Sie sind hier

Abo

Kommentar

Eine Prise Populismus

Die Situation ist schwierig für die Profiligen im Fussball und im Eishockey: Dies hat Bundesrätin Viola Amherd gestern anerkannt.

Bild: bt/a

Tobias Graden, Teamleiter Kultur und Wirtschaft

Dass nun auch die Proficlubs der beiden Sparten weitere Hilfe in Anspruch nehmen können, ist im Kontext der bisherigen Coronapolitik nur folgerichtig. Der Spitzensport ist nicht isoliert als glamourgesegnetes Business zu betrachten, sondern hat positive Wirkung bis tief in den Breitensport hinein – manch ein Junior ist darum mit Eifer im Training, weil er sich eine Karriere beim Spitzenklub erhofft. Auch dies anerkennt der Bundesrat, und auch darum macht es Sinn, die Fussball- und Eishockeymannschaften der beiden obersten Ligen vor dem drohenden Untergang zu retten.

Umso verwunderlicher aber ist es, dass mit der Hilfe nun sozusagen die Bedingung verknüpft ist, künftig weniger erfolgreich zu sein: Mit den Darlehen ist die Forderung verknüpft, innerhalb der nächsten drei Jahre die Lohnsumme um 20 Prozent reduzieren. Bundeshilfen sollen nicht zur Finanzierung überrissener Gehälter verwendet werden, lautet das Argument dafür – es scheint auf den ersten Blick plausibel. Bloss: Es ist wohl nicht zuerst der Fussball-«Ligakrösus» BSC Young Boys mit seinen Grossverdienern, der einen Hilfskredit benötigt, sondern eher ein Verein wie der FC Thun. Stimmt die kürzliche Aufstellung des «Sonntagsblicks», so verdient dort kein Spieler mehr als 10 000 Franken im Monat, bei sechs Akteuren liegen die Löhne gar unter 5000 Franken. Wenn er die Lohnsumme um 20 Prozent kürzen muss, dürfte ein solcher Klub – der ohnehin jedes Jahr um die Ligazugehörigkeit kämpfen muss – klar an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die Kluft zwischen den einzelnen Teams in der obersten Liga wird noch grösser. Auch leistet der Entscheid womöglich einer zweifelhaften Oligarchisierung Vorschub: Wer auf das Geld von Mäzenen zurückgreifen kann, ist jetzt noch stärker im Vorteil.

Schon kürzlich hat der Bund ein seltsames Verständnis der Bedingungen im Profisport gezeigt, als er festhielt, wonach das Anrecht auf Kurzarbeitsentschädigung verliert, wer wieder als Mannschaft trainiert. Das ist, als ob man den Musikerinnen des Sinfonieorchesters das Üben verböte, bloss weil sie derzeit keine Konzerte geben dürfen. Und man kann sich schon fragen, warum der Bundesrat nun just beim Profisport Markteingriffe als legitim erachtet, die er anderswo ablehnte: Er war gegen ein Dividendenverbot für kreditbedürftige Unternehmen, und von der Bedingung eines Lohnverzichts im Management der Fluggesellschaft Swiss ist auch nichts bekannt. So drängt sich denn der Verdacht auf, dass dem Entscheid nicht sachgerechte Politik zugrunde liegt, sondern eine Prise Populismus an einem Ort, wo er mangels starker Lobby-Gegenwehr gefahrlos angewandt werden kann. Die Umsätze – und damit auch die Lohnsummen – dürften angesichts der europaweiten Entwicklung im Fussball in der nächsten Zeit schliesslich ohnehin sinken.

tgraden@bielertagblatt.ch

Nachrichten zu Aktuell »