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WTA-Tennisturnier

Knallharter wirtschaftlicher Entscheid

Das Frauenturnier zügelt von Biel nach Lugano. Das Minus der ersten Austragung war mit rund einer Million Franken derart gross, dass man sich neu orientieren musste. Mehr Einnahmen und weniger Ausgaben sind nun die Hoffnungen.

Erste und letzte Siegerin in Biel: Die 18-jährige Newcomerin Marketa Vandrousova aus Tschechien kletterte in diesem Jahr auch dank des WTA-Erfolges in Biel von der Position 374 auf 67. Bild: Keystone

Beat Moning

Eines vorweg: Nur dank Swiss Tennis gelang es überhaupt, eine WTA-Lizenz im notabene zweiten Anlauf zu erhalten. Swiss-Tennis-Präsident René Stammbach war mächtig stolz, dass dieses Turnier sogar in der eigenen neuen Swiss Tennis Arena stattfinden konnte. Weil sich der Verband aber nicht beteiligen wollte, etwa wie im Männerturnier in Gstaad, war auch klar: Mit der Organisation einer externen Firma, die notabene im Tennis keine Erfahrung aufweist, ging man ein entsprechendes Risiko ein. «Trotzdem», sagt Stammbach auch heute noch (das BT berichtete): «Ich bin enttäuscht, dass es nicht gelungen ist, hier in Biel Fuss zu fassen.»

Die Gründe, die Infront-Ringier Mitte Oktober anführte, sind aber eher nebensächlich. «Ich habe ein gewisses Verständnis, dass man im April nach der Hartplatz-Saison auf Sand spielen will», sagt etwa die frühere Bieler Spitzenspielerin Christiane Jolissaint, heute Vizepräsidentin von Swiss Tennis und Fedcup-Delegationsleiterin. «Die Umstellung dagegen wird für die Spielerinnen nicht ganz einfach, denn auf Sand haben sie zu diesem Zeitpunkt noch praktisch nicht trainiert.»

 

Bacsinszky: Mündliche Zusage
Ein Zugpferd in dieser Angelegenheit ist die Waadtländerin Timea Bacsinszky, die zwar in Biel bei Swiss Tennis Plätze wie Trainer nach Belieben zum Training beansprucht. Sie hat für das WTA-Turnier in Lugano mündlich zugesagt, in Biel sagte sie in erster Linie wegen des Belags ab, kam dann aber dem OK mit einem Doppel an der Seite von Martina Hingis doch entgegen. Das Olympia-Silberduo schaffte es bis in den Final und war am Ende sogar Publikumsmagnet Nummer 1. Nun aber fällt mit Martina Hingis, die ihren endgültigen Rücktritt erklärt hat, definitiv ein Star aus. Als Botschafterin bleibt sie dem Veranstalter erhalten. Und Bacsinszky hofft, dass sich Hingis doch noch für den Fedcup im Februar in Tschechien überreden lassen könnte.

Christiane Jolissaint sieht einen Vorteil aus Sicht von Swiss Tennis, dass dieses WTA-Turnier nicht mehr in Biel stattfindet: «Biel hat sich bislang nicht als Tennispublikum erwiesen. So haben wir in den nächsten Daviscup- und Fedcup-Anlässen insofern einen Vorteil, dass wir auf dem Platz weniger Konkurrenz haben.» Trotzdem bedauert sie als Bielerin, dass sich ein attraktives Turnier nicht durchsetzen konnte. Apropos Fedcup: Im April 2011 gewann die Schweiz in Lugano gegen Schweden 4:1. Es soll eine gute Stimmung geherrscht haben. Die Ausgangslage für Lugano scheint auf den ersten Blick also etwas besser zu sein, berücksichtigt man die Tatsache, dass die sportfreundliche Stadt wohl etwas mehr bietet als Biel und auch die Sponsoren zahlreicher zu finden sein werden (siehe auch BT-Front).

Jean-Jacques Aeschlimann, seit Anfang der 90er im Tessin sesshaft und heute Geschäftsführer des Hockeyklubs Lugano, weiss: «Ich kann mir gut vorstellen, dass Lugano da etwas springen lässt. Die Stadt ist sehr sportfreundlich, und wenn es darum geht, Anlässe ins Tessin zu bringen, verhandelt man mit offenen Ohren und packt die Chance.» Auf dem Platz gibt es 800 Anlässe und 140 Vereine. «Ich bin mir sicher, dass da auch die Tennisklubs an einem Strick ziehen.» Zuletzt wollte man die Formel E, verlor aber das Rennen an die Stadt Zürich.

Zurück zum Tennis: Zu den Gerüchten, dass Samsung, schon in Biel Sponsor, gar Titelträger des Lugano-Open wird, weil im Tessin der Markt für die Firma interessant sei, sagt die neue Turnierdirektorin Geraldine Dondit nur: «Es ist noch nichts unterschrieben.» Es wäre aber ein weiteres Indiz dafür, dass es Zusagen gegeben hat, um diesen Entscheid nach Lugano zu rechtfertigen. «Mehr Einnahmen ist die eine Seite, wir müssen auch die Ausgabenseite tiefer halten», sagt sie, nach dem im Sommer Vorgänger Lukas Troxler in Biel verhandelt hat, um doch noch die zweite Ausgabe im Seeland austragen zu können.

 

Tiefere Startgelder, keine Miete?
Wer weiss, ob es gelingt, etwa die doch recht hohen Startgelder für die Schweizer Spielerinnen (bei Hingis und Bencic geisterte die Zahl 200 000 Franken herum) zu reduzieren. Auch in der Miete dürfte der Veranstalter nun etwas tiefer zu liegen kommen. Womöglich gar gratis. In Biel war die Arena-Miete für diese zehn Tage mit 100 000 Franken gemäss Infront-Ringier doch relativ hoch angesetzt. Eine Verhandlung darüber, wie auch eine über einen Sandplatz, den man allenfalls «installieren» könnte, wurde aber zwischen Swiss Tennis und Infront-Ringier nicht geführt. Zu schwer wog die Tatsache, dass es wirtschaftlich nicht zu meistern ist, auch ein Turnier der kleinsten WTA-Kategorie in Biel zum Erfolg zu führen.

 

Wetter und die Gotthard-Röhre
Bleibt die Frage, ob Lugano mehr Zuschauer anziehen wird. In Biel gibt der Veranstalter ohne Zweifel einen optimalen Standort aus der Hand. Vielleicht hilft die Tradition: In Lugano fanden bis vor sechs Jahren noch Challenger Turniere statt. Die gleichen Macher werden beim WTA wieder eingreifen. Zwischen 1981 und 1986 hat zudem Lugano bereits fünf WTA-Turniere organisiert. Unter anderem mit zwei Doppelerfolgen von Christiane Jolissaint 1983 und 1984. Das Wetter im April wie die doch mühsame An- und Rückfahrt durch den Gotthard sind nur zwei Unbekannte. Es braucht also aus der Deutschweiz Zuschauer, die Ferien machen wollen. «Wir hoffen noch auf die Italiener», sagt Dondit. Im Feld müssten sich demnach also noch einige italienische Spielerinnen befinden. Es ist davon auszugehen, dass sich Infront-Ringier nun noch etwas geduldet. Gelingt es nicht, eine schwarze Null zu schreiben, muss davon ausgegangen werden, dass auch dort Lichterlöschen ist. René Stammbach rechnet nicht damit, dass Biel dann wieder zum Thema wird. Swiss Tennis selber hat kein Interesse, diese Lizenz zu kaufen.

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Hoffnung stirbt zuletzt
Ein WTA-Turnier zu finanzieren, ist offenbar nicht einfach. Zuschauerzahlen 
belegen, dass auch andere Organisatoren diesbezüglich zu kämpfen haben. Da und dort sei es etwas einfacher, Sponsoren an Land zu holen. Das hofft Infront-Ringier für Lugano, neben offenbar weiteren 
Zusicherungen von der Stadt, dem 
Tennisclub Lugano und dem Tourismus 
Tessin. Géraldine Dondit sagt aber auch: «Um sicher zu sein, über die Runden zu kommen, braucht es von irgendwo eine Defizitgarantie oder dann halt einen 
Mäzen, der das Turnier übernimmt.» bmb