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Standpunkt

Die Botschaft hör’ ich wohl

Allein mir fehlt der Glaube, lässt Goethe den Protagonisten Faust in seinem berühmten Drama sagen.

Walter Mengisen

Faust grübelt über den Sinn des Lebens nach und ist kurz davor zu resignieren, als er einen Engelschor hört und sich für das Leben entscheidet. Was hat das mit Sport zu tun, werden Sie sich fragen? In der letzten Zeit grüble auch ich oft über den Sinn des Sports oder vielmehr über dessen Entwicklung nach. Ich höre überall Botschaften der neuen Bescheidenheit im Sport und trotzdem dreht sich die ökonomische Spirale immer schneller. Obwohl das IOC mit seiner Agenda 2020 eine Hinwendung zur Nachhaltigkeit verspricht, ist davon noch wenig zu merken. Aber sie haben ja noch ein bisschen Zeit bis 2020. Brechen wir trotzdem nicht einfach den Stab über die, für die meisten von uns, sehr entfernten internationalen Organisationen, sondern schauen wir uns die Botschaften in unserem Land an. Es gibt einige Beispiele dafür.

Seit Jahren beklagen sich die Eishockey- und Fussballklubs der Profiligen über die steigenden und überrissenen Saläre von Spielern. Und was geschieht? Schlicht nichts. Die Lohnspirale dreht sich munter weiter oder es werden so halbgare Ideen präsentiert, wie mehr ausländische Spieler zuzulassen, da sie billiger zu haben seien auf dem sogenannten Markt. Gleichzeitig sprechen dieselben Leute von der Nachwuchsförderung, die noch besser unterstützt werden müsste. Was ist hier falsch? Das einzige effiziente Mittel gegen die Lohnspirale wäre eine Lohnobergrenze für das ganze Team (salary cap) wie es einige ausländische Ligen kennen.

Bei diesem Punkt beginnt sogleich das grosse Wehklagen der freien Marktwirtschaft, die den Wettbewerb dadurch verfälscht sieht. Damit kann ja wohl nicht der sportliche Wettbewerb gemeint sein, denn der geht davon aus, dass alle die gleichen Ausgangschancen haben. Ranglisten lassen sich mit ganz wenigen Ausnahmen anhand der zur Verfügung stehenden Budgets voraussagen, die wenigen Ausnahmen bestätigen die Regel. Es gibt ebenso nicht nur widersprüchliche Botschaften im Leistungssport. Auch im Amateursport wird zunehmend nach Professionalisierung verlangt. Ein eigentlicher Widerspruch in sich, wenn auch oft damit eher eine Qualitätssteigerung gemeint ist. Aber wie lässt sich dies mit ehrenamtlicher Tätigkeit erzielen? Eine Qualitätssteigerung lässt sich nur erreichen, wenn man mehr Ressourcen personeller Art investiert. Dies ist meist nur zu haben, wenn man mehr finanzielle Mittel hat. Damit gefährden wir eigentlich die Basis unserer Vereins- und Sportkultur. Die Botschaft zu mehr Bescheidenheit scheint konträr zum Leistungsgedanken des Sports zu sein.

Also müssen wir wohl mit dieser Widersprüchlichkeit leben wie so in vielen Lebensbereichen. Trotzdem widerstrebt es mir, diese Widersprüchlichkeiten einfach so anzunehmen. Faust hat recht, wenn er deklamiert: «der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn».

Info: Walter Mengisen ist stellvertretender Direktor des Bundesamts für Sport Baspo und war langjähriger Präsident des SC Lyss.