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Olympische Spiele

«Ich komme mir vor wie in einem Science-Fiction-Film»

Vor zweieinhalb Wochen ist die Bielerin Brigitte Spring als Helferin nach Peking gereist. Schon vor Beginn der Spiele zeichnet sie ein bizarres Bild.

Die Bielerin Brigitte Spring kennt nun die Tücken auf und neben dem Schnee in Yanqing. Bild: zvg

Beat Moning

Eine gewisse Nervosität war auszumachen. Bevor die 62-jährige Bielerin Brigitte Spring via Istanbul vorletzten Samstag nach Peking abreiste, galt es einige Coronatests zu überstehen und negativ zu sein, einige Formulare auszufüllen. Sie musste den Hausarzt besuchen, der einen Gesundheitscheck vornahm. Schliesslich reiste sie zwei Tage vor dem Abflug nach Zürich, um sich in einem von den Chinesen anerkannten Labor auf Covid-19 testen zu lassen. Dann gingen alle Unterlagen an die Botschaft. «Es war schliesslich eine grosse Erleichterung, als ich endlich den Green-Code erhalten habe.»

Auf das Prozedere, das beim Zwischenhalt in der Türkei mit einem Test fortgesetzt wurde, war die leidenschaftliche Skifahrerin und passionierte Tennisspielerin nur bedingt vorbereitet. «Der Aufwand war wirklich enorm. Damit habe ich nicht gerechnet.» Nach einigen Tagen in Peking und Umgebung ohne Kontaktmöglichkeiten meldete sie sich schliesslich beim BT: «Alles in Ordnung. Es hat sich gelohnt.»

 

Das grosse Wiedersehen

Bei sonnigen und somit durchaus angenehmen minus 20 Grad in den Bergen geht es jeweils von Peking aus ins 100 Kilometer entfernte Yanqing. «Die Freude war gross, als ich viele Helfer sah, die schon vor acht Jahren in Sotschi und vor vier Jahren in Pyeongchang dabei waren», so Spring. Schon damals bereitete sie in der russischen Gruppe die Alpin-Pisten vor, stellte Sicherheitsnetze auf, wässerte und rutschte die Pisten runter. «Es ist schlichtweg bizarr», antwortet sie auf die Frage, wie denn die Stimmung in dieser «Wüste» generell sei. «Alles ist anders. Die Abfahrtspisten, und nur die sind ja mit Kunstschnee versehen, versprechen ein unglaubliches Spektakel. Da ist es so steil und eisig wie nirgendwo. Wir müssen unsere Kanten immer wieder schleifen, sonst rutschen wir einfach auf dem Hintern runter.» Um die Exoten macht sich Spring echte Sorgen. Und was die Begegnung mit Menschen betrifft, sagt sie: «Ich sehe den ganzen Tag nur mit Masken und Helmen vermummte Personen, dazu die Mondmenschen, die gesundheitliche Kontrollen durchführen. Es ist speziell.»

 

Lange und harte Tage

Die Arbeitstage sind lang, die Erholungszeit im Hotel alleine in einem Doppelzimmer ist wichtig, «aber auch irgendwie einsam». Um 5 Uhr ist Morgenessen, um 6 Uhr Abfahrt und um 8 Uhr ist man auf den Pisten. Die Rückkehr erfolgt um 18 Uhr oder später. Dann geht es fürs Erste zum Coronatest. Körperlich stosse man an Grenzen. Und überall gebe es Wärmebildkameras, um die Körpertemperatur zu messen. «Es gab schon positive Fälle. Diese Leute werden gleich mit dem Krankenwagen zu einer mehrtägigen Isolation abtransportiert. Ich hoffe einfach, dass es nicht viele Sportlerinnen und Sportler trifft.» Insgesamt umschreibt sie das bizarre Bild so: «Ich komme mir hier vor wie in einem Science-Fiction-Film.»

 

Reger Kontakt mit Schweizern

Bald gilt es ernst. Immer mehr Sportler strömen zu den Wettkampforten. Brigitte Spring wird dann, bei Training und Wettkampf, auch mal im Zielgelände Aufgaben erhalten. «Ich freue mich, die Schweizer und Schweizerinnen aus der Nähe zu sehen und sie auch mal anzusprechen.» Mit Schweizerdeutsch könne sie sich zur Genüge unterhalten. Das Schweizer Fernsehen produziert die Alpin-Wettkämpfe, zudem hat es einige Leute aus dem Rieder-Funk-Team, die ebenfalls im Auftrag ihre Arbeit verrichten. Und wie sieht es mit der Kommunikation mit den Chinesinnen und Chinesen aus? «Englisch kannst Du vergessen. Wir alle haben eine App auf dem Smartphone. Da sprichst Du in Deiner Sprache und es übersetzt auf Chinesisch. Und dann auch umgekehrt.» Aber: «Alle sind hier sehr freundlich, freuen sich auf die Spiele.» Politik und Corona seien kein Thema. Das gängige Motto gilt auch hier: «Es ist wie es ist. Wir machen hier einfach unser Bestes, um den Athletinnen und Athleten bestmögliche Verhältnisse und Vorbereitungen zu garantieren», sagt die Bielerin. Wie auch immer die Olympischen Spiele verlaufen und letztlich ausgehen: Brigitte Spring ist schon jetzt um eine Lebenserfahrung reicher «Ich möchte diese auch nicht missen», sagt sie. Alles, was jetzt noch komme, werde sie wohl kaum mehr erschüttern. Nach drei Exoten-Winterspielen folgt 2026 Olympia in Mailand und Cortina. Kurz gesagt: Echte Winterspiele. Mit Brigitte Spring?