Sie sind hier

Abo

Automobil

Enttäuscht und stolz zugleich

Cédric Freiburghaus ist in seiner vierten GT4-Saison so gut unterwegs wie nie zuvor. Dennoch steht der Seeländer mit seinem Team vor den letzten beiden Rennen nicht dort, wo man sein möchte.

Wie schon letztes Jahr steuert Cédric Freiburghaus auch in der aktuellen Saison einen Audi R8 LMS GT4. zvg

Moritz Bill

Auch wenn am Ende eines jeden Rennens traditionell die schwarz-weiss karierte Flagge geschwenkt wird, gilt auch im Motorsport: Es ist nicht immer alles nur schwarz oder weiss. Betrachtet man einzig die Resultate, ist Cédric Freiburghaus in seiner vierten GT4-Saison unter den Erwartungen geblieben. Fliessen seine Darbietungen am Lenkrad in die Analyse mit ein, ist die Folgerung jedoch nicht mehr ganz so sonnenklar.
Wie ist das möglich, steht im Sport die Wahrheit doch immer auf der Resultattafel? Erstens ist ein Rennfahrer stets von der Performance und der Zuverlässigkeit seines Fahrzeugs abhängig. Zweitens teilt sich der 24-jährige Studener eben dieses mit einem Co-Piloten; beide sitzen während eines Rennens abwechselnd hinter dem Steuer. Deswegen sagt Freiburghaus trotz des enttäuschenden fünften Zwischenrangs in der Gesamtwertung der GT4-Europameisterschaft: «Natürlich wäre ich glücklicher, wären wir weiter vorne klassiert. Aber ich bin schon auch stolz, dass ich dieses Jahr bisher keine Fahrfehler begangen habe, die uns Punkte gekostet haben.»
Nun könnte man einwenden, dass Platz 5 von knapp 30 startenden Autos gar nicht mal so übel ist, zumal Freiburghaus Ende Saison bisher noch nie auf einem besseren Rang gelegen ist. Zudem besitzen der Seeländer und sein Co-Pilot Nicolaj Möller-Madsen vor den letzten beiden Meisterschaftsläufen Ende August auf dem Nürburgring noch Chancen auf dem Gesamtsieg. Diese sind jedoch theoretisch-rechnerischer Natur und deshalb in der Praxis kaum realisierbar. Und vor allem hatten Freiburghaus/Möller-Madsen die Saison mit viel Ambitionen in Angriff genommen. Der 26-jährige Däne ist Titelverteidiger. Nachdem der Platz neben Möller-Madsen freigeworden war – Teamkollege Milan Dontje wechselte in die GT3 –, sah man beim deutschen Rennstall Phoenix Racing in der Paarung Freiburghaus/Möller-Madsen die aussichtsreichsten Chancen zum erneuten Gewinn der GT4-Krone.

Über das Limit hinaus
Aber eben. Manchmal streikte die Maschine, andere Male blieb der Mensch seine Leistung schuldig. Möller-Madsen ist schnell, doch fährt er seines ausgeprägten Siegeswillens wegen immer mal wieder über das Limit hinaus beziehungsweise in die Leitplanke oder Auslaufzone. Zum Teil sichergeglaubte Podiumsplätze verpufften in Nuller. «Gehst du mehrmals punktlos aus einem Rennen, kann du dich aus dem Titelkampf verabschieden», weiss Freiburghaus.
Fahrfehler hin, technische Probleme her – das grösste Problem ortet Freiburghaus in der Balance of Performance (BOP). Die im Motorsport gängige Reglementierung, die im Sinne der Chancengleichheit die Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller auf ein annähernd gleiches Leistungslevel bringen soll, ist im Motorsport weitverbreitet und vielerorts umstritten. Auch Freiburghaus sieht sich in dieser Saison benachteiligt. Dem einzig verbliebenen Audi im Startfeld wurde, vereinfacht gesagt, Leistung weggenommen und Gewicht hinzugelegt. Erst als Freiburghaus/Möller-Madsen jeweils im freien Training und Qualifying einen deutlichen Rückstand auf die anderen Top-Teams eingefahren hatten, wurden ihre BOP-Reglementierungen auf das Rennen hin gelockert. «Von einem Startplatz im Mittelfeld aus ist es aber extrem schwierig, nach ganz vorne zu fahren.» Da sich dieser Prozess mehrmals wiederholte, protestierte das Team bei den zuständigen Stewards.
Erst für das letzte Rennen vor zwei Wochen im niederländischen Zandvoort verschafften sich Phoenix und Audi anscheinend Gehör. Erstmals seien alle Autos etwa gleich schnell gewesen, sagt Freiburghaus, der die angepasste BOP sogleich in einen Sieg ummünzte. Eine bittersüsse Erfahrung, denn einerseits freute sich der Seeländer über seinen ersten Triumph in der GT4, andererseits zeigte dieser 1. Platz auch, dass in dieser Saison mehr möglich gewesen wäre. «Es war eine Bestätigung, dass wir eigentlich auf dem richtigen Weg sind.»

Auch eine finanzielle Challenge
Wohin dieser Weg nächstes Jahr führt, ist offen. Freiburghaus benennt die GT3 nach wie vor als Ziel. Der Traum vom Aufstieg in die nächsthöhere Klasse hätte sich der Studener längst erfüllt, hätte er mit monetären Argumenten auftrumpfen können. Wie in der Formel 1 gilt auch in tieferen Rennserien: Wer genügend Geld aus privaten Quellen oder von Sponsoren mitbringt, findet sicher ein Cockpit. Während eine Saison in der GT4 bereits einen tiefen sechsstelligen Betrag verschlingt, belaufen sich die Kosten in der GT3 schnell einmal auf mehr als das Doppelte. Freiburghaus, der in der Vergangenheit schon via Crowdfunding finanzielle Mittel generierte, kann auf langjährige Sponsoren zählen. Doch für die GT3 reichte das bisher nicht. Teamkamerad Möller-Madsen war einst in der GT3 gefahren, musste aber wegen fehlendem Budget wieder in die GT4 zurück. «Vielleicht schaffen wir es, zusammen genügend Geld für die GT3 zusammenzubringen», sagt Freiburghaus.

In der «grünen Hölle»
Vorerst wird der Seeländer Rennfahrer auf der legendären Nordschleife eine Lizenzausbildung absolvieren. Mit dieser wäre er an VLN-Langstreckenrennen startberechtigt, an denen sein Team Phoenix teilnimmt. Der Nürburgring ist die Heimstätte des deutschen Rennstalls, der nur ein paar Kilometer von der «grünen Hölle» entfernt stationiert ist. Mit Langstrecken-Einsätzen über 6 und 24 Stunden liebäugelt Freiburghaus ohnehin, da konstante Performances über eine lange Zeitspanne zu seinen Stärken zählen.
Vielleicht wird an einem solchen Rennen jemand auf den Seeländer aufmerksam, der ihm die GT3-Türe öffnen kann. Manchmal übernehmen ambitionierte Fahrer mit grossem Portemonnaie die Gesamtkosten für eine Saison, um sich neben einem erfahrenen Piloten zu profilieren. Auch bei der Finanzierung gilt folglich: Es ist nicht immer alles nur schwarz oder weiss.