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Fussball

Ein Verrückter liebt schwierige Missionen

Marco Walker soll als neuer Cheftrainer den FC Sion retten. Vor sechs Jahren war der Bellacher in ähnlicher Mission beim FC Biel, worauf sich das Team den Ligaerhalt in der Challenge League erst nachträglich am grünen Tisch sichern konnte.

Bereit für den Abstiegskampf: Marco Walker will beim FC Sion mithelfen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen./Bild: Keystone

Francisco Rodríguez

Marco Walker liebt schwierige Missionen. Das sind schon mal ideale Voraussetzungen, um ausgerechnet den FC Sion in einer sportlich äusserst delikaten Situation anzuführen. Dort, wo sich die Trainer regelmässig die Türklinke in die Hand geben und der Druck unter einem fordernden und extentrischen Patron zu einer schier unerträglichen Zerreisprobe werden kann, hat der 50-jährige Bellacher in dieser Woche seine neue Arbeit aufgenommen.

«Die ersten Bemerkungen aus meinem Umfeld waren, ‹spinnst Du eigentlich?› Ich habe sofort bejaht», sagt Walker. «Bei mir läuft es über die Emotionen, ich bin ein Verrückter.» Von dem her passten er und der FC Sion gut zueinander, denn auch der Walliser Traditionsklub lebe von den Emotionen.

«Schon als ich als Spieler mit St. Gallen, Basel und Lugano im Stade de Tourbillon antrat, spürte ich das Knistern, und auch später im Staff des FC Basel erlebten wir hier immer harte Fights», sagt Walker. Diese Kämpfermentalität ist dem ehemaligen Akteur der Schweizer Nationalmannschaft, der von 1988 bis 1990 das Dress des FC Grenchen getragen hatte, eigen. Mit Kampf und Emotionen soll nun die sportlich arg gebeutelte Sittener Mannschaft dauerhaft auf die Siegerstrasse zurückfinden.

Die Fussballphilosophie des früheren Verteidigers basiert auf einem disziplinierten Defensivverhalten mit einer klaren und kompakten Organisation. Das bedeute nun aber nicht, dass er primär darauf aus sei, das Spiel des Gegners zu zerstören. «Wir wollen mit dem Ball am Fuss auch etwas kreieren», sagt Walker.

Positive Stimmung verbreiten

Er sei da, um beim FC Sion mitzuhelfen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. «Wobei die Räder gar nicht so tief im Dreck stecken», relativiert Walker, dessen Vertrag bis Ende Saison läuft. «Die Mannschaft besitzt Qualität und will grundsätzlich auch etwas leisten. Allerdings ist ihr nach den negativen Resultaten eine gewisse Leichtigkeit abhanden gekommen», so Walker. «Ich versuche im Training, eine positive Stimmung zu verbreiten. Alle sollen mit Freude arbeiten können und es darf auch mal gelacht werden, statt sich an den kleinen Fehlern zu ennervieren.» Vorgestern brachte Walker beim FC Naters Oberwallis Pizzas mit und verabschiedete sich von der 1.-Liga-Mannschaft, die er seit 2019 trainiert hatte. Das Bedauern über den Abgang ist gross, das Verständnis auch. Wenn der FC Sion anklopfe, könne man einfach nicht Nein sagen.

Hollywoodreife Story beim FC Biel

Einen ähnlichen Auftrag hatte Walker vor sechs Jahren beim FC Biel erhalten, um gemeinsam mit Trainerkollege Patrick Rahmen den Abstieg aus der Challenge League abzuwenden. Die ganzen Umstände beim Amtsantritt hätten genügend Stoff für eine hollywoodreife Story geliefert. Denn am Morgen jenes ereignisreichen 12. Mai 2015 hatte noch der damalige Cheftrainer Jean-Michel Aeby die Übungseinheit auf der Gurzelen geleitet, ehe er von Geschäftsführer Daniel Hinz ins Büro zitiert wurde und erfuhr, dass ihn der Verwaltungsrat sofort freistellte. Aebys Nachfolger standen schon bereit und den kurzfristig aufgebotenen Medienvertretern Red und Antwort in einer Pressekonferenz .

Nur zweieinhalb Wochen und vier Spiele blieben Chefcoach Rahmen und seinem vom FC Basel kurzzeitig ausgeliehenen Trainerassistenten Walker, um mit dem Team bis zum Saisonende die nötigen Punkte zu holen. Mit einem 1:1 in Wil und einem 2:1-Heimsieg gegen Wohlen zeigte der Wechsel sofort Wirkung. «Die Spieler haben auf unserem gemeinsamen Weg super mitgezogen, eine Erfahrung, von der ich auch jetzt profitieren kann», sagt Walker. Am Ende fehlte dem Duo aber die Zeit, um aus dem sportlich gebeutelten FC Biel dauerhaft ein Winnerteam zu formen.

Die restlichen Partien gegen Lugano und Schaffhausen gingen beide knapp verloren und damit auch der Strichkampf. Glücklicherweise wurde zwei Tage später, als Walker bereits wieder zurück in Basel war, Servette aus finanziellen Gründen die Challenge-League-Lizenz verwehrt, worauf Biel am grünen Tisch nachrückte. Die Geschichte begann für den FC Biel in der folgenden Häfeli-Saison verheissungsvoll und endete bekanntlich im totalen Desaster.

Kapitales Spiel für Sion in Luzern

Inzwischen ist man in Biel wieder auf Kurs, sofern denn die Meisterschaft weitergehen kann. Mitten im Abstiegskampf der Super League steckt Sion und hat in Walker einen neuen Hoffnungsträger am Spielfeldrand, der mit seiner engagierten und motivierenden Art die Walliser zu Höchstleistungen antreiben soll. Eine wegweisende Partie erwartet den Bellacher gleich bei seinem Debüt. Am Sonntag treten die aktuell an zweitletzter Tabellenposition und damit auf dem Barrage-Platz liegenden Sittener in Luzern zum Strichkampf an.