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Samstagsinterview

«Es ist möglich, grosse Partner zu finden»

Thomas Burkhardt ist seit letzten Dezember Marketingdirektor beim EHC Biel. Kurz vor der Saison zeigt er sich zufrieden, auch wenn zuletzt eine Vorverkaufsaktion nicht glückte. Als Fan hofft er auf die erneute Halbfinal-Qualifikation.

Thomas Burkhardt, Marketingdirektor EHC Biel. Bild: Raphael Schaefer

Interview: Bernhard Rentsch

Thomas Burkhardt: Der Blick voraus – wie ist Ihre Gefühlslage am 21. September um etwa 22 Uhr?
Thomas Burkhardt (lacht): Zu allererst dominiert sicher dann eine gewisse Erleichterung. Es wird sich zeigen, dass sich alle Vorbereitungsarbeiten, die aktuell auf Hochtouren laufen, lohnen. Wir sehen, dass alle nötigen Vorkehrungen – hoffentlich – auf dem Schlitten sind. Und natürlich: Hoffentlich dürfen wir uns über einen Startsieg freuen.

 

Zur Auflösung: In zwei Wochen, am 21. September startet der EHC Biel mit einem Heimspiel gegen Genf-Servette in die neue Saison. Zurück in die Gegenwart: Mit der Mannschaftspräsentation und dem ersten und einzigen Vorbereitungsspiel in Biel gegen Fribourg-Gottéron geht es heute so richtig los. Für viele liegt der Sommer noch nicht weit zurück. Herrscht in Biel bereits Eishockeystimmung?
Nach einem Sommer ist es immer schwierig, mit der Eishockeymeisterschaft anzufangen. Nach den heissen Tagen in den letzten Wochen umso mehr. Dass der Start in diesem Jahr zwei Wochen später als vor Jahresfrist erfolgt, kommt uns diesbezüglich entgegen. Und nach den Erfolgen am Ende der letzten Saison ist der Hunger auf Eishockey bei den Fans sicher da. Dieser wird mit der heutigen geballten Ladung an Programm rund um und im Stadion sicher erstmals gestillt.

 

Bei den Fans ja. Aber der Zuschauer, der zwar interessiert, aber halt doch nicht gerade «eishockeyverrückt» ist: Erreichen Sie dieses Potenzial?
Wenn wir den Vorverkauf anschauen, sind wir im Bereich der Sitzplatz-Saisonkarten sehr gut gebucht. Es wird in dieser Saison gar nicht so einfach, einzelne Sitzplatz-Tickets zu ergattern. Beim Vorverkauf der Stehplatz-Saisonkarten haben wir andererseits unsere Ziele nicht erreicht. Sie waren hochgesteckt, vielleicht zu hoch. Wir peilten mit der Aktion «Steh auf, wenn du Bieler bist» 1000 Erwachsenen-Abos an. Wir haben bis zum Stichtag Anfang dieser Woche rund 400 verkauft. Bei der damit verbundenen Gastrogutschrift sind wir nun grosszügig: Jeder erwachsene Stehplatz-Abobesitzer erhält eine Gutschrift von 50 Franken. Wir haben die Aktion zudem bis vor das erste Meisterschafts-Heimspiel verlängert.

 

Wie erklären Sie sich diesen «Misserfolg»?
Es ist kein Misserfolg. Das Ziel war bewusst hoch gesetzt und kommuniziert. Wie gesagt allenfalls zu hoch. Stehplatzkarten im Sommer zu verkaufen, ist noch schwieriger als Sitzplatzkarten. Eishockey war in den warmen Wochen mit zahlreichen Festivals und Sommerangeboten für viele noch weit weg. Es geht erst jetzt so richtig los. Die Fans decken sich eher kurzfristig ein. Wir sind aber auch da gegenüber den Vorjahren weit voraus. Zudem haben wir einen überdurchschnittlichen Zuwachs bei Verkauf von Abonnementen für Jugendliche und Kinder zu verzeichnen. Die profitieren aber nicht von der Gastrogutschrift. Da sind die Preise schon per se sehr günstig.

 

Sie haben von letzten Vorbereitungsarbeiten im Sponsoring gesprochen. Was läuft in diesen Tagen kurz vor dem Saisonstart?
Einerseits versuchen wir, letzte offene Sponsorenflächen zu verkaufen. Da ist zum Glück aber gar nicht mehr viel zu haben, denn wir stehen bereits heute sehr gut da. Noch mehr gefragt ist entsprechend andererseits die Umsetzung. Jeder, der etwas gebucht hat, erwartet nun die Leistung von uns. Konkrete Arbeiten waren in den letzten Tagen der Versand aller vorreservierten Tickets und die Produktion der Banden. Alle Spots auf allen möglichen Bildschirmen müssen endbearbeitet werden. Ein neues Gastro-Zahlungssystem und ein neues Reservationssystem erfordern zudem Anpassungen auf allen Stufen.

 

Alles kann ja aber nicht in den letzten Wochen und Tagen realisiert und umgesetzt werden. Wie sieht die Marketingplanung bei einem professionell geführten Eishockeyverein aus?
Gedanklich ist man im Marketing immer um Monate voraus. Bereits im ersten Quartal des Jahres investieren wir den grössten Teil der Zeit für die Akquisition von Partnern für die nächste Saison.

 

Eine lange Angewöhnungszeit hatten Sie nach dem persönlichen Einstieg also nicht?
Nein, wirklich nicht. Im letzten Dezember stiess ich zum EHC Biel. Das Sales- und Marketingteam hatte die Lage damals problemlos im Griff, so dass ich mich einen Moment einarbeiten konnte, ohne ständig Feuerwehrübungen durchführen zu müssen. Dann ging es aber wie vorher beschrieben sehr rasch los.

 

Man kennt Sie in der Region als Marketingspezialist von Swiss Tennis. Sie arbeiteten immerhin 18 Jahre bei diesem Verband. Sind Sie jetzt Eishockeyfan?
Nach meinem beruflichen Start beim EHC Biel bin ich sehr schnell ins Eishockey-Geschäft hineingewachsen. Emotional bin ich voll dabei und ja, ich bin auch Fan der eigenen Mannschaft. Andererseits ist es für meine Aufgabe dienlich, nicht zu stark mit dem Team in Kontakt zu sein. Administration und Spielbetrieb sollen auf dieser Stufe einigermassen konsequent getrennt werden. Aber natürlich basiert unser Marketing auf dem sportlichen Erfolg der ersten Mannschaft. Trotzdem: Sie machen ihren Job, wir den unseren.

 

Sie «verkaufen» ein Produkt, das zuletzt beim Publikum sehr viel Positives auslöste. Helfen die guten Leistungen auch im Sponsoring?
Die sportlichen Leistungen helfen ganz klar. Das stellen wir mit Blick auf die Erfolge zum Saisonende im letzten Frühjahr fest. Andererseits mussten wir vorerst die Kündigungen von überdurchschnittlich vielen Donatoren und den Abfluss von Leistungen von über einer halben Million Franken kompensieren.

 

Worauf sind diese Kündigungen zurückzuführen – absolvierte der EHC Biel doch die beste Saison seit vielen Jahren?
Ja, zum Saisonschluss schon. Donatoren und Sponsoren entscheiden sich aber früher. Nach gutem Start musste im letzten Herbst eine unangenehme Durststrecke mit etlichen Niederlagen überwunden werden. Diese gipfelte bekanntlich im Trainerwechsel. Das hat einige Partner verunsichert und in der Budgetphase zu diesem für uns negativen Entscheid geführt. Nach drei Saisons im neuen Stadion ist es zudem für Firmen normal und legitim, ihren Kunden anderen Leistungen und Erlebnisse anzubieten. Einige Partner konnten die ihnen zustehenden Sitzplätze gar nicht mehr bewirtschaften und besetzen.

 

Konnten Sie diese Abgänge kompensieren?
Ja, wir liegen bei den Donatoren sogar 100 000 Franken über dem Vorjahr. Durch den Erfolg unseres Teams konnten einige zur Verlängerung der Mitgliedschaft motiviert werden. Es gingen aber auch viele neue Türen auf.

 

Sie erwähnen eine gewisse Sättigung auf Seiten der Donatoren. Gilt dies auch für andere Partnerschaften?
In der Region stossen wir in der Tat an Grenzen. Das merken alle Veranstalter oder Sportklubs. Fakt ist, dass heute jeder einen Event erfinden und durchführen möchte. Alle sind auf Sponsorensuche und können ihren Anlass ein- oder mehrmals durchführen, verschwinden dann aber oft nach ein paar Jahren wieder. Trotzdem wird Sponsorengeld gebunden. Die Sponsoringnehmerseite wächst stetig, die Sponsoringgeberseite dagegen wird tendenziell kleiner.

 

Trotzdem müssen Sie wachsen?
Die riesige Identifikation sehr vieler Firmen in der Region mit dem EHC ist eine erfreuliche Sache und doch müssen wir wachsen. Das kann man zum Beispiel, indem man die Preise heraufsetzt, was für uns aber zurzeit keine Option ist. Eine Erfolgskomponente bei sportlichen Erfolgen wäre ein anderer Weg, der aber viel Risiko beinhaltet. Wir suchen den Weg über neue Möglichkeiten.

 

Zum Beispiel?
Wir dehnen das Einzugsgebiet Richtung Neuenburg, Richtung Berner Jura oder Richtung Solothurn aus. Im Süden stossen wir rasch einmal auf das Einzugsgebiet des SC Bern. Allenfalls gelingt es da, den einen oder andern eishockeyaffinen Sponsoren wieder auf unsere Seite zu ziehen.

 

Sie jagen dem «Erzfeind» Sponsoren ab?
Nein, das ist keine aktive Strategie. Tatsache ist aber, dass viele Seeländer Firmen beim SC Bern aktiv sind– da gibt es allenfalls den einen oder andern, der parallel auch uns unterstützen möchte.

 

Die Ideen zum Wachsen liegen nahe und dürften bereits Ihre Vorgänger beschäftigt haben. Darf man von Thomas Burkhardt noch Innovativeres erwarten?
In der Tat haben sowohl Adrian Marti als auch Pascale Berclaz in diesem Job sehr gute Arbeit geleistet. Ich bin nicht gekommen, um alles neu zu erfinden. Für eine detaillierte Analyse brauche ich sicher ein Jahr. Ich beurteile aber schon heute die möglichen Angebote betreffend Sichtbarkeit im Stadion bei potenziellen Partnern als noch nicht ausgereizt. Wir werden mit digitalen Umsetzungen mehr Mittel generieren können.

 

An was denken Sie da konkret?
Wir liebäugeln unter anderem mit der Anschaffung eines LED-Bandesrings oberhalb der Zuschauer. Diesen könnten wir den Wünschen unserer Partner entsprechend «bespielen». Dazu ist die Rundum-Sichtbarkeit bei allen Lichtverhältnissen garantiert. Wir berechnen aktuell das Potenzial. Dabei handelt es sich aber um eine sehr teure Anschaffung. Der Zeithorizont für eine mögliche Installation ist frühestens 2020.

 

Damit können Sie allenfalls auch weitere grosse nationale oder gar internationale Partner ansprechen. Das scheint schwierig zu sein?
Das ist Knochenarbeit. Wir machen diese aber nicht ungern, denn die entstehenden persönlichen Beziehungen eröffnen immer wieder neue Wege. Der Markt wurde durch Fusionen oder durch Übernahmen aus dem Ausland aber nicht grösser. Der EHC Biel, der zu einem grossen Teil mit regionalen Partnern zusammenarbeitet, ist davon zwar nicht stark betroffen, die Akquisition eines grossen Partners wird aber dadurch nicht einfacher.

 

Sie liebäugeln dennoch mit nationalen oder internationalen Partnern. Gelingt Ihnen der grosse Coup, was schon seit Jahren ein Ziel ist?
Ich glaube, dass es auch für den EHC Biel möglich ist, weitere nationale Partner zu finden. Man muss sich dabei bewusst sein, dass auch bei den grössten Deals im Sponsoring irgendein persönlicher Bezug vorhanden ist. Eine Firma muss mit der Region verbunden sein oder ein CEO oder Marketingleiter eines Multiunternehmens stammt aus unserer Region. Solche Nähe gilt es herauszuarbeiten und zu nutzen. Jede Neuansiedlung ist logischerweise eine neue Chance. Mit Firmen wie CSL Behring oder mit Georg Fischer zum Beispiel, die in unserer Region bauen, suchen wir Kontakt. Auch wenn wir sicher nicht die Einzigen sind. Wir gehen das ruhig und strukturiert an. Was wir heute säen, können wir vielleicht in drei oder vier Jahren ernten.

 

Sie waren 18 Jahre im Schweizer Tennissport in führender Position tätig. Weshalb der Wechsel zum EHC Biel?
Es waren tolle Berufsjahre, die ich in einer sehr erfolgreichen Zeit für Swiss Tennis miterleben durfte. Ich suchte dennoch noch einmal eine neue berufliche Herausforderung und hatte Glück, meine heutige Aufgabe beim EHC Biel antreten zu dürfen.

 

Wo sind die Parallelen, wo die Unterschiede zwischen den beiden Sportarten?
Tennis und Eishockey können kaum verglichen werden. Die beiden Sportarten funktionieren anders, haben andere Anhänger, präsentieren sich in komplett anderen Rhythmen. Meine Aufgaben bei Swiss Tennis waren eher national ausgerichtet, beim EHC Biel bin ich vielmehr in der Region aktiv. Die Nähe zu den Partnern ist ein Plus für mich. Das Marketing funktioniert grundsätzlich ähnlich. Im Eishockeybetrieb mit der Meisterschaft gibt es aber viel mehr aktive Berührungspunkte – der Rhythmus ist viel höher. Bei Swiss Tennis stand das Mitgliedermarketing im Zentrum, gar nicht so sehr die Arbeit mit den einzelnen Aushängeschildern. Tennis ist ein Einzelsport, der weltweit privat organisiert ist. Die Spielerinnen und Spieler auf der ATP-/WTA-Tour funktionieren wie ein Unternehmen. Der Verband hat seine Aushängeschilder nur selten zur Verfügung, die Stars sind weit weg davon. Beim EHC Biel kann ich aktiv mit dem ganzen Team arbeiten. Die Spieler sind Angestellte des Klubs und stehen uns entsprechend nahe.

 

Welchen Anteil deckt Marketing/Sponsoring im Budget des EHC Biel, das rund 16,5 Millionen Franken beträgt, ab?
Die Zuschauereinnahmen machen maximal 25 Prozent aus. Zudem sind diese je nach sportlichen Leistungen schwankend. Den Rest, das sind gut zwölf Millionen Franken, erarbeiten wir über die sogenannte Kommerzschiene, die schwergewichtig Sponsoring umfasst. Das ist ein ständiger Kampf. Wir sind täglich mit einem kleinen Team damit beschäftigt, weitere Mittel zu akquirieren. Wir müssen aktiv sein und bleiben. Es ruft uns niemand an und fragt, ob er Sponsor werden dürfe. Der Druck ist permanent vorhanden. Das Verkaufen ist das eine, die Betreuung von fast 600 Partnern das andere.

 

Kann dieses hohe Niveau über Jahre gehalten und garantiert werden?
Logischerweise beschäftige ich mich mit dem Gedanken, wann die Obergrenze erreicht ist. Das stetige Wachsen in kleinen Schritten sorgt aber für einen sehr stabilen Unterbau. Der EHC Biel ist in der Region sehr gut verankert, die Risiken sind überschaubar. Es schlummert noch viel Potenzial. Die Herausforderung ist der dauerhafte und konstante sportliche Erfolg.

 

Womit wir quasi wieder zurück auf dem Eis sind: Wie sind Ihre persönlichen Prognosen für die bald beginnende Saison?
Ich schliesse mich der offiziellen Zielsetzung des Klubs an: ein Platz unter den ersten Sechs. Als Fan hoffe ich, dass wir das Resultat der letzten Saison, also die Halbfinal-Qualifikation wiederholen können.