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Ausser der Einsatzzeit stimmt alles

Der Nidauer François Affolter hat die Saison mit den San José Earthquakes beendet. Beruflich und privat hat sich der Verteidiger in Kalifornien gut eingelebt. Was ihm noch fehlt ist ein Stammplatz.

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Patric Schindler

Im Sommer 2017 wechselte François Affolter von der Super League (SL) in die Major League Soccer (MLS) in die USA. Der FC-Luzern-Profi wagte den Sprung über den Grossen Teich und erfüllte sich somit einen langersehnten Traum in San José, das im Süden der San Francisco Bay Area im Silicon Valley liegt. Nur ein paar Wochen nach der Vertragsunterzeichnung debütierte der Innenverteidiger in der nordamerikanischen Profiliga bei den San José Earthquakes. Fünf weitere Male kam er in der Regular Season zum Einsatz und qualifizierte sich als Tabellensechster mit den Kaliforniern in der 12er-Liga der Western Conference für die Playoffs.

In der K.o.-Runde wurde der Nidauer allerdings nicht mehr eingesetzt. Für sein Team war die Saison nach dem ersten Durchgang bereits beendet. Auch in der zweiten Saison konnte sich der Abwehrspieler keinen Stammplatz ergattern. In den 34 Meisterschaftspartien wurde er neunmal eingesetzt. Als Zwölfter und Tabellenletzter der Western Conference wurden die Playoffs Ende Oktober klar verpasst. «Dass wir uns im Gegensatz zum letzten Jahr nicht für die Playoffs qualifizierten, ist natürlich enttäuschend. Auch mit meiner Einsatzzeit kann ich nicht zufrieden sein», sagt Affolter. Er sei natürlich mit anderen Ansprüchen nach Kalifornien gekommen. «Mein Ziel ist es, in der nächsten Saison deutlich mehr zu spielen.» Die Chancen dazu dürften besser als in dieser Saison sein, denn der Trainerstab wird in der im März beginnenden neuen Meisterschaft anders aussehen. Die Karten werden also für Affolter neu gemischt.

Auf dem Rasen lief es bislang nicht nach Wunsch. Ansonsten ist der Seeländer aber sehr glücklich in der Major League Soccer. «Ich wurde von Anfang an vom Klub und von meinen Mitspielern gut aufgenommen und habe mich auch privat bestens eingelebt», sagt Affolter, der nur 15 Autominuten vom Stadion entfernt in San José, einer Stadt mit einer Million Einwohnern, lebt. Dem Profifussballer gefällt es bei den Earthquakes und in Kalifornien derart gut, dass er sich vorstellen kann, langfristig in den USA zu bleiben. Im Dezember 2019 läuft sein Vertrag aus. San José besitzt eine Option auf den fünffachen Schweizer Nationalspieler. Löst der MLS-Verein diese ein, wird Affolter zwei weitere Saisons das Trikot der Earthquakes tragen.


Affolter hat eine Greencard
Falls Affolter in der neuen Saison zu mehr Einsatzzeit kommt, dürfte er gute Chancen auf eine Vertragsverlängerung haben. Im vergangenen Juli hat der Seeländer nämlich die begehrte Greencard erhalten. In den nächsten zehn Jahren darf er in den USA arbeiten. Nicht nur für Affolter, sondern auch für San José ist dies erfreulich, denn der Schweizer belastet somit das Ausländerkontingent des Vereins nicht mehr (acht Ausländer dürfen im Kader stehen). Auch seine Freundin, die er in den USA kennengelernt hat, ist mit ein Grund, weshalb Affolter in Kalifornien angekommen ist.

Ende November fliegt Affolter zurück in die Schweiz, um seine Familie und Kollegen zu sehen. Im Januar wird dann der Trainingsbetrieb der Earthquakes wieder aufgenommen. Da die Regular Season von März bis Oktober dauert und bis im Dezember die Playoffs ausgetragen werden, hat der frühere Werder-Bremen-Spieler nur einmal pro Jahr die Möglichkeit, die Schweiz zu besuchen. «Klar haben wir auch mal während der Meisterschaft mehrere Tage nacheinander frei. Aber dies ist zu wenig, um nach Europa zu kommen.» Auf Achse ist Affolter in der MLS sowieso schon genug, denn zu den Auswärtspartien reist das Team per Flugzeug. Und zwar nicht nur zu jenen Teams der Western Conference, in denen sich drei Mannschaften aus Kalifornien befinden (Los Angeles Galaxy, Los Angeles FC und San José Earthquakes). Der für europäische Fussballfans unkonventionelle Modus sieht auch Spiele gegen Mannschaften der Eastern Conference, die im Gegensatz zur anderen Gruppe statt zwölf nur elf Mannschaften hat, vor. Und wie das im amerikanischen Teamsport so üblich ist, gibt es auch in der MLS keinen Absteiger. «Das ist für mich als Europäer schon speziell. Andererseits lässt dieser Modus die Klubs ruhiger arbeiten und man kann langfristiger planen», erklärt der frühere YB-Spieler.

Die Verwandten und Freunde, die den beim FC Etoile und FCBiel gross gewordenen Defensivspieler in Kalifornien immer wieder besuchen, müssen sich nicht nur über den Modus informieren, sondern bekommen auch einen anderen Fussball als in der Super League zu sehen. «Es ist schwierig, diese zwei Ligen zu vergleichen. Aber in der Super League wird sicher mehr Wert auf die Taktik gelegt. Der Fussball in den USA wird aber immer noch unterschätzt. Die Major League Soccer boomt und wird von Jahr zu Jahr auch von der spielerischen Qualität her besser.» In der Tat wechseln immer mehr internationale Stars in die MLS. Bestes Beispiel ist der Schwede Zlatan Ibrahimovic von den Los Angeles Galaxy. Affolter ist in dieser Saison in einem Meisterschaftsspiel auf ihn getroffen. «Es war schon immer mein Wunsch, gegen ihn zu spielen. Dass dies ausgerechnet in den USA der Fall sein wird, war schon speziell. Aber auf dem Feld war er für mich nicht Ibrahimovic, sondern einfach ein gegnerischer Spieler.»


22 000 Fans im Durchschnitt
Das Zuschauerinteresse am Soccer ist in der nordamerikanischen Profiliga beachtlich. Rund 22 000 Zuschauer wollen im Durchschnitt die Spiele der Western und Eastern Conference sehen. In San José (vor drei Jahren wurde ein neues Stadion mit einem Fassungsvermögen von 18 000 gebaut) sind es 13 000 Fans im Durchschnitt. «Die Stimmung ist aber nicht dieselbe wie in Europa. Es gibt kaum Fangesänge in den Stadien. Eine Ultraszene wie bei europäischen Klubs ist hier nicht vorhanden.» Auch das Medieninteresse am Soccer sei noch bescheiden. «Eishockey, American Football, Basketball und Baseball sind bei den Amerikanern immer noch sehr hoch im Kurs. Aber Soccer wird immer beliebter», sagt der Seeländer.


Nur Basketball fehlt noch
Ausser Basketball hat sich Affolter die populärsten amerikanischen Mannschaftssportarten schon in den Stadien angesehen. Am meisten war er bei NHL-Spielen der San José Sharks. Über den Schweizer Fussball informiert sich Affolter immer noch intensiv. Auch über den FC Biel weiss der Innenverteidiger bestens Bescheid. So war sein Kollege und Solothurn-Stürmer Loïc Chatton mit zwei Treffern massgeblich an der 0:3-Niederlage der Seeländer vom letzten Wochenende beteiligt. «Auch wenn ich nun weit weg von der Schweiz lebe, ist es für mich wichtig, Kontakte aufrechtzuerhalten und Freundschaften zu pflegen», sagt Affolter, der hofft, im nächsten Jahr erst im Dezember in die Schweiz zu fliegen. Dann sind nämlich in der MLS die Playoffs fertig.


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Stefan Frei ist zweitbester Goalie der MLS
Der Schweizer Goalie Stefan Frei wurde gestern in der MLS zum zweitbesten Goalie der Saison gewählt. Frei, der Schlussmann der aktuell in den Playoff-Viertelfinals stehenden Seattle Sounders, erhielt 18,85 Prozent der Stimmen und wurde nur vom amerikanischen Nationalgoalie Zack Steffen (24,92 Prozent) von Columbus überflügelt. Der 32-jährige Ostschweizer wechselte bereits als Teenager in die USA und spielt seit 2009 in der MLS. Neben François Affolter und Stefan Frei spielen folgende Schweizer in der MLS: Reto Ziegler (FC Dallas), Philippe Senderos (Houston Dynamo), Jérôme Thiesson (Minnesota United) und Scott Sutter (Orlando City FC). sda/mt

Stichwörter: François Affolter