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Olympische Spiele

Die Schweiz liegt Lichtjahre zurück

Warum eigentlich nicht? Das dachte ich mir, als ich durch das Olympiaprogramm zappte und beim Eishockey der Frauen landete.

Moritz Bill

Nach wenigen Sekunden tat ich das, was alle tun, man aber eben nicht tun sollte: Ich verglich. Oh, da treten mit den USA und Russland zwei Eishockeynationen an, aber das Spiel ist ja deutlich langsamer, und ach, punkto Härte geht da nicht viel, und nein, was hat die jetzt für einen Fehler gemacht. Typisches Altherren-Verhalten halt.

Nachdem ich mich dabei ertappt hatte, wechselte ich meine Brille – metaphorisch, wohlgemerkt. Ich beäugte diesen Match unvoreingenommen und vor allem als etwas Eigenständiges. So, wie man es im Tennis oder Ski alpin längst tut. Niemandem käme es in den Sinn, nach einer Abfahrt von Lara Gut zu bemängeln, dass der Beat Feuz diesen Berg deutlich schneller runtergefahren wäre, diese und jene Kurve kraftvoller angefahren hätte und ihm ein solcher Kantenfehler niemals unterlaufen wäre. Warum tun das viele von uns aber instinktiv, wenn sie Frauen beim Eishockey- oder Fussballspielen zuschauen?

Wahrscheinlich, weil uns dies nach wie vor fremd ist. Und das liegt an den fehlenden Strukturen. Im Schweizer Eishockey finden die Frauen kaum Berücksichtigung. Das kleine Interesse des Publikums – für Befürworter der Ungleichbehandlung das Hauptargument – hängt nun mal auch vom Angebot ab. Erst wenn Fraueneishockey wirklich stattfindet, die Mädchen ab einem gewissen Alter spezifisch gefördert werden, entsteht die Möglichkeit, dass es sich einst etablieren kann. Mit Lugano und Zürich leisten sich nur zwei Klubs der höchsten Liga ein Frauenteam. Kein Wunder existiert hierzulande kein Bewusstsein für Fraueneishockey. Meine Töchter wollten mir nicht glauben, dass Mädchen Eishockey spielen können, weil sie bis dahin einzig Männereishockey wahrgenommen hatten.

Nun kennen wir Hilary Knight. Die Stürmerin des Team USA ist eine Ikone, nimmt zum vierten Mal an Olympischen Spielen teil und setzt sich in Nordamerika aktiv für die Förderung ihres Sports ein. In Kanada und den USA ist man bezüglich Strukturen der Schweiz zwar Lichtjahre voraus, aber eben auch noch weit von Chancengleichheit entfernt. Dass die Schweiz gegen die USA gestern mit 0:8 unterging, ist denn auch nichts als logisch. Solange den Mädchen bei uns die Perspektiven fehlen, sie keiner Profispielerin wie Hilary Knight nacheifern können, wird sich daran nichts ändern. Dabei bräuchte es dafür nur ein Umdenken. Warum eigentlich nicht?

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