.

Fehleranalyse während der Pause
Die langandauernde Pause zwischen dem ersten Rennstopp Ende November und dem nächsten WM-Lauf von diesem Samstag in Chile nutzte Jani denn auch hauptsächlich zur Fehleranalyse. Er kritisiert sein Energiemanagement in den Zweikämpfen. Diesbezüglich erhofft er sich in Santiago einen Fortschritt. Aber er ist sich bewusst, dass schon bevor die Startlampen erlöschen, vieles zusammenpassen muss. Ein Rennen in der Formel E ist ein Tagesevent, dementsprechend eng ist der Zeitplan. Die freien Trainings und das Qualifying folgen so dicht nacheinander, das kaum Zeit zur Anpassung bleibt. Jani sagt: «Wenn du am Morgen das falsche Setup gewählt hast, fährst du den Rest des Tages hinterher.» Unter diesen Voraussetzungen mit der richtigen Einstellung im Kopf an den Start zu gehen, ist eine zusätzliche Herausforderung.
Doch Neel Jani weiss wie alle anderen Piloten auch: Gerade wegen dieser vielen Einflussfaktoren, und den zusätzlich unabsehbaren Geschehnissen auf der Strecke, bleibt der Rennsport unberechenbar.