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Bern

Feier dich frei!

Die Young Boys besiegen den Meisterfluch und gewinnen erstmals seit 32 Jahren den Titel. Eindrücke aus 24 Stunden,
in denen Gelb-Schwarz die Glücksfarbe ist.

Nach dem Schlusspfiff feierten Spieler und Fans stundenlang gemeinsam den so lang ersehnten Meistertitel im Stadion. Raphael Moser

Dominic Wuillemin

Am Samstagabend kurz vor Mitternacht verbreitet Bernmobil in einer Meldung, dass die Tramlinie 9 – vom Guisanplatz zum Bahnhof – aufgrund der Meisterfeierlichkeiten nicht mehr bedient werden könne. Es sind nüchterne Worte, die von grossen Emotionen berichten: Bern steht still und tanzt gleichzeitig, mittendrin die Spieler, die sich nun in Autos vom Stadion in die Innenstadt aufmachen. Captain Steve von Bergen wählt mit Frau und Schwester die Route durch das Breitenrainquartier und muss bald einmal feststellen, dass er nicht mehr vorankommt. Das Hindernis ist eine Jubelwand am Breitenrainplatz, von Bergen wird zum Aussteigen und Mitfeiern aufgefordert. Und am Kornhausplatz stehen Bertone, Bürki, Sow und Wüthrich auf dem Dach ihres Autos und skandieren gemeinsam mit Fans: «Meischter, Schwiizer Meischter!» Diese Nacht kennt nur eine Regel: Ekstase. Es hat sich in 32 Jahren vieles angestaut, das jetzt rausmuss. Im Jahr 1986, als YB für sehr lange Zeit zum letzten Mal den Meistertitel gewonnen hatte, wurde Argentinien in Mexiko angeführt vom grandiosen Maradona Weltmeister, die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl schockte die Welt. Und Polo selig schrieb sein wunderbares Stück «Im letschte Tram», in dem er von jungen Gesellen singt, die in ihrer Lieblingsbar die Sehnsucht stillen. Die Zeile passt auch zum 28. April 2018 – nur das letzte Tram fällt diesmal aus.

Ganz Bern scheint am Samstagnachmittag auf den grossen Moment zu plangen. Die Stadt ist gelb-schwarz, eine Metzgerei am Breitenrainplatz verkauft YB-Meisterwürste. In der Länggasse sitzen Menschen im YB-Trikot beim Zähringer und schlecken Glace. Und draussen beim Stade de Suisse versammeln sich Menschen Stunden vor Anpfiff und bräteln auf Wegwerfgrills. Die Vorfreude ist überall greifbar, die Zuversicht ebenso, das Szenario, dass YB das Spiel gegen Luzern nicht gewinnen werde, existiert nicht. Die Stadt und ihre Einwohner sind gerüstet für eine Partynacht.

Es ist diese Ausgangslage, die diesen Match für die Young Boys so schwer macht: Es ist wie eine Finalissima am fünftletzten Spieltag. Und das ist den Akteuren von Beginn an anzumerken, YB stürmt und drängt in gewissen Phasen, das schon. Die Kontrolle über das Spiel hat es aber nie. All die Erwartungen, der Druck, der auch selbst auferlegt ist, weil es die Young Boys unbedingt jetzt schaffen wollen, zu Hause im ausverkauften Stadion am feiertechnisch idealen Samstagabend, dieser Druck lähmt. Leduc von Lo & Leduc verlässt zur Pause das Stadion, es steht 0:0, die Band hat einen Auftritt in Burgdorf. Falls YB gewinne, werde er nach Mitternacht zurück sein, um gemeinsam mit Guillaume Hoarau aufzutreten, sagt er. Als Leduc soeben gegangen ist, bringt Christian Schneuwly kurz nach der Pause die Gäste mit einem Freistoss in Führung. Kommt nun das Erwachen aus dem Meistertraum?

Es wäre auch unpassend gewesen, hätte dieser Club mit seiner beschwerlichen Geschichte souverän und abgeklärt die Meisterschaft gewonnen. «Veryoungboysen», Sie wissen schon. YB-Fan zu sein ist eine Leidenschaft, die Leiden schafft. Und die YB-Fans leiden jetzt, Guillaume Hoarau gleicht zwar fast postwendend aus, doch bald bestätigt der Franzose das alte Fussballgesetz, dass Stürmer im eigenen Strafraum nichts zu suchen haben. Es gibt Penalty nach Foul Hoaraus, und oben auf der Tribüne denkt Sportchef Christoph Spycher, dass es nun ganz schwer werde, wie er später gesteht. Doch diesmal werden alle, die ein YB-Herz in sich tragen, belohnt. Mit einer Dramaturgie, die nicht berührender, dramatischer, schöner hätte erfunden werden können. Aus «veryoungboyst» wird darum 
«eryoungboyst». Dank Goalie Marco Wölfli, vor kurzem noch der ewige Zweite, der mit dem gehaltenen Penalty in der 76. Minute zum Helden avanciert. Und natürlich: Jean-Pierre Nsame, nach starker Vorrunde zum Edelreservist degradiert, der, wieder einmal nur eingewechselt, in der 89. Minute zum Meistermacher wird. Das Bild, wie der seriöse YB-Medienchef Albert Staudenmann in diesem Moment lossprintet, völlig losgelöst, mit Ersatzspielern, verletzten Spielern, gesperrten Spielern, einfach allen, die sich am Spielfeldrand befinden, und in der riesigen Jubeltraube an der Eckfahne verschwindet, hat sich für immer ins Gedächtnis eingebrannt. Ebenso wie oben auf der Tribüne der Sportreporter von Energy Bern, Luzi Fricker, nach dem 2:1 dem Nervenzusammenbruch nahe ist. Wer das Video dazu noch nicht gesehen hat, sollte dies unbedingt nachholen.

Es sind Szenen für die Ewigkeit, die sich im Stade de Suisse zutragen. Einer, der den FC Basel seit Jahrzehnten begleitet, meint, es sei jene Meisterfeier des FCB 2002, nach 22 Jahren ohne Titel, die er nie mehr vergessen werde. Bei Anbruch der Nachspielzeit stehen schon hunderte Zuschauer direkt am Spielfeldrand, als der Schiedsrichter nach bangen Minuten endlich abpfeift, stürmen Abertausende den Platz.

Und es werden immer mehr. Die Tore zum Stadion sind geöffnet, das Stade de Suisse ist das Epizentrum der Schweiz. Nach 32 Jahren ist der Meisterfluch abgelegt, die Young Boys und ihre Fans tanzen sich frei. Bei Musik und Bier, Bengalos und Zuckerstock wird stundenlang gefeiert. Die mehrmalige Aufforderung des Stadion-speakers, man solle Sorge zum Kunstrasen tragen, bleibt ungehört.

Am Tag danach zeugen Bierbecher auf dem Kunstrasen und die belegten Stimmen der YB-Spieler von der Ewigkeit. Der Club hat zur Medienkonferenz eingeladen, den jungen Christian Fassnacht, Loris Benito und Leonardo Bertone ist anzumerken, dass sie im Berner Club Du Théâtre bis tief in die Nacht gefeiert haben, dem alten Steve von Bergen hingegen nicht. Der halbjährige Sohn kenne keine Meisterfeierruhe, sagt er, er sei deshalb schon seit 7 Uhr wach. Die Sonne und die Gewissheit, Meister zu sein, hätten das Aufstehen einfach gemacht. Wird von Bergen zu sportlichen Belangen befragt, gibt er nüchtern Auskunft, doch auf die Feierlichkeiten angesprochen, beginnen seine Augen zu leuchten. Der 34-Jährige, der 2006 mit dem FC Zürich dank eines Tores von Filipescu in allerletzter Minute beim FC Basel hochdramatisch Meister wurde, sagt, so etwas wie am Samstag habe er noch nie erlebt – und zeigt auf die Hühnerhaut an seinem Arm. Der Captain erzählt, wie er in der Stadt einen Fan gesehen habe, der einen Torpfosten aus dem Stade de Suisse herumgetragen habe. Und hebt einen Moment heraus: Als das ganze Stadion die YB-Hymne «We Love You» anstimmte, oben auf dem Balkon der Champions Lounge die Mannschaft, unten auf dem Rasen und den Rängen vielleicht 40 000 Feiernde. Von Bergen sagt: «Diese Emotionen werde ich mein ganzes Leben lang nicht vergessen.»

Es ist ein Abend voller grosser kleiner Momente. Etwa jener, als kurz nach Spielende der zur YB-Leidenshymne gewordene Züriwest-Song «Irgendeinisch fingt s’Glück eim» eingespielt wird. Diese Worte stehen am Sonntag auch beim Kursaal auf einem grossen gelb-schwarzen Banner. Oder als Fassnacht über das Stadionmikrofon gefragt wird, ob die Meisterzigarre schmecke, und er sagt: «Sie muss nicht schmecken. Sie muss brennen.» Die Spieler ziehen sich nach einer ersten Feier auf dem Platz zurück in die Kabine, es sind ausgelassene Minuten, die mit Luzi Fricker im Erholungsbecken gipfeln. Nur einmal wird es ruhig, als Besitzer Hansueli Rihs eine Ansprache hält, am Ende bekommt er von Hoarau einen dicken Kuss auf die Backe – die Sause kann weitergehen. Später sagt Rihs, sein Bruder und verstorbener Mitbesitzer Andy sei vor knapp zwei Wochen mit der Überzeugung für immer eingeschlafen, dass YB bald Meister werde. Hansueli Rihs ist mit gelb-schwarzen Ringelsocken noch spät in der Nacht in der Champions Lounge anzutreffen. Und Lo & Leduc spielen tatsächlich, einfach ohne Hoarau, der sich längst in die Stadt verabschiedet hat.

Und so trägt jeder seine eigene Geschichte von diesem magischen Abend nach Hause. Der 28. April hinterlässt Spuren, natürlich auch auf dem Kunstrasen, der jedoch nicht ernsthaft Schaden nimmt und am Mittwoch, wenn die Young Boys das Training wieder aufnehmen, bespielbar sein sollte. Vorerst weilen die YB-Spieler in Barcelona, in der Weltstadt können sie sich ungestört austoben.

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Der König von Bern

Es ist schwierig, dem Wahnsinn der Geschichte, die Marco Wölfli bei YB geschrieben hat, gerecht zu werden. Seine heldenhafte Penalty-Parade, die den Young Boys den Titel brachte, ist eine fast kitschhafte Krönung seines Märchens.


Die Heldentat: Marco Wölfli hält den Penalty. Keystone
 

Wo anfangen? Mit dem Hechtsprung, dem Wischer mit rechts, dem Ball, wie er an die Latte prallt? Mit dem Urschrei, mit Grimassen wie gemalt in sein Gesicht, wild und roh und völlig ausser sich?

Wo anfangen mit Marco Wölfli? Einfach ist das nicht, denn um dem Wahnsinn der Geschichte, die der Goalie bei YB nach 17 Jahren im Verein in dieser Saison geschrieben hat, auch nur einigermassen gerecht zu werden, müsste man eigentlich eine neue Textform erfinden. Die Tragik seines Werdegangs, die Romantik seiner Rückkehr, der Kitsch der Krönung am Samstagabend. Ein gehaltener Penalty in einem Meisterschaftsspiel, bejubelt wie ein Golden Goal in einem WM-Finale, weil er, Wölfli, einst ausgezogen aus dem solothurnischen Grenchen, längst angekommen im Herzen dieser Stadt, ihr nun ermöglichte, was er sich für sie gewünscht hatte: die Meisterfeier im eigenen Stadion.

Wo anfangen? Einen ersten Versuch startete Steve von Bergen, kurz nachdem die Young Boys als Schweizer Meister 2018 festgestanden waren. «Wir müssen ihm ein Denkmal bauen», sagte er, ziemlich frei von Ironie, und so ganz auszuschliessen ist es nicht, dass einem der Wölfli-Kopf dereinst an irgendeiner Berner Ecke in Stein gemeisselt entgegengrinst. Nicht bei dieser Geschichte.

 

Zeiten der Sehnsucht
Wo anfangen? Vielleicht mittendrin, 2013 im Dezember, es ist kurz vor Weihnachten und wenige Wochen her, dass Wölfli sich in einem Spiel gegen den FC Thun die Achillessehne gerissen hat. Alle wollen wissen, wie es dem Goalie nach der Operation geht, YB lädt an eine Pressekonferenz. Fünf Minuten vor dem Termin erfährt Wölfli vom Tod seiner Grossmutter in Sizilien. Er setzt sich trotzdem ans Pult, erzählt von den kleinen Schritten, die er bald wieder machen wolle, es sei ja gar nicht so schlimm, nun könne er zusammen mit seinem damals einjährigen Sohn laufen lernen. Wölfli, der Optimist. Damals wurden ihm solche Worte als Genügsamkeit ausgelegt. Als die Worte von einem, der es zwar in die Nationalmannschaft, aber dort nie zu einem Stammplatz, der es an die Spitze der Super League, aber dort nie zu einem Titel gebracht hat.

Wölfli hat das nie beeindruckt. Er wiederholte seine Statements gebetsmühlenartig, und wenn er sagte, es kümmere ihn nicht, was andere über seine Karriere dächten, dann meinte er das auch genau so. So viel weiss man heute.

Seit 2013 ist viel passiert, gerade bei YB. Und schon seit Wochen war klar, dass Marco Wölfli eine der schönsten Geschichten schreiben wird, die dieser erste Meistertitel seit 32 Jahren für die Young Boys mit sich bringt. Für ihn schien sich nach der Rückkehr ins Tor nach der Verletzung von David von Ballmoos vor vier Monaten alles zum Guten zu wenden. Aber dass Wölfli, die Sehnsucht einer ganzen Stadt im Rücken, auf diesem letzten Schritt zum Titel seine Hände so ins Spiel bringen würde, davon wäre auch der kühnste Dramaturg nicht ausgegangen.

Am Samstag wich beim Mann des Abends die helle Freude je länger, je mehr dieser typischen, Wölfli-haften Genugtuung. «Das waren wichtige drei Punkte», flachste er in einem ersten TV-Interview. «Wenn man schon mal ein Märchen schreibt, dann doch gleich richtig», sagte er später lachend. Und «nicht schlecht» war sein vergnügter Kommentar, als er auf dem Stadionbalkon nach dem Ausblick und dem Gefühl gefragt wurde, welches die 30 000 Leute unter ihm auslösten, die wie wild seinen Namen brüllten.

Bei aller Gelassenheit bleibt Marco Wölfli ein Fussballer, der seine Energie auf dem Feld vor allem aus der Emotion bezieht. Nach besagtem Ur-Schrei und der Parade triefte Wölfli förmlich vor Adrenalin. «Da muss ich schon sehr geladen gewesen sein.» Manisch tigerte er in den letzten Minuten umher, hockte mal weit vorne am Mittelkreis, hüpfte dann wieder hinten durch den Strafraum. Jean-Pierre Nsame traf zum Sieg, dann pfiff der Schiedsrichter ab, und die Leute stürmten alle auf ihn zu, wollten alle zu Wölfli, er ist wieder ihr Goalie, und er wird es bei YB jetzt auch auf ewig ein wenig bleiben.

 

Ein Sieg vergessener Werte
Marcel Reif ist seit gut fünfzig Jahren im Fussballgeschäft tätig, am Samstagabend war der Deutsche im Studio von Teleclub als Experte eingeladen und sagte irgendwann im Meistertrubel: «Wegen solcher Momente, wegen dieses Marco Wölfli stehe ich jetzt hier und fühle mich wie ein kleines Kind.» Wölflis Geschichte ist nicht nur unglaublich, sie ist auch eine, in der sich jeder ein bisschen selber wieder finden kann. Und dazu ist der Aufstieg des Gute-Laune-Bären, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt, zur grossen Figur des YB-Triumphs auch ein Sieg von Werten, die im Fussball, im Sport bisweilen nicht mehr Vorrang zu haben scheinen.

In den frühen Morgenstunden sass auf der Berner Kornhausbrücke ein Fan auf einem Stuhl, herausgerissen direkt aus dem Stadion in den Stunden des Glücks. Unterschrieben war das Erinnerungsstück, natürlich, von Wölfli, und der Fan meinte, er bleibe jetzt hier noch für eine Weile sitzen. Moritz Marthaler

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«Ich wurde noch nie so oft umarmt»

Adi Hütter versucht, seine Eindrücke in Worte zu fassen, erzählt von der Feier, seiner persönlichen Verbindung zum früheren Meistertrainer Alexander Mandziara und erklärt, warum sich für ihn jetzt ein Kreis schliesst.


Adi Hütter: "Diesen Abend werde ich mein Leben lang nicht vergessen." Keystone

 

Adi Hütter, wie viel Schlaf hat es für Sie gegeben vergangene Nacht?

Adi Hütter: Natürlich nicht allzu viel. Aber schon allein das Aufwachen war ein grossartiges Gefühl, weil sofort die Bilder an letzte Nacht zurückkehrten.

Was sind spontan die ersten Eindrücke aus Ihrer Meisternacht?

Es war wunderbar, all diese glücklichen Menschen um sich herum zu haben. Ich wurde noch nie so oft umarmt. Dieses Wissen, dass man zusammen so etwas Bedeutendes erreicht hat, ist einfach grossartig. Es war ein Genuss, in all diese glücklichen Gesichter zu schauen. Die Bilder, die Emotionen, diesen einen Abend als Ganzes, den werde ich mein Leben lang nicht vergessen.

Sie gelten ja als eher kontrollierter Mensch. Wie sehr haben Sie gestern auf den Putz gehauen?

Schon der Spieler Adi Hütter war in der Lage, feiern zu können. Auch der Trainer ist es noch. Aber klar, ich bin nicht der Typ, der sich in den Vordergrund stellt und wild herumhüpft.

Inwiefern haben Sie schon realisiert, was gestern alles passiert ist?

Die Dimension, insbesondere mit der Dramaturgie, mit der wir gestern zu diesem Sieg gelangt sind, die habe ich noch nicht vollständig erfasst. Und viele Momente sind präsent, aber es fällt mir schwer, zu beschreiben, wie sich das genau anfühlt.

Zum Beispiel?

Nach dem 2:1 in der 89. Minute weiss ich nicht mehr so genau, in welche Richtung ich gerannt bin, wen ich umarmt habe und so weiter. Das sind Momente, da geht halt auch einfach der Gaul mit einem durch.

Wie viel Erleichterung schwingt da auch mit?

Viel, sehr viel. Diesen schweren Rucksack, den der Verein, die ganze Stadt auch ein wenig mitgetragen haben, dass man so oft so nahe dran an einem Titel war, aber es nie ganz gereicht hat, den sind wir jetzt endlich los.

Sie haben gestern mehrmals gesagt, dass dieser Titel Ihr grösster Moment als Trainer und Fussballer sei. Was macht ihn so speziell im Vergleich zu anderen Titeln, die sie schon gewonnen haben?

Zunächst einmal, weil der Titel nach 32 Jahren Warten historisch natürlich enorm bedeutsam ist. Und dann darf man nicht vergessen, wie unser Meisterteam entstanden ist. Wir hatten vergangenen Sommer einen grösseren Umbruch, haben Spieler zum Teil aus der Challenge League zu uns geholt, teils junge Talente mit wenig Erfahrung, bei denen wir uns nicht sicher waren, wie sie sich entwickeln würden. Aber sie waren alle enorm hungrig, und zusammen mit den erfahreneren Fussballern bei uns hat sich so dieses fantastische Meisterteam gefunden.

Was verändert sich für Sie als Trainer der Young Boys mit diesem Titel?

Als ich vor drei Jahren hierherkam, haben mich viele Leute gefragt, ob ich jetzt glücklich sei, YB-Trainer zu sein. Ich habe immer geantwortet, ich würde mich glücklich über dieses riesige Privileg schätzen, hier Trainer zu sein. Aber ich habe schon damals gesagt, glücklich bin ich erst dann, wenn wir etwas gewinnen. Und seit gestern bin ich ein sehr, sehr glücklicher Meistertrainer von YB.

Und wann haben Sie realisiert, neben welche historischen Figuren Sie sich als YB-Meistertrainer einreihen dürfen?

Albert Sing war mir natürlich schon immer ein Begriff, was er mit YB erreicht hat, ist einzigartig. Und zu Alexander Mandziara habe ich einen speziellen Bezug. Er war 1989 mein Trainer, als ich bei LASK Linz spielte. Von seiner Förderung habe ich viel profitiert. Und als ich dann 2015 bei YB ankam, verstarb Mandziara wenige Wochen später in Deutschland. Ich weiss noch, wie ich im Stadion stand und mir ausmalte, wie emotional es wäre, wenn ich dereinst in seine Fussstapfen treten könnte. Jetzt ist das passiert.

Vergangenen Herbst, als Sie bei Werder Bremen ein Trainerkandidat waren, sagten Sie, Ihre Mission in Bern ist noch nicht zu Ende. Ist sie es jetzt?

Nein. Erstens ist die Meisterschaft noch nicht zu Ende, wir können noch den Punkterekord der Super League brechen, dann wartet der Cupfinal mit der ebenfalls historischen Chance, zum ersten Mal seit 60 Jahren das Double nach Bern zu holen. Bei YB habe ich einen Vertrag bis 2019, mir gefällt es hier. Deswegen möchte ich Stand jetzt auch nicht mehr sagen dazu.

Wenn Sie einen Spieler aus Ihrer Mannschaft hervorheben müssten, welcher wäre es?

Dieser eine Spieler ist für mich die Mannschaft. Es wäre jetzt ungerecht, irgendeinen herauszuheben, weil jeder aus dem Team einen unglaublichen Anteil an dieser Geschichte hat.

Die Spieler haben bis Dienstag trainingsfrei – was machen Sie in dieser Zeit?

Vielleicht kann ich mich mal wieder selber trainieren (lacht). Es ist wichtig, dass man sich selber Zeit gibt, zu realisieren, was genau passiert ist. Und es dann auch entsprechend zu geniessen.

Aufgezeichnet: Moritz Marthaler