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Tennis

Leidenszeiten zwischen Biel und Biel

Zum ersten Mal findet in Biel eine Fedcup-Begegnung statt. Am Wochenende treffen die Schweizerinnen auf Italien. Vor 
22 Monaten traten Belinda Bencic, Viktorija Golubic und Timea Bacsinszky schon einmal in Biel an. Es folgten schwere Monate.

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Beat Moning

Im April 2017 wurde die Swiss Tennis Arena in Biel mit einem WTA-Turnier eröffnet. Die erste und zugleich letzte Ausgabe. Nun wird (nur noch 2019?) in Lugano aufgeschlagen. An diesem Frauenturnier waren die Schweizerinnen die Aushängeschilder. Schon da aber hatte das Trio Belinda Bencic, Viktorija Golubic und Timea Bacsinszky eine schwierige Zeit hinter sich. Und es sollte noch schlimmer kommen. Vorweg: Inzwischen haben die drei Schweizerinnen die Kurve wieder gekriegt, sodass Captain Heinz Günthardt der Begegnung gegen Italien, mit der allerdings Bestklassierten aller Akteurinnen, Camila Giorgi (WTA 28), durchaus positiv nach vorne blicken kann. «Wir sind das ausgeglichenere Team», hält Günthardt, seit 2012 Fedcup-Captain, fest. Er spricht von einem Privileg, wieder über Optionen zu verfügen. «Allen geht es gut, ich habe sozusagen die Qual der Wahl. Ob das auch in Zukunft der Fall sein wird, ist offen. Also geniessen wir diese Zeit.»

Der Wandel hat auch mit neuen (alten) Männern zu tun
Timea Bacsinszky kämpfte in den letzten Monaten wahrlich um den Anschluss an die Weltspitze. Ob Handgelenk oder Fuss, die 29-jährige Waadtländerin war oft in Biel im Aufbau, im Fitnessraum oder auf dem Platz. «Ich war der Verzweiflung nahe», sagte sie und die vielen Erstrunden-Niederlagen im vergangenen Jahr zehrten an der Substanz. Für das WTA-Turnier damals in Biel meldete sie sich im letzten Moment zusammen mit Martina Hingis für das Doppel an und stiess bis in den Final vor.

Ranglistenmässig stürzte sie, die im Mai 2016 die Nummer 9 der Welt war, ab. Inzwischen ist sie als WTA 111 wieder nahe der Top 100. Nach fünf Jahren Zusammenarbeit hat sich Bacsinszky im letzten Mai von Trainer Dimitri Zavialoff (Ex-Coach von Stan Wawrinka) getrennt. Er hat sie zweimal in die Halbfinals am French Open und in die Top Ten geführt. Am diesjährigen Australien Open kam Bacsinszky kürzlich in die dritte Runde, zeigte wieder ihr «altes» Tennis. Dies an der Seite des Franzosen Stéphane Robert, selber noch aktiv und als ATP-Nummer 263 klassiert. «Es ist nichts Revolutionäres. Aber ich brauchte etwas Unterstützung und einen Sparringpartner, bei dem die Bälle eine gute Geschwindigkeit haben und ich mich in den Gesprächen wohlfühle.» Sie betont indes, dass der seit Jahren an ihrer Seite stehende Erfan Djahangiri, der nicht mehr so auf Reisen geht, ihr Basis-Coach bleibt.

Neu und doch wieder «alt» ist Belinda Bencic unterwegs. Gestern kam sie mit Vater Ivo in Biel an, der sogleich beim Training zusammen mit Heinz Günthardt mit auf dem Platz war. Er hat das Zepter wieder übernommen und die Tochter ist mit dieser Vorgabe voller Zuversicht. Seit dem WTA-Turnier in Biel, als sie in der ersten Runde bereits angeschlagen ohne Chance ausschied, ist für die ehemalige Nummer 7 der Welt (Februar 2016) viel gegangen. Das Handgelenk wurde kurz nach dem Turnier in Biel operiert, der Aufbau sorgfältig geplant. Nach einigen schwierigen Anläufen 2018 kommt die bald 22-Jährige wieder in Schwung. Das zeigte sie mit dem Erfolg am Hopman-Cup in Perth an der Seite von Roger Federer und dem Vorstoss in die dritte Runde in Melbourne. Und mit ihrem neuen Freund, zugleich ihr Fitnesscoach, dem 36-jährigen Slowaken Martin Hromkovic, der für Bencic die Fussballkarriere als beendet erklärte, ist sie physisch ohne Zweifel stärker geworden. Auf ihren Auftritt in Biel darf man wahrlich gespannt sein. Nach einem tiefen Absturz hat sich Bencic nämlich wieder auf die WTA-Position 45 vorgekämpft. Dass der Vater auf dem Platz ist, sei nur ein Vorteil. Sagt auch Heinz Günthardt, der auf keine internationale Regeln schauen muss, «weil wir die Regeln diesbezüglich selber aufstellen können.» Belinda Bencic meint, «dass es für mich das Beste ist, wenn auch jetzt der Vater auf dem Platz Korrekturen anbringt. Aber klar, es muss für alle im Team stimmen.» Es stimmt offenbar.

Viktorija Golubic, die WTA-Nummer 101 (Bestklassierung im April 2017 WTA 51) hat seit dem Bieler Turnier keine einfache Zeit, schied oft in der ersten Runde aus, nicht selten ging auch der dritte Satz verloren. Nun hat sich die 26-jährige Zürcherin soweit wieder aufgefangen und gute Resultate erzielt, sodass sie die Top 100 angreifen kann. Das ging nicht ganz ohne Wechsel über die Bühne. Sie trennte sich von ihrem Freund Philip Wallbank, aber nicht privat, sondern als Coach. Beides wurde offenbar zuviel. Wallbank ist nun einer der Nationaltrainer im Swiss-Tennis-Leistungszentrum in Biel. Unterstützt wird Golubic von einem ehemaligen Nationaltrainer, von Dominik Utzinger (55), der in Bangkok eine Academy führt, nun aber mit Golubic auf der Tour ist. «Ich hatte vor und nach Melbourne eine gute Zeit, endlich mal mit vielen Spielen und guten Trainings in den Beinen», sagt sie nach ihrer Rückkehr. «Es ist schön, wieder da zu sein, bei den eigenen Leuten. Aber der Temperaturschock war schon gross.» Utzinger wird sie auch in den nächsten Wochen begleiten. Freund Wallbank dagegen wird sie in Biel eher nicht treffen. Er steht mit jungen Nationalspielern in Oberentfelden im Einsatz.