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Bieler wollen den Favoriten ein wenig ärgern

Nils Theuninck ist der grosse Favorit an den am Donnerstag in Grandson beginnenden Schweizer Meisterschaften in der Finn-Bootsklasse. Christoph Christen und seine Bieler Klubkollegen wollen es dem Waadtländer nicht allzu einfach machen.

Auf Podestkurs: Christoph Christen ist einer der Bieler in Grandson, die dem grossen Favoriten Nils Theuninck auf dem Neuenburgersee das Leben schwer machen wollen./Bild: zvg

Francisco Rodríguez

Nils Theuninck ist der beste Schweizer Finn-Segler der Gegenwart. Der Waadtländer ordnet alles seinem Sport unter und verfolgt ehrgeizig sein Olympiaprojekt. Hätte er sich vergangenes Jahr an den Europameisterschaften nicht eine nachträgliche Disqualifikation in der letzten Wettfahrt eingehandelt, wäre ihm der Quotenplatz für die Olympischen Spiele in Tokio bereits sicher gewesen. So muss sich der 23-jährige Segelprofi im kommenden Jahr an den Weltmeisterschaften im Vergleich mit der internationalen Elite ein weiteres Mal beweisen und das Olympia-Ticket als bestklassierter Europäer holen.

«Nils segelt in einer anderen Liga», sagt Christoph Christen über seinen weitaus stärksten Konkurrenten auf nationaler Ebene, der sich in Grandson wieder einmal auf heimischem Gewässer präsentieren wird. «Im Normalfall haben wir gegen ihn keine Chance», so Christen. Allerdings sei man im Segelsport nie von einem Malheur gefeit, wie Theuninck an den letzten Europameisterschaften selber erfahren musste. In einem solchen Fall wollen Christen und die weiteren Schweizer Finn-Spezialisten die Gunst der Stunde nutzen und sich ganz nach vorne kämpfen. «Wir alle hoffen natürlich, Nils ein wenig zu ärgern. Unser Ziel ist es, dass er nicht gleich alle Läufe gewinnt.» Ein solches kleines Erfolgserlebnis dürfte allerdings nicht viel daran ändern, dass Theuninck nach 2016, 2018 und 2019 ein viertes Mal als Gesamtsieger der international ausgeschriebenen Schweizer Meisterschaften dastehen wird.

Besser an das neue Boot gewöhnen

Obwohl sich der Dominator einer blendenden Form erfreut, in den letzten Wochen Zehnter an den Europameisterschaften sowie Dritter an der Kieler Woche wurde, erscheint im Palmarès der Schweizer Meisterschaften ein Name noch öfters. In den vergangenen zwanzig Jahren feierte Christen sechs Schweizer-Meister-Titel im Finn, zuletzt 2017 und 2015. Allerdings dämpft der Bieler diesmal allzu hohe Erwartungen, was nicht nur an Theuninck liegt. Seit Christen Anfang letztes Jahr von einem Kollegen ein gebrauchtes Boot gekauft hat, das die heute übliche neuere Form aufweist, läuft es ihm nicht rund. Zumindest in der Schweiz, wo schwächere Winde herrschen als im Ausland. «Ich habe mich zuhause schwer getan, die richtigen Einstellungen zu finden.» Was mit dieser moderneren Konstruktion möglich ist, hat Christen an der letzten Master-WM gezeigt, die er unter den 260 Konkurrenten als Gesamtfünfter sowie Dritter in seiner Kategorie beendete. «Bei Wind ist das Boot tendenziell schneller als das alte Modell und das Feedback beim Segeln ist besser.»

Zweimal Zweiter hinter Burger

Das Potenzial voll auszuschöpfen, egal unter welchen Bedingungen, ist weiterhin Christens grosse Herausforderung. Letztlich gehe es auch darum, sich besser an sein neues Renngefährt zu gewöhnen. «Mit meinem alten Boot war ich zehn Jahre lang gesegelt», bemerkt der Routinier. «Jetzt habe ich manchmal das Gefühl, dass ich in meinem Kopf zu viel mit dem Boot beschäftigt bin und zu wenig damit, wo es im Rennen langgeht.» Nach stundenlangem Tüfteln und angepassten Einstellungen laufe es ihm aber immerhin schon besser. An den beiden Punktemeisterschaften in Thun und Brunnen klassierte sich Christen jeweils auf dem zweiten Rang hinter dem Oberländer Christoph Burger, dessen Segelrevier sich im unteren Teil des Neuenburgersees befindet, dort wo auch die Schweizer Meisterschaften stattfinden werden. «Ich war zufrieden mit meinem Speed, habe aber nicht intelligent genug gesegelt», so Christen über seine SM-Hauptprobe, die von zwei Schnitzern geprägt war. «Auch hier hatte ich den Kopf zu stark im Boot.»

Hoffen auf viel Wind

Christen hofft nun vor Grandson auf viel Wind und diesbezüglich auf Bedingungen, die ihm gut liegen. «Eine starke Bise mit grosser Welle wäre ideal, wir nehmen aber auch Westwind», sagt Christen. Dass damit gleichzeitig auch Theuninck am besten bedient ist, nehme er doch gerne in Kauf, weil man gegen den Olympia-Aspiranten sowieso das Nachsehen habe und quasi in einem zweiten Wettkampf die restlichen Podestplätze unter sich ausmachen werde. Beim letzten SM-Titel von Theuninck war es Burger gewesen, der vor Christen die Silbermedaille gewann. Ein Edelmetall, das auch Christen ansteuert. «Am Ende auf dem Podest zu stehen wäre toll, aber nicht als dritter Schweizer, sonst droht Ungemach», schränkt Christen mit einem Augenzwinkern ein. Denn intern habe man abgemacht, dass der Dritte jeweils den Wettkampfbericht für die Homepage der Finnsegler schreibt, was mit zusätzlichem Zeitaufwand verbunden ist.

Grosse Bieler Delegation

Aus Bieler Sicht gehört auch Christens Klubkollege Peter Theurer zum Favoritenkreis für die restlichen Podestplätze hinter Theuninck. Vom Yachtclub Bielersee sind zudem Daniel Müller, Patrik Muster, Philippe Mauron, Ueli Appenzeller und Thomas Gautschi am Start, sowie der für den Regattaverein Schirmensee segelnde Bieler Bruno Biedermann. Die zahlenmässig umfangreiche Delegation aus dem Seeland will tatkräftig mithelfen, auf dem Neuenburgersee dem hoch favorisierten Waadtländer die Sache nicht allzu einfach zu machen. Sollte Theuninck am Ende trotz Goldmedaille um den Hals einen vielleicht etwas verärgerten Eindruck hinterlassen, dann haben seine Herausforderer und allen voran Christoph Christen ihr Vorhaben gut in die Tat umgesetzt.

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Schweizer Meister im Finn

Nils Theuninck (Pully)    2019
Nils Theuninck (Pully)    2018
Christoph Christen (Biel/YCB)     2017
Nils Theuninck (Pully)    2016
Christoph Christen (Biel/YCB)     2015
Christoph Burger (Nyon)     2014
Christoph Christen (Biel/YCB)     2013
Christoph Burger (Nyon)     2012
Michael Maier (CZE)     2011
André Budzien (GER)     2010
Silvan Hofer (Bern/YCB)     2009
Christoph Christen (Biel/YCB)     2008
Florian Raudaschl (AUT)     2007
Anthony Nossiter (AUS)     2006
Daniel Brun (Spiez)     2005
Jürgen Eiermann (GER)     2004
Ferner:
Christoph Christen (Biel/YCB)     2002
Christoph Christen (Biel/YCB)     2000
Peter Theurer (Mörigen/YCB)     1998
Peter Theurer (Mörigen/YCB)     1994   
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