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Stabhochsprung

Berg- und Talfahrt bringt sie nicht aus dem Rhythmus

Innerhalb von zwei Jahren katapultierte sich Nicole Büchler trotz den gesundheitlichen Problemen an die Weltspitze. In Brüssel setzte die Bielerin zum Saisonabschluss ein Ausrufezeichen. Akribie heisst das Zauberwort der früheren Rhythmischen Gymnastin.

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Patric Schindler

Im Rahmen des Diamond-League-Finals vom letzten Freitag in Brüssel ist Nicole Büchler zum Saisonabschluss auf den guten 5. Rang (4,65 m) gesprungen. «Mit diesem Resultat bin ich sehr zufrieden, denn ich bin auf dem letzten Zacken gelaufen», sagt die Bielerin, der in Belgien wiederum Hüftprobleme und ein hartnäckiger Husten zu schaffen machten. Eine Woche vorher sprang sie im Zürcher Hauptbahnhof anlässlich des Diamond-League-Meetings auf den 4. Rang.

Vor sechs Tagen ging eine Saison zu Ende, in der sie mehr denn je auch im mentalen Bereich gefordert war. Wie schon in der letztjährigen Olympia-Saison, mit dem 6. Rang in Rio und dem zweifachen Schweizer Rekord (4,78 m Freiluft, 4,8 m in der Halle) als Highlights, hatte sie mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Der Paukenschlag erfolgte in dieser Saison bereits im Februar mit der Diagnose Diskushernie im Lendenwirbelbereich. Die LC-Zürich-Starterin verpasste dadurch die Hallen-EM in Belgrad. Nichtsdestotrotz bäumte sie sich wieder auf, meldete sich ein paar Monate später eindrücklich zurück und schrieb ein Stück Schweizer Sportgeschichte. Als erste Schweizer Leichtathletin gewann sie in Stockholm ein Diamond-League-Meeting. Ein Wettkampf also, der zur höchsten internationalen Serie zählt. Nur kurze Zeit später folgte im August an der WM in London der nächste Tiefschlag. Bereits bei ihrer Ankunft hatte sie Fieber. Trotzdem schaffte sie es bis ins Finale, dort verliessen sie aber ihre Kräfte.

Büchler ist angekommen
Die letzten zwei Saisons, die zu den erfolgreichsten in der Karriere der 33-Jährigen gehören, waren nicht zuletzt aus gesundheitlichen Gründen eine Berg- und Talfahrt. «Manchmal überlege ich mir schon, was ohne gesundheitliche Probleme möglich gewesen wäre», erklärt Büchler. Es wären sicher noch mehr Podestplätze in Reichweite gelegen. 2016 hievte sie sich an Diamond-League-Meetings viermal aufs Podest, dieses Jahr klassierte sie sich zweimal in den Top_3. Dass sie trotz dieser Umstände international an der Spitze mithalten konnte, sei ein gutes Zeichen. «Ich bin dort angekommen, wo ich schon immer als Stabhochspringerin hin wollte», sagt Büchler, die einen Masterabschluss in Sportwissenschaften in der Tasche hat. «Das Wichtigste ist: Das Training und die Wettkämpfe machen mir immer noch Spass.» So lange dies der Fall sei, werde sie weiter Spitzensport betreiben.

Die 33-Jährige plant von Saison zu Saison. Ob sie in Tokio an den Olympischen Spielen 2020 an den Start gehen wird, weiss sie noch nicht. «Das ist mir noch viel zu weit weg.» Nach ihrem Studienabschluss kann sie sich nun voll auf die Leichtathletik konzentrieren. «Ich fühle mich privilegiert, dass ich mich als Sportlerin den ganzen Tag aufs Training und auf die Wettkämpfe fokussieren kann.» Andere Sportlerinnen und Sportler, die den gleich hohen Aufwand wie sie betreiben würden, könnten nicht davon leben.

Auch mental auf der Höhe
Der Höhenflug der letzten zwei Jahre hat viele Gründe. Heute kann sie im Gegensatz zu früher in den entscheidenden Momenten ihre maximale Leistung viel besser abrufen. In Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen hat sie sich mentale Techniken erarbeitet, die sie im Training und in den Wettkämpfen anwendet. «Die positiven Gedanken überwiegen bei mir nun klar», sagt die frühere Rhythmische Gymnastin, die als Teenager in dieser Sportart zur nationalen Spitze gehörte und auch an Europa- und Weltmeisterschaften teilgenommen hatte.

Büchler überlässt in den Trainings nichts dem Zufall. Akribie hat bei ihr eine grosse Bedeutung. Jeder Sprung von Büchler, sei es im Training oder im Wettkampf, wird einer Video-Analyse unterzogen. So konnte sie unter anderem ihre Flugphase verbessern. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist ihr Ehemann Mitch Greeley. Der gebürtige Amerikaner, der inzwischen den Schweizer Pass besitzt und als Stabhochspringer dieses Jahr den nationalen Titel gewann, coacht sie seit zwei Jahren. Dass Greeley Trainer und Ehemann in Personalunion ist, sei «kein Problem». Ihr Mann sage ihr jeweils, dass er nicht ihr Trainer, sondern ihr Caddy sei. Und offenbar können die aus dem Golf bekannten Taschenträger, die den Spielern auch beratend zur Seite stehen, auch im Stabhochsprung Gold wert sein. Die Bilanz spricht klar für diese Kombination. Denn seit Greeley auch als Coach an der Seite von Büchler steht, springt sie in einer anderen Liga.

Kreative Büchler
Mit Greeley, der als Automatiker arbeitet und deshalb nicht mehr viel Zeit in sein Training als Stabhochspringer investieren kann, bastelt die 33-Jährige schon an ihrer Zeit nach dem Stabhochsprung. Oder vielleicht sollte man besser sagen, dass sie bald an ihrer Zukunft schweisst. Denn Büchler möchte einen Schweiss-Kurs besuchen. Mit ihrem Mann hat sie zuhause eine CNC-Plasmamaschine, mit der man Metalle ausschneiden kann. Daraus sind schon einige Kunstwerke entstanden. In den nächsten Monaten werden Büchler und
Greeley mit www.blacksheepdesigns.ch sogar online gehen.

Es dürfte nicht erstaunen, wenn bis im Jahr 2020 das Sportler-Ehepaar eine Skulptur aus den fünf olympischen Ringe entwerfen wird. Als Motivationsspritze für Büchler, damit sie in Tokio Edelmetall gewinnt. Denn bis dann kennt sie sich dank der CNC-Plasmamaschine ja bestens mit diesem kostbaren Gut aus.