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Swim Team Biel

Locker schwimmen könnten sie stundenlang

Es hat zahlreiche Geschwister im Klub. Die Hermanns sind gleich zu viert vertreten. Dabei hätte eigentlich alles mit Tennis beginnen sollen. Nun haben die Eltern Martin und Claudia vier Buben, die nicht mehr aus dem Wasser wegzubringen sind.

Die Hermann-Gebrüder: Von links Neo, Ian, Ben und Noah. Dort, wo sie sich am liebsten aufhalten: Im Wasser. Bild: Nico Kobel
  • Dossier

Beat Moning

Durchnässt kommen die Gebrüder Ian, Ben und Neo Hermann zum Interview mit dem «Bieler Tagblatt»: Ian und Ben haben soeben ein Kickboxtraining hinter sich und machen sich für das Schwimm-Intervall-Training im Kongresshausbad bereit. Der Jüngste, Neo, hat seine Wasser-Einheiten hinter sich und wartet auf den «Abgang» mit seinen Eltern. «Ich muss jetzt nach Hause, ich habe grossen Hunger», sagt er.

Vater Martin, zugleich Präsident des Swim Teams in Biel, erscheint zu einer «kleinen» Sitzung direkt von seinem Arbeitsort in Baar. Auf die Frage, ob er oder seine Frau vom Schwimmsport kommen, verneint er. «Nein, ich versuchte alles, sie davon abzuhalten», schmunzelt er. Seit Jahren spielt er beim TC Biel Tennis, auch Interclub. Es gelang ihm, den ersten Sohn, Noah, zu diesem Sport zu bewegen. Aber nicht für lange. Als er sich für ein Schwimmtraining im Ipsacher Becken, dort, wo alle vier zur Schule gingen oder noch gehen, entschieden hatte, passierte es. «Er war nicht mehr aus dem Wasser zu bringen.» Die Brüder machten es Noah auf ähnliche Art und Weise nach. Heute gehen sie alle auf Limitenjagd, wollen in der nationalen Szene mitmischen. Ein Vorteil sieht der Vater in der familieninternen Organisation. «Ich darf mir gar nicht vorstellen, würden die vier unterschiedliche Sportarten ausüben. Nun haben wir doch eine gewisse Übersicht, wenn sich die Söhne am gleichen Ort zum Training aufhalten.»

Der Coach geht nach Australien!
 Was nun?
Fototermin und Interview konnten nicht gleichzeitig stattfinden. Der 20-jährige Noah Hermann ist im März 2018 ausgezogen, nach Deutschland in den Olympia-Stützpunkt Heidelberg. «Er kommt jeweils nur kurz nach Hause. Er ist erwachsen geworden, hilft dann auch im Haushalt mit. Er weiss jetzt, was das heisst», sagt Claudia Hermann. Klar vermisse man ihn. Aber auch dieser Schritt sei nicht zu vermeiden gewesen. Nicht nur der Kosten wegen. Noah lernte an einem Meeting seinen jetzigen Trainer Sander Ganzevles aus den Niederlanden kennen und war von den Methoden, und wie er mit den Schwimmern umgegangen ist, begeistert. «Ich wollte dann einfach mit ihm trainieren und ging diesen Weg», erzählt er. Sander Ganzevles war seit Anfang 2017 in Deutschland tätig. Seit zwei Wochen ist er wieder weg. Der begehrte Coach nahm ein Angebot aus Australien an, und Noah Hermann muss sich neu orientieren. Wohin nun?

Zurück nach Hause ins Bieler Becken ist durchaus eine Option. «Ich hätte keine grossen Probleme damit. Ich bin gerne in Biel. Ich meldete mich aber mal bei einem Trainer im österreichischen Olympiazentrum in Linz. Da warte ich auf Antwort.» Was man wissen muss: Die Geschwister sind mit einem österreichischen Pass ausgestattet, also dank dem Vater Doppelbürger. Vorerst bleibt Noah bis zu den deutschen Meisterschaften im August in Heidelberg. In den nächsten Wochen aufgrund eines vom abgetretenen Coach erstellten Trainingsplans ohne direkte Betreuung.

Einer Rückkehr des Ältesten ist man in der Familie natürlich nicht abgeneigt. Es haben sich aber schon Gewohnheiten breitgemacht. «Wir haben im Moment mehr Platz im Bad», lächelt Ben. «Ich vermisse ihn schon. Aber wir sehen ihn ja zwischendurch. Es könnte schlimmer sein», sagt Neo, der 12-Jährige. «Es ist sicher allgemein etwas ruhiger geworden, seit er in Heidelberg ist.» Dort lebt Noah Hermann in einer Sportler-Wohngemeinschaft mit gemeinsamer Küche. Die Kollegen kommen aus dem Rugby und Boxen.

Noah Hermann weiss, dass er eine Vorbildfunktion einnimmt. Er traut den Brüdern einiges zu. «Ben am meisten, er hat mich immer überrascht und er könnte noch besser werden als ich.» Die Geschichte am Rande: «Wir begannen zusammen mit dem Schwimmkurs in Ipsach. Ben hat dann aufgehört und ist erst wieder eingestiegen, als ich meine erste Medaille nach Hause brachte. Das hat ihn motiviert.» Bei den jüngeren Brüdern übt er sich in Zurückhaltung. «Ian und Neo sind sicher talentiert, aber sie müssen noch ehrgeiziger an die Aufgaben herantreten.» Zwar «sticheln» sich Ian und Neo zwischendurch. «Ich weiss mich zu wehren», hält der Jüngste fest. Diskutieren sie, ist Schwimmen nicht zuoberst auf der Liste. Auch, weil nicht alle die gleichen Längen und Disziplinen schwimmen. Dem Zweitjüngsten machte es aber der Jüngste mit dem Brustschwimmen nach. «Ich weiss, jetzt bekomme ich wieder etwas zu hören. Aber ich kann von den Erfahrungen von Ian profitieren.»

Die sportlichen Ziele sind ehrgeizig gesetzt (siehe Zweittext). «Aber nicht unrealistisch», sagt die Mutter, die mit ihren Söhnen, wo auch immer sie antreten, mitfiebert. «Es ist nicht einfach, die Wettkämpfe zu verfolgen. Aber ich habe mich jetzt besser unter Kontrolle.» Überhaupt: Schwimmen ist nicht nur eine Leidenschaft. Es ist mehr. Ben umschreibt das Gefühl im Wasser so: «Es ist die Ruhe, die dich in diesem Moment begleitet. Du bist einfach in deiner eigenen Welt.» Es seien die Bewegungsabläufe, das Gleiten durch das Wasser. Ian bestätigt: «Schwimmen ist wie eine zweite Welt, alles läuft irgendwie automatisch ab.» «Wenn ich locker so dahinschwimme, dann könnte ich das stundenlang tun», sagt Neo. Mit der Ergänzung: «Gut, irgendwann einmal habe ich Durst und Hunger.»

Schule und Studium: Wohin führt der Weg mit Leistungssport?
Welchen Weg gehen die drei Hermanns? Ist auch da das Ausland eine Option? Die Gedanken schweifen derzeit nicht in die Ferne. Ben, der nach dem ersten Kurs nicht in die Leistungssondern in die Breitensportgruppe eingeteilt worden ist, hat sogar klare Vorstellungen: «Ich fühle mich hier in dieser Umgebung sehr wohl. Ich bin jetzt noch zweieinhalb Jahre im Gymer und möchte danach studieren. Dann wird es schwierig, beides mit Höchstleistung unter einen Hut zu bringen.»

Ian Hermann hat noch keinen Plan, wie es nach seiner Lehre weitergehen soll. Die Belastung sei schon jetzt sehr gross. Am Mittagstisch daheim in Ipsach sieht man ihn jedenfalls nicht mehr. Und Neo, der als Kind wasserscheu war? «Jetzt gehe ich mal noch zur Schule. Aber die Freizeit ist mir schon auch wichtig. Aber im Moment komme ich gut damit klar.» Die Mutter sagt: «Noch hat er nicht den Ehrgeiz der Brüder. Mit zunehmendem Selbstvertrauen wird dieser aber sich geweckt werden.»

Dafür sorgen nicht zuletzt die Brüder selber. «Die pushen und motivieren ihn», ist Claudia Hermann überzeugt. Oder wie der Jüngste sagt: Er werde schon gestichelt, aber eben auch angestachelt. «Meine Brüder sind schliesslich meine Vorbilder.» Und so warten für die Hermanns die nächsten Herausforderungen. Die Schweizer Aktiv- und Nachwuchs-Meisterschaften Ende Juni und Mitte Juli.

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Die vier Schwimmer im Kurzporträt
- Noah Hermann, geboren am 20. Januar 1999. Handelsschule SKS abgeschlossen. Seit März 2018 am Olympiastützpunkt Heidelberg. Bevorzuge Disziplinen 100 m und 200 m Freistil. Ziel ist es, kurzfristig die Limite für das Nationalkader zu schaffen, Olympische Spiele 2024 in Paris über 100 m und 200 m Freistil.
Erfolge: Sommer-Schweizer-Meisterschaften 2017: 3. Rang im 50 m Freistil. 2. Rang 50 m Brust (Juniorenkategorie 17 - 18 Jährige), österreichische Meisterschaften 2016: 3. Rang 400 m Lagen und 2. Rang 400 m Freistil. Aktuelle Schweizer Bestenliste. 10. Rang 100 m Freistil.


- Ben Hermann, geboren am 24. August 2000. Derzeit im SKS Sportgymer, Abschluss in fünf statt vier Jahren. Noch zwei Jahre bis zur Matura. Bevorzugte Disziplinen 50 m und 100 m Rücken. Erfolge: Schweizer Meister im 50 m Rücken an der Sommer-Schweizer-Meisterschaft 2017. Zweiter an den Sommer-Schweizer-Meisterschaften 2018, 50 m Rücken in der Juniorenkategorie, 3. in der offenen Kategorie auch über 50 m Rücken. Verschiedene A-Final-Teilnahmen an der Kurzbahn-Schweizer-Meisterschaft 2018 (6. Rang) und verschiedene Finalteilnahmen an der LangbahnSchweizer-Meisterschaft 2019. Rücken, Delfin, 4-Lagen. Aktuelle Schweizer Bestenliste: 7. Rang 50 m Rücken und 10. Rang 100 m Rücken.

- Ian Hermann, geboren am 27. Februar 2002. Sportlehre TFS zum Mikromechaniker im ersten von vier Jahren. Bevorzugte Disziplinen: 50 m, 100 m und 200 m Brust. Erfolge: 3. Rang an den Nachwuchs- Schweizer-Meisterschaften 2018 im 100 m Brust und 5. im 200 m Brust. Aktuelle Schweizer Bestenliste bei den 17-Jährigen: 3. 100 m und 200 m Brust. 5. 50 m Brust.

- Neo Hermann, geboren am 14. September 2006. Primarschule Ipsach. Bevorzugte Disziplinen: 50 m und 100 m Brust. Erfolge: Teilnahme an den NachwuchsSchweizer-Meisterschaften 2018. Aktuelle Schweizer Bestenliste bei den 13. Jährigen: 7. Rang im 100 m Brust. Ziel: Teilnahme an der Nachwuchs-Schweizer-Meisterschaft 2019. bmb

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Die nächsten nationalen Anlässe für die Hermanns

- 28. bis 30. Juni: Schweizer Sommer-Meisterschaften in Lancy.
- 18. bis 21. Juli: Schweizer Nachwuchs-Schweizer-Meisterschaften in Basel.
- 3./4. August: Die deutschen Meisterschaften für Noah.
- 24./25. August: Open-Water-Schweizer-Meisterschaft 
in Kreuzlingen.

Im Winter:
- 2./3. November: Masters-Schweizer-Meisterschaft in Nyon.
- 15. bis 17. November: Kurzbahn-Schweizer-Meisterschaft in Neuenburg.
- 7./8. Dezember: Schweizer Vereinsmeisterschaften Jugend in Baar.

bmb