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Stiftung Battenberg

«Der Sport war meine Brücke»

Gestern hat in der Stiftung Battenberg das Podiumsgespräch «Integration – Der Weg zurück» stattgefunden. Rollstuhlfahrer Heinz Frei erzählte, wie ihn der Sport auf diesem Weg begleitet hat.

Heinz Frei spricht anlässlich eines Podiumsgesprächs in der Stiftung Battenberg über seinen Weg zurück ins Berufsleben. zvg

Auch 35 Jahre nach dem Schicksalsschlag sind die Erinnerungen an diesen Moment bei Heinz Frei nicht erloschen. «Als mir die Ärzte sagten, dass ich den Rest meines Lebens im Rollstuhl verbringen werde, war das ein riesen Schock», sagt der fünfzehnfache Paralympics-Goldmedaillengewinner.
Im Alter von 20 Jahren verunfallte Frei bei einem Berglauf. Kurz nach dem Unfall offerierte ihm sein damaliger Arbeitsgeber, ihn auch weiterhin zu beschäftigen. Rückblickend sei dies für den weiteren Verlauf seines Lebens von immenser Bedeutung gewesen,  sagt der gelernte Vermessungszeichner. «Ich hatte während des Spitalaufenthalts Angst, nach meiner Entlassung keine Beschäftigung zu finden.» Dass Freis Arbeitgeber ihm diese Möglichkeit bot, ist keine Selbstverständlichkeit. Denn für Menschen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ist der Einstieg oder die Rückkehr in den Arbeitsmarkt mit Hürden verbunden. Hier bietet die Stiftung Battenberg Hilfestellung und begleitet die Personen auf ihrem Weg. Unter dem Leitsatz «Integration – Der Weg zurück» tauschten gestern in der Stiftung Battenberg eingeladene Gäste ihre Erfahrungen aus (siehe Infobox).

Fördern und motivieren
«Wir sind die Brücke zur Integration in den Arbeitsmarkt», sagt  Ueli Moser, Leiter Berufliches Integrationsmanagement. So wolle man das Potential der Menschen fördern und sie zur Eigeninitiative motivieren, führt Moser aus. Heinz Frei bestätigt dies: «Betreuung ist gut, aber die Selbstverantwortung ist wichtiger.» Frei betreut seit 15 Jahren im Paraplegikerzentrum Nottwil in der Sportabteilung Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung. Mit seiner eigenen Geschichte macht er anderen Mut. «Ich habe eine Vorbildsfunktion», weiss Frei. Wenn kürzlich verunfallte Personen sehen, wie flink sich Frei mit dem Rollstuhl fortbewegt, spornt das an.
Nebst dem raschen Wiedereinstieg ins Berufsleben hat Frei nach dem Unfall auch das Sporttreiben sehr geholfen. «Der Sport war meine Brücke zur Integration in die Gesellschaft», sagt er. Als Beispiel erinnert sich der Solothurner an den Marathonlauf in Biel 1982, wo er mit einem Rennrollstuhl «Marke Eigenbau» im Läuferfeld gestartet war. Die Reaktionen auf diesen «ungewohnten Teilnehmer» waren durchwegs positiv. Und auch auf der mentalen Ebene nahm der Sport eine wichtige Rolle ein:   «Mit zunehmender Leistungsfähigkeit ist auch mein Selbstwertgefühl gestiegen. Ich kam mit meinem Körper wieder ins Reine», sagt er. Darum treibt er auch seine Patienten zum Sport an, unabhängig davon, ob diese zuvor bereits sportangefressen waren oder nicht.
Vom Sport angefressen ist Frei, verbissen aber nicht. Sein Erfolgsrezept sieht der mehrfache Weltrekordhalter denn auch darin, dass er dem Sport nie zu viel Gewicht verliehen hat. «Ich setze mir vor einem Wettkampf keinen Druck auf», sagt Frei. Dass er nie eine Profikarriere in Betracht zog, sieht Frei deshalb als entscheidenden Faktor seines Erfolgs. So war er sozusagen nie zu Topleistungen verdammt gewesen.

Rio de Janeiro 2016?
Mit 55 Jahren rückt bei Heinz Frei die Frage nach dem Rücktritt vom Spitzensport natürlich zunehmend in den Vordergrund. «Ich erwarte seit Jahren, dass ich mit der Weltspitze nicht mehr mithalten kann», sagt Frei. Doch bis jetzt ist dies nicht eingetroffen. Sich deswegen die Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro als Fernziel zu setzen, findet Frei aber vermessen. Nur seines Palmarès wegen wolle er nicht Jüngeren das Olympia-Ticket streitig machen. Doch solange er mithalten kann, schliesst er eine Teilnahme nicht grundsätzlich aus.

Schon mit Keller gesprochen
Sicher ist aber, dass Frei nach  dem Rücktritt weiterhin Menschen im Paraplegikerzentrum coachen, und seine Erfahrungen weitergeben will. Er begleitete in Nottwil zum Beispiel den ehemaligen Skirennfahrer Silvano Beltrametti nach dessen Rennunfall. Mit dem vor zwei Monaten verunfallten Eishockeyspieler Ronny Keller hat Frei ebenfalls bereits erste Gespräche geführt. «Ich bin überzeugt, dass er seinen Weg gehen wird. Die grosse Solidarität und Anteilnahme sind ein Vorteil für ihn», sagt Frei.
Für weniger bekannte Menschen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung dürfte die Integration und der Weg zurück wohl schwieriger, aber dank der Unterstützung der Stiftung Battenberg kein Ding der Unmöglichkeit sein.    

Moritz Bill