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Wochenkommentar

Forderung nach mehr TV-Präsenz greift zu kurz

Die Forderung, dass das SRF alle Spiele der Frauenfussball-Weltmeisterschaft in Frankreich ausstrahlen soll, ist im Sinne der Gleichstellung berechtigt.

Moritz Bill, Redaktor Sport

Moritz Bill


Schliesslich wurden in der Vergangenheit ausnahmslos alle Partien der Männer-WM übertragen, auch wenn sich die Schweiz nicht für das Turnier qualifiziert hatte. Nur, die Petition kratzt bloss an der Oberfläche des Problems. Mit dem Fingerzeig auf SRF machen es sich die Initianten zu einfach. Die Ursachen für die ungleiche Behandlung des Männer- und Frauenfussballs liegen tiefer. 

Natürlich generiert der Protest gegen die Programmgestaltung des öffentlich-rechtlichen Senders die angestrebte Aufmerksamkeit. Zudem ist die Reichweite von SRF immens. Die Chancen, dass manch eine Skeptikerin und manch ein Skeptiker zufällig in ein WM-Spiel reinzappt, sind gross. Und dass er oder sie hängen bleibt, vom in den letzten Jahren gestiegenen Niveau überrascht ist und die negativ geprägte Haltung gegenüber dem Frauenfussball revidiert, ebenso. Doch wie bei allen Grossanlässen verpufft mit dem Ende der Veranstaltung der Hype so rasch, wie er entstanden ist. Nachhaltig ist das nicht.

Vielmehr ist der Frauenfussball in der Schweiz auf kontinuierliche Präsenz in den Medien angewiesen. Diese entsteht nur, wenn das allgemeine Interesse daran steigt. Zu belegen ist das nicht, doch dass die rund 3300 Personen, die die Petition bis gestern unterzeichnet haben, regelmässig ein Frauenfussballspiel besuchen, ist aufgrund der tiefen Zuschauerzahlen unwahrscheinlich. Die NLA zieht in der Regel nicht mehr Publikum an als eine Männer-Partie in der 3. Liga. Die höchste Frauenliga leidet unter einem Nischendasein.

Dass nun Leute, die wohl noch nie einem Match beigewohnt haben, die Übertragung aller WM-Spiele fordern, ist heuchlerisch. Mit-Initiant Cédric Wermuth (SP) posiert auf seinem Instagram-Account auf der Tribüne, während die Männer des FC Aarau auf dem Brügglifeld kicken. Ein Bild, auf dem er das Frauenteam anfeuert, ist nicht zu finden. Dieses hätte Unterstützung in Form von Eintritten und Konsumation nötig. Als der eigenständige Verein 2017 in die NLA aufstieg, forderte die FC Aarau AG der Männer für die Markennutzung eine finanzielle Entschädigung ein.

Andere Frauenteams sind zwar den Männer-Klubs angeschlossen, die Unterstützung fällt aber bescheiden aus. Meistens hängt sie von den Interessen in der Chefetage ab. Einzig FC-Zürich-Präsident Ancillo Canepa lässt einen beachtlichen Betrag in die Frauenabteilung fliessen. Die FCZ Frauen sind dadurch zum Ligakrösus geworden. Diese Dominanz ist der Attraktivität des Schweizer Frauenfussballs nicht eben förderlich.

Daran wird sich nichts ändern, solange in den anderen Schweizer Grossklubs kein Umdenken stattfindet. Solange die Frauen des FC Basel am Gala-Dinner Sandwiches essen und Tombola-Lose verkaufen müssen. Solange der Verband den Frauenfussball nicht explizit stärkt. Solange Sponsoren das Produkt Frauenfussball nicht gezielter fördern. Ob nun alle oder einzelne WM-Spiele vom SRF übertragen werden, ändert nichts an den Strukturen.

Die Schweiz hinkt der internationalen Entwicklung zwar hinterher, doch auch im Ausland erhalten die Frauen nicht denselben Support und dieselbe Beachtung wie ihre männlichen Kollegen. Das zeigt Ada Hegerbergs Fernbleiben von der WM. Die weltbeste Spielerin ist aus dem norwegischen Nationalteam zurückgetreten, weil die von ihr seit Jahren geforderten Fortschritte hinsichtlich der Gleichstellung im norwegischen Verband zu stockend vorankommen. Ein starker Protest, für den sie mit dem WM-Verzicht einen hohen Preis bezahlt.

Wem etwas am Frauenfussball liegt, der muss sich wie Hegerberg aktiv für ihn einsetzen, Spiele besuchen, im Bekanntenkreis werben. Es sollte zur Selbstverständlichkeit werden, dass Eltern und Geschwister den Mädchen den Fussball näherbringen, so, wie das bei Knaben schon seit immer der Fall ist. Die Mädchen müssen von denselben Förderungsprogrammen wie die Knaben profitieren können. Je mehr Juniorinnen auf einem hohen Niveau kicken, desto attraktiver wird der Frauenfussball. Und desto grösser stehen die Chancen, dass die Schweizerinnen an der nächsten WM wieder dabei sein werden, und dass SRF unabhängig von der Schweizer Beteiligung nicht mehr darum herumkommt, alle WM-Spiele zu übertragen.

mbill@bielertagblatt.ch