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Der Rechtsstaat gilt auch für Djokovic

Es hat in dieser Pandemie ja bislang nicht an irren Geschichten gemangelt, aber jene um die Einreise von Novak Djokovic ist gewiss eine der irrsten.

Tobias Graden

Es war absehbar. Schliesslich treffen hier zwei Entwicklungen aufeinander, deren Kennzeichen die Überhöhung ist – wie zwei Wellen, die sich überlagern.

Da ist auf der einen Seite die australische Coronapolitik, die so restriktiv war wie kaum sonst wo in der westlichen Welt. Keine andere westliche Stadt durchlitt einen längeren Lockdown als Melbourne. Lange liess das Land nicht einmal eigene Staatsbürger aus dem Ausland einreisen. Die Regierung kann aus innenpolitischen Gründen gar nicht anders, als nun auch bei Weltstars mit aller Konsequenz auf die Regeln zu pochen. Jeglicher Verdacht auf Willkür und Bevorteilung würde sie bei der eigenen Bevölkerung umgehend verhasst machen. Das wäre auch so, wenn es um Roger Federer ginge.

Damit sind wir auf der andern Seite, dem «Djoker» und seinem Umfeld. Er hat sich immer stärker von einem verantwortlichen Verhalten entfernt. Seine kruden esoterischen Ansichten über die Gesundheit mögen Privatsache sein, doch im Kontext einer Pandemie sind sie nicht eben vorbildlich. Schlimmer noch aber ist, wie er sich für die «serbische Sache» vereinnahmen lässt und mit seiner absurden Selbststilisierung zum Opfer und Freiheitskämpfer dieser Vorschub leistet. Die Reaktion des offiziellen Serbiens lässt denn auch tief 
blicken, wenn Präsident Aleksandar Vucic persönlich Djokovic anruft und sagt, ganz Serbien stehe hinter ihm.

Der beste Tennisspieler aller Zeiten wird so zum Mahnmal, wohin nationalistische Überhöhung im Sport führen kann. Hier geht es nicht um Australien gegen Serbien. Es geht darum, dass der Rechtsstaat für alle gleichermassen gilt.

Tobias Graden, stv. Chefredaktor