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Fussball

Jeder trainiert für sich, aber wofür?

Auch im Regionalfussball ruht der Spielbetrieb noch mindestens einen Monat. Während sich die Spieler individuell fit halten, sucht der Verband nach Möglichkeiten, wie es weitergehen könnte.

Das Derby zwischen Lyss (in Blau) und Aarberg war in der Vorrunde eine klare Angelegenheit, Aarberg gewann 6:2. Dass sich die Lysser im Rückspiel revanchieren können, scheint momentan unwahrscheinlich. copyright: Aimé Ehi/BT

Moritz Bill

Geht es weiter, und wenn ja, wie? Diese Fragen beschäftigen nicht nur den Profi-Fussball, auch die Amateurligen müssen sich in diesen unsicheren Zeiten mit möglichen Szenarien auseinandersetzen. Der Fussballverband Bern/Jura (FVBJ) will sich auf Anfrage nicht auf «Spekulationen» einlassen. Geschäftsführer Marco Prack sagt: «Wir müssen die weiteren Entwicklungen abwarten.» Es gelte vorerst, sich bis zum 19. April zu gedulden. Bis dann gelten die momentanen Massnahmen, die der Bundesrat zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus verordnet hat. Der vom Schweizerischen Fussballverband (SFV) daraufhin verhängte Stopp des Spielbetriebs dauert bis mindestens am 30. April.
Wie es theoretisch weitergehen könnte, skizzierte der Regionalverband Zürich (FVRZ) in einem Schreiben an die Vereine, das der «Blick» veröffentlichte. Diese drei Szenarien lassen sich aufgrund der sich gleichenden Spielkalender auf die anderen Regionalverbände übertragen. Auch, weil eine einheitliche, schweizweite Lösung angestrebt wird.
1. Spiel- und Trainingsbetrieb wären ab dem 1. Mai erlaubt: Die Meisterschaft kann mit Einschränkungen durchgeführt werden. Die ausgefallenen Spiele würden nachgeholt, nicht aber die Spiele der Junioren. Da würden nur noch die verbleibenden Partien gespielt (die Infrastrukturen der Klubs würden für so viele Matches in begrenzter Zeit nicht ausreichen). Die Cuprunden könnten gemäss Spielplan ausgetragen werden.
•2. Spiel- und Trainingsbetrieb wären ab Mitte/Ende Mai oder ab anfangs Juni erlaubt: Die Meisterschaft könnte nicht mehr durchgeführt werden. Alle noch angesetzten Partien könnten als Trainingsspiele ausgetragen werden, sofern die Klubs das überhaupt möchten. Es gäbe keine Aufsteiger und Absteiger. Die Cupspiele würden mit neuen Spieldaten durchgeführt. Turniere (zum Beispiel Grümpel-/Vereinsturniere) wären möglich.
•3. Spiel- und Trainingsbetrieb wäre auch im Juni nicht erlaubt: Dann könnten keine Meisterschaftsspiele, keine Cupspiele und keine Turniere mehr stattfinden. Die Saison würde abgebrochen und nicht gewertet werden.

Mangelnde Vorbereitung?
David Meister hat sich mit diesen drei Möglichkeiten befasst. Der Trainer des Zweitligisten SV Lyss beurteilt das erste Szenario als kaum realistisch, nicht bloss wegen der allgemeinen Lage. «Die kurze Vorbereitung wäre unseriös, die Verletzungsgefahr dementsprechend gross.» Bis zur Schliessung aller Sportanlagen am 13. März steckten die Lysser mitten in der Vorbereitung auf die Rückrunde, absolvierten auch ein Trainingslager. Seither sind die Spieler angehalten, in Eigenverantwortung das vom Trainer aufgestellte Programm zu absolvieren. Viermal wöchentlich sollen die Kraft-, Sprung-, Sprint- und Konditionsübungen ausgeführt werden. Eine Kontrolle, ob die Mannschaft sich daran hält, hat der Trainer indes nicht.
Anders sieht dies Marco Aebischer. Zwar glaubt auch der Trainer des FC Aarberg aufgrund des aktuellen Lockdowns nicht an die Wiederaufnahme des Spielbetriebs Anfang Mai. Doch rein sportlich sähe er kein Problem. «Ich denke, wir wären innerhalb einer Woche parat. Die Gelegenheit, die eigenen konditionellen Defizite aufzuholen, war nie so günstig wie jetzt. Jeder findet nun Zeit zum Joggen.» Er kennt seine Spieler nach sieben Jahren im Amt gut, weshalb er keine spezifischen Anweisungen erteilt hat. Nach den Leistungstests im Februar wüssten alle um ihre Defizite. «Aber ich habe das Team natürlich schon ermahnt, mindestens dreimal pro Woche ernsthaft zu trainieren», sagt Aebischer.
Eine gute physische Verfassung wäre jedenfalls unabdingbar, sollte die Meisterschaft tatsächlich zu Ende gespielt werden können. Englische Wochen mit mehreren Spielen würden wohl häufig anstehen. Denn eine Saison-Verlängerung bis in den Juli hinein dürfte nur schwer durchzubringen sein. Nicht bei allen Amateurfussballern ginge das mit dem persönlichen Terminkalender einher.

«Baldmöglichst wieder spielen»
Wahrscheinlicher scheinen derzeit das zweite oder dritte Szenario. Gegenüber Trainingsmatches wäre man in Lyss und Aarberg nicht abgeneigt. Aarberg-Trainer Aebischer sagt: «Wir möchten einfach baldmöglichst wieder Fussball spielen.»
Der Saisonabbruch hätte für die Seeländer Teams in der 2. Liga regional weder grosses Frust- noch Jubelpotenzial. Azzurri und Aarberg liegen in einer Lauerstellung auf den Aufstiegsplatz. Besa, Lyss und Nidau sind in beruhigender Entfernung des Abstiegsstrichs platziert. Anders dürften die Gefühle bei 3.-Liga-Teams ausfallen, die bei einem Abbruch ihre aussichtsreiche Aufstiegs-Chance verlieren würden. Doch immerhin: Die Reform der Ligastruktur (Aufstockung 2. Liga, Reduzierung 3. Liga) würde in diesem Fall um ein Jahr nach hinten geschoben werden.

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Verluste für Verband und Vereine

Vergangenes Wochenende wäre die 2. Liga regional in die Rückrunde gestartet. Wegen des Meisterschaftsstopps entgehen den Vereinen Eintritts- und Buvetten-Einnahmen. Ins Gewicht fallen zudem ausbleibende Einkünfte von Sponsorenläufen, wie sie beispielsweise der FC Aarberg und der SV Lyss beklagen. Beim FCA könnte ein zusätzliches Loch in der Kasse entstehen, falls das Bernisch-Kantonale Schwingfest abgesagt wird. Als Trägerverein hat der FC mit dieser wichtigen Einnahmequelle budgetiert. Handkehrum entstehen während der spielfreien Zeit weniger Ausgaben. So entfallen zum Beispiel die Schiedsrichter-Honorare. Um das Budget zu entlasten, verzichtet Lyss-Trainer David Meister auf den Lohn. In Aarberg wurden diesbezüglich noch keine Gespräche geführt, doch Trainer Marco Aebischer signalisiert ebenfalls Bereitschaft zum Verzicht.
Gross sind die Verluste beim Verband. Der FVBJ beziffert diesen in einer ersten Zusammenstellung auf über 500 000 Franken, sollte die Rückrunde ausfallen. Darin enthalten sind zum Beispiel ausbleibende Bussengelder, Gebühren, Sponsorengelder und Beiträge aus dem Sportfonds. bil