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Schwingen

Heiser, aber glücklich

Christian Stucki ist gestern Abend zusammen mit der restlichen Berner Schwingdelegation in seiner Wohngemeinde Lyss empfangen worden. Der König zeigte erste Abnutzungserscheinungen, konterte jedoch mit einer Kampfansage.

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Christian Stucki wird in Lyss empfangen. Video: TeleBielingue

Michael Lehmann

Christian Stucki sagt es fast beiläufig, doch die Wirkung ist enorm. Nochmals erheben sich die, die nicht sowieso bereits stehen, und klatschen, jauchzen oder strecken triumphierend ihre Fäuste zum Himmel.

«Vielleicht bis in drei Jahren wieder», war die Aussage. Stuckis Ende der Dankesrede erinnert etwas an das, was Roger Federer oft sagt: «See you next year.» Die Reaktionen darauf sind jeweils ähnlich euphorisch. Denn der Satz lässt durchblicken, dass Federer wahrscheinlich noch ein weiteres Jahr an seine grossartige Karriere anhängt. Bei Christian Stucki war dies allerdings bereits klar. Unmittelbar nach dem Fest räumte er mit sämtlichen Rücktrittsgerüchten auf und kündigte an, dass er gerne noch eine Zeit lang schwingen wolle. «Bis zum Eidgenössischen in Pratteln in drei Jahren. Dann ist aber wohl mal gut», sagte er dem SRF. Seine gestrige Aussage enthält jedoch einen wichtigen Zusatz zum blossen Weitermachen; es ist eine Kampfansage. Der Lysser hat vom Feiern noch nicht genug.

Vier Könige in Lyss
Ein wenig angeschlagen ist Stucki aber trotzdem. Als er gestern Abend zum ersten Mal ans Mikrofon gebeten wird, bringt er nur ein Wort hervor, ehe er sogleich wieder abbrechen muss. «Merci», krächzt er, wobei der 34-Jährige klingt, als ob er soeben in die Pubertät gekommen sei. Es zeigt sich, was passiert, wenn man plötzlich zum gefragtesten Mann des Landes wird. Irgendwann macht die Stimme nicht mehr mit. Es tue ihm also «schuurig» leid, dass er gerade nicht imstande sei, mehr zu sagen, fügt der heisere Stucki an. Etwas ist ihm aber so wichtig, dass er seine Stimmbänder noch ein bisschen quält: «Merci, dass ihr so zahlreich erschienen seid. Ihr seid ‹geili Sieche›!»

Das «zahlreich» war fast ein wenig untertrieben. Das Festgelände auf dem Lysser Marktplatz ist voll; mehrere tausend Schwingfans sind ins Stadtzentrum gekommen, um den neuen König, aber auch die gesamte Berner Schwingdelegation zu feiern. Unter anderem waren auch Stuckis drei Vorgänger vor Ort: Matthias Glarner, Matthias Sempach und Kilian Wenger.

Einige der Zuschauer erinnern an die Festivitäten, die vor zwei Jahren auf die Beine gestellt wurde, nachdem Stucki das Unspunnenschwinget gewonnen hatte. Doppelt, nein, deutlich mehr als doppelt so viele Menschen seien es im Vergleich zu damals. Sie empfangen den Schwingerumzug – zuvorderst die Fahnenträger, gleich dahinter Christian Stucki mit Siegermuni Kolin – euphorisch. Der König winkt derweil in die Menge und nimmt sich, wie man es von ihm gewohnt ist, auch immer wieder Zeit, Autogramm- und Selfiewünsche zu erfüllen.

Brunnen statt Strassenbenennung
Und dann beginnen die Lobeshymnen. Von Bundespräsident Ueli Maurer (SVP), der sagt, dass es kein besseres Aushängeschild für den Schwingsport gebe als Stucki. Von Berner Regierungsrätin Beatrice Simon (BDP), die erzählt, wie sie inmitten innerschweizerischer Fans stets an Stucki geglaubt habe. Oder von Lysser Gemeindepräsident Andreas Hegg (FDP), der erzählt, wie er am Sonntag mit der Einteilung gehadert habe, was letztlich den Erfolg umso schöner gemacht habe.

Als Überraschungsgast tauchte Sepp Amstutz auf. Der Jodler, der für die SRF-Doku «Chrigu und Sepp – Zwei Fäuste und ein Halleluja» zusammen mit Stucki um die Welt reiste. Er habe ihm aus Senegal drei Mittel mitgebracht, sagt Amstutz mit einem Augenzwinkern. Eines für die Muskelstärkung, eines für die Hirndurchblutung und eines für die Hormone.

Geschenke gab es freilich auch von seiner Wohngemeinde. Vor zwei Jahren hatte Stucki nach seinem Unspunnen-Sieg einen Gedenkstein mit dem Lysser Wappen und der Gravur «Sieger Unspunnenschwinget 2017 – Christian Stucki» erhalten. Zum Stein wird nun ein Brunnen aufgestellt – die Inschrift ist noch nicht bekannt. Ausserdem erhält Stucki einen Mast, an dem er die Berner Fahne aufhängen kann, die den Schwingern beim Eidgenössischen in Zug offenbar Glück gebracht hat.

Im Vorfeld wurde gemunkelt, dass im Zuge des Festes gar eine Strasse in Lyss nach Christian Stucki benannt werden könnte. Schliesslich gibt es bereits seit seiner Schlussgang-Niederlage 2013 vis-à-vis des «Weissen Kreuz» den «Christian-Stucki-Platz». Dieser entstand allerdings auf privater Initiative und heisst nur inoffiziell so.

Wäre es demnach nun Zeit für eine offizielle Strassen- oder Platzumbenennung? Nein, sagt Gemeindepräsident Hegg und erklärt: «Wir haben noch nie eine Strasse oder einen Platz nach einer Persönlichkeit benannt.» Dies nach Stuckis Königstitel zu ändern, wäre aus Sicht des Gemeinderats nicht zuletzt heikel, weil Lyss mehreren Personen das Ehrenbürgerrecht verliehen hat – darunter ist mit Professor Kurt Wüthrich auch ein Nobelpreisträger. Sie will man nicht übergehen.

«Unglaubliche Unterstützung»
Stucki freut sich so oder so. Die Unterstützung, die er an diesem Abend spüre, sei unglaublich, sagt er und dankt nochmals allen. Den Trubel um seine Person steckt er mit Ausnahme des Stimmverlusts gut weg. Dennoch freue er sich darauf, bald mit seiner Familie in die Ferien zu verreisen und etwas Ruhe zu haben. Schliesslich hätten Frau Cécile und die Kinder zuletzt nicht viel von ihm gehabt.

Und wer weiss: Vielleicht wird Lyss in drei Jahren nochmals ein Fest in dieser Art auf die Beine stellen dürfen.

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Ein Lysser Sportjahr
Die gestrige Feier zu Ehren Christian Stuckis war der Höhepunkt von mehreren Sportfesten, die in diesem Jahr bereits in Lyss gefeiert worden sind. Bis am vergangenen Sonntag haben in der 15 000-Einwohner-Stadt vor allem die Mannschaftssportler auf sich aufmerksam gemacht. Im Handball, Fussball und Eishockey haben sämtliche Fanionteams wichtige Erfolge gefeiert.

Es begann im März mit dem Aufstieg des SC Lyss. Der Eishockeyklub hat nach 13 Jahren ohne Titel die Westgruppe gewonnen und sicherte sich damit die Promotion in die MySports League, die höchste Amateurliga der Schweiz. Das Team krönte später seine starke Saison mit dem Sieg in der 1.-Liga-Finalserie gegen den EHC Arosa.

Im Mai zogen die Handballer nach. Nach dem bitteren Abstieg in die 2. Liga hatte sich die PSG Lyss den direkten Wiederaufstieg vorgenommen. Diesen erreichte das Team auf eindrückliche Art und Weise: In 25 Meisterschaftspartien musste sich Lyss nur zweimal geschlagen geben.

Auch die Fussballer des SV Lyss haben von den 24 Meisterschaftsspielen nur deren zwei verloren. Allerdings hatte das Team 2018 mit einer noch besseren Bilanz (nur eine Niederlage) dennoch den Aufstieg in die 2. Liga verpasst. In diesem Jahr klappte es endlich. Im ausgeglichenen Barrageduell gegen den FC Haute-Ajoie musste Lyss zwar zittern, setzte sich letztlich aber mit dem Gesamtskore von 3:2 durch.

Im Bereich der Einzelsportler hatten bis zu Christian Stuckis Erfolg vor allem zwei Lysserinnen auf sich aufmerksam gemacht, die Randsportarten betreiben. Tamara Larizza ist im Langdistanz-Triathlon Weltmeisterin in ihrer Altersklasse (40- bis 44-Jährige) geworden. Derweil musste sich die Karateka Nina Radjenovic an der U21-Europameisterschaft zwar mit der Bronzemedaille zufrieden geben, dafür schloss sie ihre Juniorinnenzeit in diesem Jahr auf dem ersten Rang des internationalen U-21-Rankings ab.

Ein Grossteil der Lysser Sportlerinnen und Sportler haben gestern Abend mit Christian Stucki mitgefeiert. Dabei erschienen die meisten in der jeweiligen Vereinskleidung.
 

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