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Nachwuchscamp

Ein Hauch von Olympia in Tenero

Zweimal im Jahr reisen die hoffnungsvollsten Nachwuchstalente nach Tenero ins Trainings-Camp. Diese Woche sind im Nationalen Jungendsportzentrum auch neun Seeländer zu Gast.

Die Seeländer Delegation in Tenero (v.l.): Timo Radjenovic, Meret Baratta, David Salm, Nina Radjenovic, Roman Meier, Francine Waber, Roman Weibel, Dimitri Vogt und Luca Cristina Bild: Swiss Olympic/zvg

Moritz Bill

Das Wetter in Tenero wird seinem Ruf in diesen Tagen nicht gerecht. Auch an diesem Mittwoch regnet es in Strömen. Das Feuer unter dem Vordach der Turnhalle «Gottardo», das an den olympischen Geist erinnern soll, brennt aber (dank Gaszufuhr) unbeirrt weiter. Es ist kurz vor 15 Uhr und drinnen im Trocknen steht alles für den Olympia Parcours bereit. Am Boden liegen Zettel, auf denen die Namen von Austragungsorten vergangener Olympischer Spiele abgedruckt sind. Sie dienen den Nachwuchsportlern, die sich nun zahlreich in der Halle einfinden, zur Orientierung. Anstatt wie üblich den Tag im jeweiligen Nationalkader zu verbringen, werden die Athleten an diesem Nachmittag in durchmischte Teams eingeteilt. Mit diesem Parcours soll im Olympiajahr vor allem die Freundschaft, neben Höchstleistung und Respekt einer der drei olympischen Werte, gestärkt werden.

Breites Angebot

An den vielen roten Trainingsjacken mit der Aufschrift «Suisse» ist zu erkennen, dass sich hier im Nationalen Jugendsportzentrum in Tenero (CST) die einheimische Elite der Nachwuchssportler eingefunden hat. Unter ihnen auch eine Gruppe Seeländer, bestehend aus fünf Karatekämpfern, zwei Sportkletterern und zwei Judokas.
Der 15-jährige David Salm (Judo) aus Gampelen besucht als einziger der Seeländer Delegation bereits zum zweiten Mal den Talent-Treff. «Dass wir im Camp auch Talente anderer Sportarten kennen lernen, finde ich gut», sagt er. Neue Freundschaften lassen sich vor allem während dieses Parcours oder bei der Ausübung der zahlreichen Komplementärsportarten knüpfen, die die ganze Woche über angeboten werden.
Die Möglichkeit, sich neben den intensiven Trainings in der eigenen Disziplin auch in Funsportarten zu versuchen, sei einzigartig, sagt der Kommunikationsverantwortliche des Sportzentrums, Nicola Bignasca. «Wenn ein Verband selbst ein Trainingslager organisiert, wird logischerweise nur in der jeweiligen Sportart trainiert und es findet kein Austausch statt», erklärt Bignasca.

Wie im Skilager

«Das Angebot ist cool, auch wenn mir nicht ganz jede Sportart zusagt», sagt der Judoka Roman Meier. Hier zu sein, sei eine grosse Chance, die man ausnützen müsse, so der 14-jährige Bieler. Am breiten Sportangebot findet auch die 14-jährige Meret Baratta Freude: «Das Camp entspricht meinen Erwartungen», sagt die Bieler Sportkletterin. Dass der Olympische Gedanke während der ganzen Trainingswoche im Sportzentrum allgegenwärtig ist, stösst bei den Seeländern auf Zustimmung. Alle würden sie gerne einmal an den Olympischen Spielen teilnehmen. «Das ist ein Traum», sagt Roman Meier, und führt aus, dass er sich aber doch eher kurzfristige Ziele setzt.
Neben den sportlichen Aktivitäten besuchen die Nachwuchssportler in dieser Woche auch Theoriekurse. Im Fach Karriereplanung zum Beispiel werden die Talente dazu angeregt, sich bereits jetzt Gedanken über ihre Zukunft zu machen. Der Unterricht sei interessant gewesen, sagt Luca Cristina aus Studen. «Ich lerne hier sehr viel» so der 15-jährige Karatekämpfer.
Doch nicht nur für die Kampfsportler und Sportkletterer bietet das Nationale Zentrum für Jugendsport eine ausgezeichnete Infrastruktur. Die Anlage in Tenero ist gigantisch und verfügt über eine Skisprungschanze, ein Olympiaschwimmbecken und eine BMX-Strecke, um nur einige Beispiele zu nennen.
Maximal 750 Personen können im Zentrum übernachten. Etliche Schlafplätze befinden sich aber in Zelten. Kein Zuckerschleck bei der zu Anfang erwähnten Witterung. Doch die Seeländer hatten bei der Einteilung der Schlafstellen Glück. Sie alle haben einen Schlafplatz im Innern ergattert. «Die Stimmung ist ähnlich wie in einem Skilager», sagt Luca Cristina. «Auch was die Unordnung in den Zimmern betrifft», ergänzt Roman Meier lachend. Die vier Seeländer sind sich einig, dass sie ohne zu Zögern wieder Talent-Camp im Nationalen Jugendsportzentrum in Tenero besuchen würden.

Kulinarische Olympiade

Mittlerweile sind die Nachwuchssportler schon fast drei Stunden mit der Bewältigung des Olympia Parcours beschäftigt. Die acht Posten, welche die 32 Teams zu absolvieren haben, setzen sich vor allem aus Geschicklichkeitsübungen zusammen und erinnern ein wenig an den Superzehnkampf. So müssen zum Beispiel vier Personen zusammen auf dem gleichen Paar Holzskiern Hindernisse überqueren. Oder ein Gymnastikball und ein Football sollen mithilfe von Leintüchern über ein Federballnetz befördert werden, ohne auf den Boden zu fallen.
Auffallend ist, dass bei allen Übungen das Teamwork im Zentrum steht. Die wild zusammengewürfelten Gruppen lösen diese Aufgaben mehrheitlich mit viel Engagement. Misslingt einem Kollegen etwas, ist das ganze Team bestrebt, den eingefahrenen Rückstand wieder wett zu machen. Ein bisschen erstaunlich ist das, kommt doch die Mehrheit der Teilnehmer aus einer Einzelsportart.  Doch im Camp steht ganz offensichtlich das Team im Vordergrund. Der Olympische Spirit scheint in diesen Tagen im Sportzentrum am Lago Maggiore allgegenwärtig zu sein. Selbst bei der Verpflegung: Jeden Abend werden den Athleten Köstlichkeiten aus einem ehemaligen Gastgeberland aufgetischt. Die Paella, die heute Abend im Zeichen der Sommerspiele 1992 in Barcelona serviert wird, haben sich die Nachwuchssportler reichlich verdient. Und auch die Crema Catalana darf zum Dessert als Erinnerung an die katalanische Stadt natürlich nicht fehlen.

 

Sport-Mekka Tenero

bil. Der Talent-Treff-Tenero (3T) wird vom CST und dem Bundesamt für Sport (Baspo) organisiert und findet seit zwölf Jahren statt. Swiss Olympic wählt jeweils zweimal pro Jahr Verbände verschiedenster Sportarten aus, welche mit ihrem Nationalkader am Talent-Treff teilnehmen können.
Für dieses Herbst-Camp haben die Nationaltrainer der 12 Verbände insgesamt 360 Athleten aus 19 verschiedenen Sportarten für diese intensive Trainingswoche selektioniert. Für die Nachwuchssportler ist die Teilnahme  kostenlos. Dies macht die Unterstützung der Sport-Toto-Gesellschaft möglich. Erfolgreiche Sportgrössen wie zum Beispiel Simon Ammann oder Lara Gut besuchten in ihren jungen Jahren das Talent-Camp in Tenero.
Die Nachwuchssportler trainieren  jeweils halbtags in ihrer individuellen Sportart. Neben den intensiven Trainings stehen am Nachmittag diverse Komplementärsportarten, sowie Theoriekurse auf dem Programm.
Denn auf der immensen Anlage des Nationalen Jugendsportzentrums können unzählige Sportarten ausgeführt werden. Wird die Infrastruktur nicht von den Nachwuchs-Cracks in Beschlag genommen, führen Vereine und Schulklassen ihre Trainingslager im Jugendsportzentrum durch. Das Zentrum bietet maximal Platz für 750 Besucher. Von Ostern bis Ende Oktober ist es mehrheitlich ausgebucht. Zudem nutzt Swiss Swimming die Anlage als ihre nationale Training Base. «Doch das Hauptaugenmerk liegt ganz klar auf dem Nachwuchs», sagt Nicola Bignasca, Kommunikationsverantwortlicher des Sportzentrums.
Bignasca ist mit dem Verlauf des Herbst-Camps zufrieden, auch wenn die Teilnehmerzahl gegenüber der Frühlingsausgabe etwas rückläufig ist. Dies liege aber primär daran, dass vielen Verbänden der jetzige  Zeitpunkt nicht optimal in die Saisonplanung passt. Am schlechten Wetter liege es nicht, ist sich Bignasca sicher. Denn wegen der ausgewogenen Infrastruktur  konnte das Programm mehr oder weniger wie geplant durchgeführt werden. Den sechs grossen Sporthallen sei Dank.