Sie sind hier

Abo

Aus der Ferne

Die Ästhetik 
der Leistung

Olympia? Da zappe ich eher versehentlich rein.

Clara Gauthey, Redaktion Kultur
  • Dossier

Inzwischen sind es meine kleinen Töchter, welche dann von Begeisterungsstürmen über tollkühne Snowboardfahrerinnen geschüttelt werden oder schiessende Biathleten anstarren, als wären sie ein Weltwunder. Medaillenspiegel, neue Disziplinen? Doping? Mir doch wurscht, egal, ob die Gewinner aus Deutschland oder aus der Schweiz kommen. Wobei, ein paar Namen, das gebe ich zu, sagen mir natürlich ein bisschen was. Claudia Pechstein zum Beispiel, so ein Tier! Muskelbepackt und einfach krass. Katarina Witt, okay, die Dame war einmal. Vor langer Zeit. Kategorie Franziska van Almsick. Schnee von gestern, aber eben Namen, mit denen man aufwächst. Und das bleibt.

Und dann ertappe ich mich plötzlich dabei, wie ich nur schlecht davon loskomme – von der reinen Ästhetik sportlicher Leistung. Dieser Dramatik verfehlter Zielscheiben, der Grazilität der Eiskunstläufer, den Schocks und dem «Aua» der Spiegelneuronen bei Stürzen. Das hat alles schon auch was. Diese ausgefuchsten Kommentatoren, die dem Ganzen immer wieder etwas abgewinnen, die sind natürlich auch nicht zu unterschätzen für die Sogwirkung. Und die Kamera-Heinis scheinen mir heute einiges ausgebuffter als anno dazumal, als man noch Zeit hatte, stundenlang vor solchen Übertragungen zu sitzen. Und es gibt ja auch noch andere Reize. So musste ich zumindest am Rande bemerken, dass diese Bobfahrer zu guten Teilen richtig super aussehen. Woran liegt das nur? Ist doch eigentlich ein bescheuerter Sport, sich in so einem Gefährt den Hang runter zu schicken, erinnert mich immer an den seltsamen Typen im Zirkus, der sich in der Kanone hochschiessen lässt. Aber diese Männer mit ihrem gewinnenden, weissen Lächeln sind ja dermassen gestählt, da muss also irgendwas an dieser Disziplin tatsächlich sportlich sein.

Und dann diese Schneemengen! Da träumt der Flachlandindianer ja nur davon. Das gibt einem irgendwo das Gefühl: «Ja, tatsächlich, es ist Winter.»

Früher habe ich ganz gerne Eiskunstlauf gesehen. Ein bisschen wie Ballett. Sieht schön leicht aus und ist doch ziemlich trickreich, und irgendwie halt volksnah, siehe Eisplanade. Und Skirennen, keine Ahnung wie da all die Disziplinen heissen, ja das hat schon auch was. Schnelligkeit siegt, so einfach ist das. Aber von wegen runter kommen sie alle. Das ist schon brutal, was die Sportler da machen. Kannte mal einen, der da mitgefahren ist, zwischen Didier Cuche und wie sie alle hiessen. Und so ein Slalom, wenn Du dann an die Stangen stösst und Dir fette blaue Flecken holst ... Oder Dein geschrottetes Knie wieder auftrainieren musst in Windeseile mit viel Schnickschnack. Da stecken Schweissperlen und Tränen drin. Vom Langlauf wollen wir gar nicht erst reden. Habe ich ein paar Mal versucht und für eindeutig zu anstrengend befunden. Klar zu viel Kraftaufwand für zu wenig physikalische Vorwärtsbewegung. Und diese Disziplin, die bewundere ich still und leise bei all den Leuten, die sich da durch den Parcours, durch die Kür, durch die Pflicht prügeln.

E-Mail: cgauthey@bielertagblatt.ch