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Curling

«Die Curlinghalle war mein zweites Zuhause»

Nach 40 Jahren ist die Bieler Curlingszene erstmals ohne Pierre-Yves «Jimmy» Grivel in die Saison gestartet. Der Bieler blickt auf eine erfolgreiche Karriere als Coach zurück. «Curling war für mich mehr als nur eine Sportart.»

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Fotos: Peter Samuel Jaggi und Olivier Gresset/a

 

Patric Schindler

Pierre-Yves Grivels Wohnung in Biel gleicht einer «Hall of Fame». Zahlreiche Medaillen, Pokale, Auszeichnungen, Bilder und Souvenirs hat er während vier Jahrzehnten gesammelt. Auch ein paar Curlingsteine liegen im Wohnzimmer am Boden. Wer 40 Jahre lang 19 Kilogramm schwere Granitsteine mit einem Durchmesser von 30 cm feinfühlig übers Eis geschoben hat, kann diese doch nicht einfach im Keller lagern.

Ja, sogar die berüchtigte Lampe aus der alten Bieler Curlinghalle, die aussieht wie ein Curlingstein, hängt nun über Grivels Esszimmertisch. Es besteht nicht der geringste Zweifel:_Da hat jemand eine Sportart nicht nur sehr erfolgreich, sondern auch mit viel Leidenschaft ausgeübt. Allerdings nicht als Spieler, sondern als Coach. Hätte «Jimmy», wie ihn in der regionalen und nationalen Curlingszene fast alle nennen, nicht erst mit 22 Jahren diese Sportart entdeckt, wäre wohl auch einer Karriere als Spieler nichts im Weg gestanden.

Es war reiner Zufall, dass aus dem heute 63-Jährigen ein Curlingspieler wurde. Ein Kollege nahm ihn zu einem Spiel mit. Grivel war sofort begeistert. «Es war für mich faszinierend zu sehen, was für eine Präzision und taktisches Verständnis es in dieser Sportart braucht», sagt Grivel. Und da er den Winter und die Kälte besonders mag, sei diese Sportart perfekt auf ihn zugeschnitten. Grivel habe von Anfang an realisiert, dass Curling für ihn viel mehr als eine Sportart ist. «Es ist unglaublich, wie ein Team, das auch zwischenmenschlich gut harmoniert, Berge versetzen kann.» Nebst Fleiss und Können sei auch der Teamgeist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Für den Bieler Sekundarschulleiter war es eine spannende und interessante Herausforderung, vier unterschiedliche Spielerinnen oder Spieler zu coachen und aus jedem Teammitglied das Maximum herauszuholen. Die Spieler hätten auch ihn als Coach weitergebracht.

«Wie eine grosse Familie»

«Es ging mir aber nicht nur um den Sport. Hart zu trainieren und sich auf ein Ziel zu fokussieren, war mir zwar wichtig. Aber trotz dieses Leistungsdenkens wollte ich immer auch, dass wir als Team Spass haben und neben dem Eis eine gute Zeit verbringen.» Deshalb erstaunt es auch nicht, dass in 40 Jahren Curling viele Freundschaften entstanden sind. Die Bieler Curlingszene sei wie eine grosse Familie. «Das hat sicher auch damit zu tun, dass im Curling der Fairplaygedanke über allem steht. Nur so ist es überhaupt möglich, ohne Schiedsrichter Partien zu bestreiten.» Zudem sei es Ehrensache, dass nach einem Spiel die Siegermannschaft dem anderen Team etwas zum Trinken offeriert. «Hoffentlich bleibt diese Tradition auch in Zukunft erhalten», sagt Grivel.

Freude und Wehmut

Er blicke zwar mit Freude, aber auch mit ein wenig Wehmut auf die alte Bieler Curlinghalle zurück. «Es ist grossartig, dass wir nun in der Tissot Arena mit dieser hervorragenden Infrastruktur spielen können», erklärt Grivel. «Wenn man aber Tage, Abende, ja sogar Nächte über Jahrzehnte hinweg in einer Curlinghalle verbringt, kann man nicht einfach zur Tagesordnung über gehen», so der Bieler weiter. Grivel hat bis Ende der letzten Saison noch Interclub gespielt und war Trainer des Frauenteams des CC Biel-Touring. Diesen Sommer hat er sich dazu entschlossen, sich aus dem Curling zurückzuziehen.

«In der Tissot Arena beginnt für die Curler eine neue Ära. Es ist gut, wenn jetzt neue Kräfte vorstossen und den Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft legen», so Grivel, der im nächsten Jahr als Sekundarlehrer in Pension geht. Seit seinem Rücktritt in diesem Sommer hatte Grivel, der unter anderem auch Betriebsleiter der alten Curlinghalle war, also jede Menge Zeit, auf seine 40-jährige Laufbahn im Curling zurückzublicken.

Die Bilanz, die er sowohl als Klub- als auch als Nationaltrainer aufweist, ist eindrücklich. Das sportlich bedeutendste Resultat war die Goldmedaille, die er mit dem Bieler Juniorinnenteam 2005 an der Weltmeisterschaft im italienischen Pinerolo gewann. «Die wenigsten trauten uns eine Medaille zu. Aber unser Wille, hart zu arbeiten und unser guter Teamgeist führten dazu, dass wir für eine Sensation sorgen konnten», blickt Grivel zurück. Dieses Erlebnis habe ihn geprägt. «Wenn man an die eigenen Fähigkeiten glaubt, spielt es keine Rolle, was andere meinen.»

WM-Erfolg mit Tochter Tania

Für den 63-Jährigen war die Goldmedaille an der Weltmeisterschaft nicht nur wegen des sportlichen Stellenwerts etwas ganz Besonderes. «Ich konnte diesen Erfolg zusammen mit meiner Tochter Tania feiern, was mir sehr viel bedeutet.» Auch seine zweite Tochter Chrystel spielte in der Swiss League A Curling.

«Sie waren als Kinder oft in der Curlinghalle, da war es naheliegend, dass sie selbst einmal spielen würden», so Grivel. Der Bieler denkt aber nicht nur gerne an diese Ära zurück. In bester Erinnerung bleibt ihm sicher auch die erfolgreiche Zeit zwischen 2010 und 2012, in der er mit den Bieler Juniorinnen um Skip Melanie Barbezat an den Schweizer Meisterschaften Gold, Silber und Bronze gewann.

Nach 40 Jahren, in denen Curling den Grossteil seiner Freizeit ausmachte, hat Grivel ein neues Kapitel aufgeschlagen. «Mit Curling werde ich immer irgendwie verbunden bleiben, aber nur noch als Zuschauer und Fan.» Langweilig wird es dem früheren FC-Biel-Sportchef in seiner Freizeit sicher nicht. Dass er nun noch mehr Zeit in die Politik stecken wird, glaubt der FDP-Grossrat und Präsident der Kantonalpartei nicht.

Die Terrasse als Rink

Auf jeden Fall hat er nun mehr Zeit, den EHC Biel in der Tissot Arena und Tennismatches am Fernsehen zu verfolgen. Und mit etwas Glück kann er diesen Winter auf seiner Terrasse in Biel wieder einen Curlingstein über eine dünne Eisschicht gleiten lassen. Wie schon einmal, als die Laune der Natur dafür sorgte, dass er für kurze Zeit zuhause über einen eigenen Rink verfügte. Ganz nach Grivels Motto: Mittendrin statt nur dabei.

 

Touring-Trophy: Olympiahelden in Biel

Ab heute Mittag bis Sonntag Nachmittag treffen sich in der Tissot Arena 30 Curlingteams. Zum 28. Mal wird die Touring-Trophy ausgetragen. Mit von der Partie eine Mannschaft, die 1998 in Nagano Schlagzeilen machte: Lausanne Olympique mit Skip Patrick Hürlimann kommt mit der Originaltruppe nach Biel, die an den Olympischen Spielen Gold holte. Darunter neben Dominic Andres und Patrik Lörtscher auch mit dem Bieler Daniel Müller. Um den Turniersieg wird eher Biel Touring mit Skip Kevin Wunderlin, Reto Gribi, Matthias Perret und Mike Wenger spielen. Die Equipe hat sich zuletzt und nach einigen Anfangsschwierigkeiten steigern können. In Champéry gelang im letzten Gruppenspiel gegen Norwegens Ulsruds eine starke Leistung. «Trotzdem müssen wir jetzt mit noch mehr Selbstvertrauen an die nächsten Aufgaben herantreten», sagt Coach Hermann Vögtli. Ob es zu diesem Treffen Jung gegen Alt kommen wird, ist offen. Beide Equipen sind heute ab 14 Uhr erstmals am Werke zu sehen. Zu den Mitfavoriten zählen unter anderem Glarus mit Skip Martin Rios, der letzte Woche an der Mixed-WM erst im Viertelfinal gescheitert ist. Die Equipe verlor im letzten Jahr gegen Zug die Finalpartie. Grenchen mit Skip Mario Flückiger und Genf Citadelle mit Skip Dimitri Boada traut man Spitzenplätze zu. Nicht zu vergessen Lausanne mit Skip Kim-Loyd Sciboz, neben Biel einem weiteren A-Ligisten. Aus dem Ausland starten zwei Prager Teams und eines aus Hamburg/Nürnberg. bmb

Stichwörter: Pierre-Yves Grivel