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Nachruf

Er gewann Titel – und Herzen

Alles können, immer vorbereitet sein, keine Schwäche zeigen – das war das Mantra von Kobe Bryant. Zusammen mit seiner Tochter Gianna ist er bei einem Helikopterabsturz ums Leben gekommen.

Kobe Bryant und seine Tochter Gianna, Bild: Keystone

Jürgen Schmieder, Los Angeles

Unwirklich. Das ist das Lieblingswort von Kobe Bryant gewesen, er hat damit so ziemlich alles in seinem Leben beschrieben: wie ihn die Eltern vor 41 Jahren nach der japanischen Stadt benannt haben, weil sie den Namen als Fleischsorte auf einer Speisekarte gesehen hatten. Wie er als Basketballspieler noch besser als sein Vater Joe geworden ist, der ebenfalls in der US-Profiliga NBA gespielt hatte. Wie er fünf NBA-Titel und zwei olympische Goldmedaillen gewonnen und die viertmeisten Punkte der Liga-Geschichte geschafft hat. Alles völlig unwirklich.

Bryant wurde in der Post-Michael-Jordan-Ära das Vorbild all jener, denen die Natur nicht unbedingt sämtliche Voraussetzungen für Erfolg geschenkt hatte. Shaquille O’Neal, mit dem er bei den L.A. Lakers sowohl glänzte als auch um die Rolle des Platzhirsches buhlte, war der Dominante, ein selbst ernannter Superheld – aber auch einer, der vieles nicht ganz so ernst nahm.

 

Nie zufrieden

Bryant dagegen war der Verbissene, der stundenlang und oft alleine an Sprungwurf und Finten arbeitete. Der gnadenlos zu sich selbst und auch zu Kollegen und nie zufrieden war – und genau deshalb so erfolgreich. Er wurde zur Symbolfigur all jener, die sich den Erfolg im Leben hart erarbeiten mussten und ihm so ziemlich alles unterordnen.

Alles können, immer vorbereitet sein, keine Schwäche zeigen – das war das Mantra von Bryant, er gab sich deshalb selbst den Spitznamen «Black Mamba». «Maximale Geschwindigkeit, maximale Präzision» nannte er das, im Buch «Mamba Mentality» beschrieb er diese unnachgiebige Jagd nach Titeln und Rekorden, zu der es früher gehörte, mit dem Helikopter von seiner Villa zur Trainingshalle der Lakers zu fliegen.

Der Helikopter blieb sein primäres Fortbewegungsmittel, und die Polizei von Los Angeles bestätigte am Sonntag, dass Bryant bei einem Absturz ums Leben gekommen sei. Neun Menschen starben beim Unglück, darunter Bryants 13-jährige Tochter Gianna, eine ihrer Teamkolleginnen sowie deren Eltern. Der Helikopter war unterwegs zu einem Spiel von Giannas Team «The Mambas» der papaeigenen Academy. Bis die Umstände geklärt sind, dürfte es dauern. Bryant hinterlässt seine Frau Vanessa und drei weitere Töchter (16, 3 und 7 Monate).

Bryant kam 1978 in Philadelphia zur Welt, verbrachte jedoch grosse Teile seiner Kindheit in Italien, weil sein Vater dort seine Basketballkarriere fortsetzte. Vater Joe spielte die letze Saison seiner Karriere für Mulhouse. Sohn Kobe ging während dieser Zeit in Basel in eine englischsprachige Schule. Er war Fan der AC Milan und wollte Fussballprofi werden – sah allerdings auf den Videokassetten, die ihm sein Opa aus den USA zuschickte, dass Basketball auch ein interessanter Sport sein könnte.

 

Ehrgeiziger Egomane

1996 wechselte er als einer der Ersten ohne Umweg über das College-System in die NBA. «Ich will keine Herzen gewinnen, sondern Titel», sagte er da. Oder: «Es gibt Gewinnen und Verlieren, dazwischen gibt es nichts.» Nach Startschwierigkeiten wurde Phil Jackson – der bei den Chicago Bulls Einzelkönner Michael Jordan zum Titelsammler geformt hatte – Trainer der Lakers und führte den Verein zu drei Meistertiteln in Serie, jeweils wurde allerdings O’Neal zum wertvollsten Spieler gewählt. O’Neal verliess den Club 2004, und Jackson wurde entlassen.

Bryant galt als ehrgeiziger Egomane, dem Erfolge nur etwas bedeuten, wenn er der Hauptverantwortliche ist. Nur: Dies wurde in den USA nicht negativ bewertet, sondern er wurde dafür bewundert – ebenso für seine Fähigkeit, Vanessa trotz Vorwürfen ausserehelicher Affären immer wieder für sich zu gewinnen. Auch über eine Anklage wegen Vergewaltigung hinweg, für die er ab 2003 vor Gericht stand und die seine Karriere überschattete. Bryant erzielte eine aussergerichtliche Einigung.

Mit den Lakers gewann er danach noch zwei Titel, 2009 und 10, sein Kurzfilm «Dear Basketball», mit dem er das Karriereende verkündete, wurde mit einem Oscar prämiert. Was zu Lebzeiten fehlte: eine Statue vor der Arena im Stadtzentrum, mit der Legenden in Los Angeles geehrt werden, Wayne Gretzky, Magic Johnson, Oscar De La Hoya. Mögen sie diese für Bryant möglichst schnell bauen.

 

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Seine Tochter war auf bestem Weg, auch Basketballprofi zu werden

Hat ein Sportler die Fähigkeiten, die über normales Mass hinausgehen, stellt sich immer auch die Frage, ob das Talent beerbt wird. Kobe Bryant und seine Frau Vanessa hatten vier Töchter, und kürzlich erzählte Bryant bei Talkmaster Jimmy Kimmel, wie Fans ständig sagten, er müsste doch noch einen Sohn bekommen, dem er sein Erbe weitergeben könne.

Das sei jeweils der Moment, in dem die 13-jährige Gianna dazwischen grätsche: «Hey, lass das meine Sorge sei.» Bryant erzählte es Kimmel herzhaft lachend.

Gianna – oder Gigi – wurde im Mädchenteam von Bryants Mamba Academy vom Vater persönlich trainiert. Und die Tocher war auf gutem Wege, selbst Basketballprofi zu werden. Er sei überzeugt, dass es Gigi einmal in die NBA der Frauen schaffen werde, sagte er in der Talkshow. Sie sei wild entschlossen, das Ziel zu erreichen, so Bryant. Am Sonntag ist sie an seiner Seite im Helikopter abgestürzt – auf dem Weg an ein Spiel.

Ein Video von Tochter und Vater machte zuletzt die Runde. Dieses zeigt, wie die beiden eine NBA-Partie mitverfolgten. Dabei schien Bryant seiner Gigi Tipps zu geben. Sie verstand. Andere Bildaufnahmen zeigen, wie agil sich die 13-Jährige mit dem Basketball bewegen konnte, und auch wie treffsicher sie bereits war.

Für Bryant, der eine innige Beziehung zu Gigi hatte, war es immer klar, dass er seine Tochter unterstützen würde, die im kommenden Sommer in die Highschool gekommen wäre. Einst sagte er: «Wenn man Jugendliche trainiert, ist es wichtig, das seriös zu machen. Damit hilft man den Kindern, eine emotionale Entwicklung zu vollziehen. Man darf nicht zu kritisch sein und muss Verständnis zeigen, wenn Fehler passieren.» hua