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Herpesausbruch bei Pferden

"Diese Krankheit darf nicht unterschätzt werden"

Der Herpesausbruch sorgt in der Pferdefamilie fürUnruhe. Es muss mit Massnahmen und Impfung gehandelt werden. Die Seeländer Etter und Schurtenberger äussern sich.

Aufregung in der Pferdeszene. Der Herpes-Ausbruch muss ernst genommen werden. Bildquelle: Keystone

Beat Moning
Die ausgebrochene Infektionskrankheit Herpes in Valencia bringt die Besitzer und Reiter der teils millionenschweren Vierbeiner ins Grübeln. Am 21. Februar wurde der mehrwöchige internationale Reitanlass in Spanien nach 80 positiven Fällen abgebrochen. Vorsorglich wurden schon mal alle internationalen Anlässe in Europa bis am 28. März gestrichen. Nun ist auch das Weltcup-Finale in Göteborg, vom 3. bis 7. April auf dem Programm, nicht gesichert. Inzwischen wurde der Virus bis nach Doha verschleppt. Die deutschen Galopper haben eine Impflicht eingeführt. Im nördlichen Nachbarland ist der erste Todesfall eingetreten. Insgesamt sollen es jetzt rund zehn Pferde sein, die gestorben sind.
Gesund, unter Beobachtung
«Der Ausbruch hat uns alle überrascht», sagt der Worbener Niklaus Schurtenberger. «Auch wenn diese Krankheit immer wieder mal im Frühjahr auftreten kann. Aber in diesem Ausmass hat das niemand erwartet.» Bereits Anfang Februar sollen die ersten Besitzer fiebrige Pferde festgestellt haben. Die Infektion der oberen Atemwege kann von leichtem Fieber über Lähmungen der Hinterhand, motorischen Ausfällen oder eben bis hin zum Tode führen. Auch da, wie bei Covid19 für den Menschen, treten Symptome nicht in jedem Fall auf (siehe Infos in der Box). Umfassende Tests geben eine gewisse Sicherheit. Übersteht ein Pferd die Krankheit, kann es wieder die volle Leistungsfähigkeit erlangen.
«Es ist eine heikle Krankheit, die nicht unterschätzt werden darf», sagt Daniel Etter vom heimischen Stall in Müntschemier.  Er meldet, wie Schurtenberger vom Reitsportzentrum Lyss auch: «Alle Pferde in unseren Ställen sind gesund, aber sie stehen unter Beobachtung.» Etter liess jene rund 20 Pferde, die vor internationalen Auftritten stehen, vorsorglich impfen. Schurtenberger gedenkt, dies ebenfalls zu tun. «Allerdings ist es im Moment schwierig, an die Impfdosen heranzukommen.»
Nur mit Genehmigungen
Dieser Herpesausbruch hätte, mit allen Einschränkungen, die die Pandemie bei der Menschheit bereits mit sich bringt, nicht auch noch sein müssen, sagen sich die Pferdeler. Es scheint nun aber, dass zumindest die ganz grosse Ausbreitung verhindert werden konnte. Der Schweizerische Verband für Pferdesport lobt gemäss dem «Tagesanzeiger» den Weltverband. «Es wurde sofort gehandelt und eine weitere Ausbreitung verhindert.» Allerdings soll in Valencia grosses Chaos geherrscht haben und die Lage bessere sich nur langsam. Das auch da zur Anwendung kommende Contact-Tracing sei am Laufen. In der Schweiz ist ein positiver Fall im Privatstall von Tina Boll in Zug bekannt. Sie war mit ihren Pferden ebenfalls in Valencia. Bei den Wettbewerben, die zuletzt noch über die Bühne gegangen waren, durften neue Pferde nicht mehr anreisen. Ohne Genehmigung durften zudem keine Pferde den Turnierplatz verlassen. Der Weltverband nimmt die Sache ernst und schreibt: «Es ist eine der schlimmsten Herpesausbrüche seit Jahrzehnten.»  
Keine Durchmischung
Der Worbener Niklaus Schurtenberger war mit seinen Pferden, unter anderem mit der Neuerwerbung Silver Shine (das BT berichtete),  nicht in Valencia, dafür in der Wettkampfzeit vom 11. bis 20. Februar im Süden in Vejer de la Frontera. Da trat er mit fünf Pferden in verschiedenen Kategorien an. Er macht sich aktuell keine Sorgen und bereitet die Pferde nach der Rückkehr und nach einer Ruhephase ab Mitte März auf die nächsten Anlässe vor. Daniel Etter geht davon aus, dass Pferde, die künftig die Grenze überschreiten und an Turnieren teilnehmen, auf jeden Fall geimpft sein müssen. «Vorsichtsmassnahmen sind bestimmt angebracht. Der Ausbruch könnte uns noch lange begleiten.» Er lasse bei sich auf jeden Fall keine neuen und fremden Pferde auf die Plätze und in die Ställe. «Es ist heikel, weil das Immunsystem nach den kalten Tagen immer etwas geschwächt ist.» Auch Schurtenberger bleibt in dieser Frage der Durchmischung vorsichtig.
Ein erstes Aufgebot
Nach dem Debüt zuvor in Salzburg, hat sich der 53-jährige Schurtenberger ein zweites Mal mit dem neuen Spitzenpferd Silver Shine in Spanien präsentiert und dabei eine noch höhere Kategorie mit 1,50 Meter Höhe gewählt. «Wir gewöhnen uns aneinander», sagt der Olympia-Bronzemedaillengewinner von 2008 kurz. In drei Springen habe er drei Nuller zu verzeichnen gehabt. Mit den Auftritten in wärmeren Gefilden und als Vorbereitung auf eine möglicherweise lange Outdoor-Saison, ist er insgesamt zufrieden wie mit dem Blick nach vorne zuversichtlich. Niklaus Schurtenberger hat schon jetzt Grund zur Freude: Er wurde vom Equipenchef für einen Nationenpreis der unteren Kategorie im italienischen Corla Minore Mitte April und dann auch für den FEI-Nationenpreis in La Baule/Fr Mitte Mai aufgebote. Sein letzter Auftritt im Schweizer Dress liegt inzwischen elf Jahre für die Veranstaltung in St. Gallen zurück. Auch da würde Schurtenberger Anfang Juni gerne zurückkehren.
Etter: «Ein Olympiapferd»
Daniel Etter traut Niklaus Schurtenberger in diesem Jahr viel zu. «Er ist eine Kategorie nach oben gerückt. Er hat Pferde von grosser Klasse, die mit ihm international etwas reissen können.» Etter selber konzentriert sich auf kleinere Turniere und auf die Ausbildung. «Der Sport steht im Moment bei mir selber nicht im Vordergrund.» Er trainiere aber verschiedene junge Leute mit neuen Pferden. Und dann hat er da noch ein neues Tier im Stall, von dem er sich einiges für sich selber verspricht. «Das ist ein Olympiapferd für 2024», ist Etter überzeugt. Seit drei Wochen ist der sechsjährige belgische Hengst Piccobello van’t Roosakker in Müntschemier. Bislang stand der Schimmel von Kassander van’t Roosakker-Canabis Z auf der Station Holzeder in Bayern. Etter sagt: «Ich habe ihn seit fünf Jahren im Visier. Er stammt aus der besten Zuchtlinie der Welt. Jetzt hat es geklappt und ich bin sehr glücklich darüber», hält der 46-jährige Team-Europameister von 2009 fest.
Richard mit neun Pferden
Ebenfalls gut in Szene setzte sich im Februar die in Italien wohnhafte Leubringerin Jane Richard Philips. Auch sie war eine längere Zeit in Vejer de la Frontera an der sogenannten Sunshine-Tour. Dies gleich mit neun Pferden aus ihrem Gestüt La Madonnina Equestrian Center nahe Turin. «Für die jungen Pferde war es eine fantastische Möglichkeit, ihre Qualitäten unter Beweis zu stellen. Sie traten teilweise erstmals an einem grossen internationalen Wettbewerb an, zeigten konstante Ergebnissen, die auch aufs Podest geführt haben», schreibt sie auf ihrer Homepage.
Vorab mit ihrem Paradepferd Jalanta P glänzte die Seeländerin. Die 12-jährige Stute wird von ihr seit zwei Jahren kontinuierlich auf höhere Aufgaben vorbereitet. Die Pferde wurden nach der Rückkehr aus Spanien sofort getestet und werden nun auch geimpft.

 

Infos zur Herpes-Krankheit
Fieber ist oft das erste Anzeichen einer Infektion. Bei verdächtigen Pferden sollte daher zweimal Mal täglich die rektale Körpertemperatur gemessen werden. Fast alle jungen Pferde durchlaufen in der Regel in den ersten sechs Lebensmonaten eine Herpes-Erstinfektion, welche im Körper ohne klinische Symptome (latent) persistieren kann. Dabei zieht sich das Virus in Nervenzellen zurück und kann dort unbemerkt über Jahre bestehen bleiben.
In Stresssituationen kann das Virus reaktiviert werden und über Sekrete der Atemwege via Nase und Maul ausgeschieden werden. Betroffene Pferde zeigen oft nur sehr milde Symptome und sind schwierig zu erkennen. Latente EVH-Infektionen sind in der Pferdepopulation weit verbreitet und können nicht vermieden werden.
Übertragung: Direkt durch Kontakt zwischen Pferden oder indirekt via verunreinigte Futtergeschirre, Tränke-Eimer, seltener Kleidung, Hände usw. Der Erreger kann in der Umwelt unter idealen Bedingungen bis zu vier Wochen überleben, normalerweise jedoch maximal rund sieben Tage. Inkubationszeit (=Ansteckung bis Krankheitsausbruch): sechs bis zehn Tage.
Es gibt keine Immunität (Schutz) nach einer durchgemachten Infektion. Ein Herpes-Ausbruch ist daher immer wieder möglich und kann jedes Pferd immer wieder treffen. Eine Eliminierung der Krankheit in der Pferdepopulation ist nicht möglich.
Herpes ist aber nicht nur bei Pferden bekannt, sondern auch beim Menschen. Dieser Virus schlummert fast in jedem und verursacht vorallem schmerzhafte Lippenbläschen.  mt/bmb