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Automobil

Der symptomatische Saisonabschluss

Auch im letzten Rennen des Jahres schaffte es Neel Jani mit seinem Teamkollegen nicht aufs Podest. Der sechste Rang in Bahrain reichte aber, um trotzdem ganz oben zu stehen. Der Seeländer Rennfahrer holte sich seinen ersten WM-Titel.

Marc Lieb, Romain Dumas und Neel Jani feiern in Bahrain ihren WM-Titel. copyright: porsche
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von Moritz Bill
 
Neel Janis Auftritt auf dem Podest sagte alles. Er und seine Teamkollegen Marc Lieb und Romain Dumas liessen sich am Samstagabend in Bahrain mit strahlenden Augen zu den neuen Weltmeistern der Langstrecken-WM (WEC) auszeichnen. Doch als die Zeremonie zur obligaten Champagnerdusche überschritt, bekundete der Seeländer Rennfahrer anfänglich Mühe, den Korken knallen zu lassen. 
Die fehlende Feier-Routine symbolisiert den Saisonverlauf des Porsche-Trios. Seit dem Erfolg bei den 24 Stunden von Le Mans im Juni schafften es die Drei nie mehr aufs Treppchen. Dank des in der ersten drei Rennen herausgefahrenen Vorsprungs verteidigte der Porsche mit der Startnummer 2 aber bis zum Schluss seine Führung in der WM-Wertung. Zwölfeinhalb Punkte waren es am Ende. 
 
Immer derselbe Ablauf
So symbolisch das Podium, so symptomatisch das vorausgegangene Rennen. Jani startete gut, lag zwischenzeitlich auf dem zweiten Platz. Wie schon so oft in der diesjährigen Meisterschaft folgte auf einen guten Start dann aber ein herber Rückschlag. Ein GT-Auto fuhr Jani ins Heck, nur mit grosser Mühe lenkte er sein Hybrid-Fahrzeug mit einem völlig zerstörten linken Hinterreifen bis an die Box. «Ich wurde ein bisschen nervös. Da es beim Aufprall die Aufhängung verbog, hätte durchaus mehr kaputtgehen können», sagte Jani. 
Dennoch, ganz sauber lief der Porsche danach nicht mehr. Eine Aufholjagd von Platz 6 war nicht mehr möglich. Da aber der einzig verbliebene Titel-Konkurrent von Toyota nur einen Rang weiter vorne klassiert war, war dies auch nicht nötig. Es ging fortan darum, den Wagen irgendwie über die Ziellinie zu befördern, zu «überleben», wie es Jani formulierte. 
Dass es seinem ersten WM-Titel wegen der nicht so erfolgreichen zweiten Saisonhälfte ein wenig an Glanz fehle, verneint Jani vehement. «Klar wären wir gerne öfters auf dem Podest gestanden, denn es fehlte oft nicht viel. Aber wir wurden immer wieder unverschuldet zurückgeworfen. Das war mühsam.» Zudem unterstreicht der Jenser, dass man nicht einzig mit Glück einen Titel holen könne, «dazu braucht es harte Arbeit vom ganzen Team und Konstanz». 
 
Eine Premiere
Und Letztere machte in der Endabrechnung den Unterschied. Die Saison 2016 war die meist umkämpfte Langstrecken-WM, die es seit Einführung dieser Form 2012 gegeben hat. «Dieser Ausgeglichenheit haben wir unseren Titel zu verdanken», weiss Jani. Während der zweiten Saisonhälfte stach kein Team als Dominator heraus, die Verfolger nahmen sich die Punkte gegenseitig ab. Und Janis Auto fuhr den ausbleibenden Podiumsplätzen zum Trotz konstant Punkte ein.  
Diesem harten Konkurrenzkampf wegen ist der Seeländer umso stolzer über das Abschneiden seines Teams. Zuvor hatte in der WECnoch kein Auto im selben Jahr Le Mans und den WM-Titel gewinnen können. «Das ist wirklich unglaublich, dass uns das nun gelungen ist», so Jani. 
 
Janis grosser Anteil am Titel
Für den bald 33-Jährigen ist der aktuelle Erfolg auch eine Genugtuung nach der letztjährigen Saison, als sein Team im Schatten des Schwesterautos fuhr und deshalb auch Stallorder zu befolgen hatte. Nun dürfte Jani kommendes Jahr anstatt mit der 2 mit der Startnummer 1 ins Rennen gehen. Und das allem Anschein nach mit neuen Teamkollegen (siehe BT vom letzten Freitag). Dass man mit Lieb und Dumas trotz der Erfolge bei Porsche nicht vollends zufrieden ist, zeigt deutlich, welch grossen Anteil Jani am WM-Titel hat. «Ich bin stolz, dass ich in vielen wichtigen Momenten das Vertrauen erhalten habe und das Auto steuern durfte. Den Start oder auch die Zieldurchfahrt in Le Mans werde ich sicher nie vergessen.»
Doch welche Ziele kann sich der Seeländer Porsche Werksfahrer nach zwei Karrierehighlights innert Jahresfrist noch setzen? Auf diese Frage reagiert Neel Jani am späten Samstagabend mit einem Lachen. «Also darüber habe ich mir so kurz nach dem Titelgewinn jetzt wirklich noch keine Gedanken gemacht.» 
 
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Audis wehmütiger Abschied
Die WEC hatte dieses Jahr schon mehrere hollywoodreife Geschichten produziert – ein dramtaterisches Finish als in Le Mans wird es zum Beispiel mit grosser Wahrscheinlichkeit nie mehr geben. In Bahrain folgte nun der passende Abschluss zu dieser aussergewöhnlichen Saison. Audi holte sich im letzten Rennen nach 18 Jahren in der Langstrecken-WM ausgerechnet einen Doppelsieg und damit das beste Resultat der aktuellen Meisterschaft. Der ohnehin emotionale Abschied wurde dadurch noch wehmütiger. Die Ingolstädter ziehen sich wegen des nach dem Dieselskandal verordnetem Sparkurses des VW-Mutterkonzerns zurück (das BT berichtete). Damit endet auch Marcel Fässlers Langstrecken-Karriere:«Es war ein sehr emotionales Rennwochenende und der Moment als ich über die Ziellinie gefahren bin, war sehr speziell», so der Schwyzer, der auf den zweiten Rang fuhr. Über meine Zukunft kann ich noch nichts Konkretes sagen. Ich werde aber sicher weiter Rennen fahren», sagte der 40-jährige Schwyzer, der dreimal in Le Mans siegte und einmal Weltmeister wurde. bil