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Einer redet Klartext, die andern halten sich an Lenny Kravitz

GC holt im Kellerduell gegen Xamax mit einem 1:1 wieder nur einen Punkt und steht vor dem Abstieg. Der Seeländer Cédric Zesiger und die meisten seiner Teamkollegen schöpfen trotzdem noch Hoffnung.

Mittendrin im Schlamassel: Cédric Zesiger versucht, die GC-Fans zu besänftigen. Shani Tarashaj zieht von dannen. Bild: Keystone

Moritz Bill

«It Ain’t Over ‘til It’s Over» – mit diesem Song versuchte Lenny Kravitz 1991, seine Ehe zu retten. Mit demselben Leitspruch versucht GC 2019, sich vor dem Abstieg zu retten. Dass es erst vorbei ist, wenn es vorbei ist, ist die Kernaussage, die der GC-Chor nach dem 1:1 im Kellerduell gegen Xamax am späten Samstagabend in der Interviewzone der Maladière anstimmt. Nur Marco Djuricin hat den Mut, aus der Reihe zu singen, beziehungsweise zu sagen, was vermutlich alle denken: «Jetzt ist es vorbei.» Ein trauriger Moment sei es, doch das «Herumlügen» würde nun keinen Sinn mehr machen. Diese Ehrlichkeit führt dazu, dass Vorsänger Uli Forte im Fortissimo sagt, Djuricin könne seine Sachen packen, «wir kämpfen bis zum Schluss» – «It Ain’t Over ‘til It’s Over».

Selbstverständlich muss der GC-Trainer Durchhalteparolen anstimmen. Mathematisch ist der Abstieg des Rekordmeisters und des dienstältesten Mitglieds der höchsten Schweizer Fussballliga noch nicht besiegelt. Neun Punkte beträgt der Rückstand auf Xamax und den Barrageplatz, fünf Runden und somit 15 zu gewinnende Punkte verbleiben. Doch mit dem Gewinnen bekunden die Grasshoppers seit Langem extreme Mühe. Der letzte Sieg datiert vom 25. November des letzten Jahres. 155 Tage ist das her.

So überrascht es wenig, sehnt sich Cédric Zesiger nach dem nun sechsten Unentschieden in Folge nach einem Vollerfolg, der nicht nur die wichtigen Punkte einbringen, sondern auch die Moral stärken würde. «Ein Sieg würde uns beleben, aus ihm könnten wir Vertrauen schöpfen», sagt der Innenverteidiger aus Treiten. «In den letzten paar Matches spielten wir eigentlich gut, kreierten Chancen, standen kompakt und liessen weniger Tore zu als zuvor. Aber wir schaffen es einfach nicht, zu gewinnen.»

Unter Forte in der Startelf
Der grösstenteils bei Xamax ausgebildete Zesiger steht in seiner dritten Saison als «Hopper», seit Fortes Ankunft steht er in der Startelf. Dessen Vorgänger Thorsten Fink und der kurzzeitig engagierte Lückenfüller Tomislav Stipic hatten selten auf den Seeländer gesetzt. «Ich bin erst 20, es ist wichtig für mich, viel zu spielen», sagt Zesiger. Ob er im Falle des Falls in die Challenge League seinen noch ein weiteres Jahr laufenden Vertrag erfüllt, will der U-Nationalspieler zum jetzigen Zeitpunkt nicht kommentieren. Auf die Aussichtslosigkeit im Abstiegskampf angesprochen, wählt Zesiger dieselben Worte wie das Gros des Teams:«Klar wird es schwierig. Aber wir werden alles versuchen.»

Querelen auf und neben dem Platz
Das Chaos in und rund um den Traditionsklub hat natürlich auch die Mannschaft durchgewirbelt – im wahrsten Sinn des Wortes. 39 Spieler sind im Verlauf der Saison von drei Cheftrainern eingesetzt worden. Auch in der Führungsetage kam es zu Wechseln, anstatt Ruhe vermittelte sie Hektik. Das war der Leistung auf dem Platz nicht eben zuträglich, Zesiger will dies aber nicht alleine für den Misserfolg verantwortlich machen: «Es gab viele Geschichten rund um die Klubführung, ja. Aber hätten wir mehr Spiele gewonnen, wäre nicht so viel Negatives geschrieben worden. Es liegt auch an uns, für positive Schlagzeilen zu sorgen.» Im Sport steht die abschliessende Wahrheit immer auf der Anzeigetafel. Und gelangt von dort in die Geschichtsbücher. In diesen wird bald der Abstieg der Grasshoppers nach 68 Saisons ununterbrochener Ligazugehörigkeit niedergeschrieben werden, sollte nicht noch ein Fussballwunder geschehen. 

Lenny Kravitz’ Song war übrigens ein Riesenerfolg, seine Ehe mit Schauspielerin Lisa Bonet ging trotzdem in die Brüche. Es war eben doch schon vorbei, bevor es vorbei war.

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Freude bei Xamax – aber verhalten
Lange hatte es danach ausgesehen, als könnte Schlusslicht GCden Abstiegskampf mit einem Auswärtssieg beim Barrageplatzhalter Xamax neu befeuern. 1:0 führten die Zürcher bereits nach acht Minuten, nachdem Ngoy von einem Abwehrfehler des Xamaxien-Goalies Walthert profitiert hatte. Die Führung hielt bis eine Viertelstunde vor Schluss, ehe Nuzzolo den unnötig herauseilenden GC-Torhüter Lindner umkurven und einschieben konnte. Die «Hoppers» haderten jedoch viel mehr damit, dass der Xamax-Goalgetter wohl aus einer knappen Abseitsposition gestartet war. Ihnen wurden zwei Tore aberkannt, da Djuricin im Offside gestanden war. In der Schlussphase besassen beide Kellerteams Chancen auf den Sieg, die Neuenburger die zwingerenden. Dennoch waren sie angesichts der Tabellensituation zufrieden mit dem Unentschieden. Torschütze Nuzzolo sagte:«Das war ein sehr wichtiger Punkt. Wir sind auf einem guten Weg, doch entschieden ist nichts.» Es gelte, GC definitiv zu distanzieren. Erst dann könne man sich neue Ziele setzen, sprich, sich auf Duelle mit anderen Teams gegen den Barrageplatz einlassen, führte der Bieler aus.
Die Freude im Xamax-Lager war spürbar, sie blieb aber verhalten. Walthert sagte:«Wir müssen auf dem Boden bleiben.» Der Aufschwung des Aufsteigers, der seit der Winterpause 20 Punkte gesammelt hat, ist ein Verdienst des neuen Coaching-Staffs um Stéphane Henchoz, Walthert erklärt:«Unter ihnen sind wir zu Kämpfer geworden.» bil