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«Ich bin gespannt, ob wir abgelöst werden»

Der 36. America’s Cup wird erstmals seit 2007 wieder mit europäischer Beteiligung stattfinden. Beim Blick in die Herausforderer-Serie in Neuseeland kommen beim Bieler Alinghi-Sieger Nils Frei natürlich Erinnerungen auf.

Das Team New Zealand rast mit gegen 100 km/h über dem Wasser. Der Titelverteidiger wartet nun auf den europäischen Herausforderer. Bild: Keystone

Beat Moning

Es sind zwei Segelanlässe, die nicht nur Millionen verschlingen, sie ziehen auch ein Millionen-Publikum an den Bildschirmen in den Bann: Die Weltumsegelung Vendée Globe und der America’s Cup in Neuseeland, derzeit vor dem Herausforderer-Finale zwischen Italien und Grossbritannien (BT gestern). Der Sieger trifft im März auf Cup-Titelverteidiger Team New Zealand. Ein europäischer Erfolg würde insofern Beachtung finden, weil die Schweizer Crew um Alinghi für den bislang einzigen Erfolg in der 170-jährigen Geschichte verantwortlich zeichnete.

 

Vier Teilnahmen für Nils Frei

2003 in Neuseeland und 2007 in Valencia war es, als sich der Genfer Alinghi-Besitzer und Milliardär Ernesto Bertarelli seinen Traum erfüllte – sich dann aber nach einem Rechtsstreit mit den Amerikanern von Oracle Racing mit Besitzer Larry Ellison und der Niederlage 2010 gegen BMW Oracle Racing aus dem Wettbewerb zurückzog. Mit von der Partie: der Bieler Segler und Trimm-Spezialist Nils Frei, der bereits 20 Jahre als Segelprofi bei Alinghi absolviert und schon 2000 mit der «Fast 2000» Erfahrung im Herausforderer-Wettbewerb sammelte. Der 48-Jährige verfolgt den Anlass am anderen Ende der Welt aufmerksam. «Da kommen natürlich schon schöne Erinnerungen auf, da wird man etwas nostalgisch», sagt er. Beeindruckt davon, wie leistungsfähig diese Hightech-Boote inzwischen sind. Auch vom Design her seien sie eine absolute Augenweide. «Die Effizienz auf dem Wasser ist enorm. Doch ich denke, dass die Entwicklung noch weitergehen wird.» Alinghi gewann 2003 nicht zuletzt dank des äusserst leichten Spinnakerstoffes und setzte selber neue Massstäbe.

 

«Neuseeland ist Favorit»

Der neuerliche Wechsel von den Katamaranen wieder zu den Einrumpf-Yachten hat den Wettbewerb erneut ins Rollen gebracht. Für viele Länder indes kam dieser Entscheid vom Herbst 2017 wohl zu kurzfristig. «Die Wettkämpfe mit hohen Geschwindigkeiten sind auf einem Top-Niveau. Aber es ist natürlich bedauerlich, dass nur so wenige Teams am Herausforderer-Cup teilnehmen», sagt der mit seiner Familie am Neuenburgersee wohnhafte Nils Frei. Insgesamt sind es nur deren vier, neben dem Sir Ben Ainslies Ineos Team und dem Luna Rossa Prada Pirelli Team auch die ausgeschiedene American Magic. Und Titelverteidiger Neuseeland. «Ich bin nun gespannt, ob wir als einziger und letzter europäischer Sieger abgelöst werden. Denke aber, dass es am Ende die Neuseeländer doch schaffen werden. Sie bleiben für mich die Favoriten auf den Titel.»

 

Bald geht es mit Tests los

Mit Foils oder gewölbten Tragflügeln zu segeln – man müsste schon fast fliegen sagen – kennt Nils Frei aus jenen Wettbewerben, in denen die Alinghi derzeit ihr Dasein fristet. In der GC32-Kategorie und neu in der TF 35. Die Fragen, die sich da immer wieder stellen: Kehrt Alinghi zum nächsten America’s Cup zurück? Zumal dieser möglicherweise in Europa stattfinden wird. Nils Frei kennt die Antwort nicht, schliesst aber nichts aus. «Ernesto ist immer noch mit Leib und Seele Segler und ist auch auf den jetzigen Booten mit von der Partie.»

Derzeit verfolgt Frei das Prada-Finale in Neuseeland, rüstet sich konditionell und geht, Kälte und Regen hin oder her, auf den See kitesurfen. Bald aber ist es mit der heimischen Gemütlichkeit vorbei. Der Job ruft. In zwei Wochen geht es für Nils Frei und die rund zehn weiteren Alinghi-Segler vor Genf wieder ins Wasser und somit ins Training im Hinblick auf eine Saison, die wegen der Pandemie erneut viel Ungewissheit birgt. Schon 2020 konnte bei Weitem nicht nach Wunsch gesegelt werden. Der Fokus liegt auf der neuen TF-35-Trophy, wo die ersten Regatten auf dem Genfersee und ab Jahresmitte auf dem Mittelmeer stattfinden sollten. Vorerst gilt es zu testen, zu testen und zu testen. Als würde einen dieses Wort nicht eh bereits verfolgen.