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Olympia-Tagebuch

Morgenstund hat Gold im Mund

Beat Feuz hat an den Olympischen Spielen das erste Schweizer Ausrufezeichen gesetzt – und den Sohn von Sportredaktor Francisco Rodríguez früh aus dem Bett geholt.

Sportredaktor Francisco Rodríguez

Francisco Rodríguez

Durch die Kommentatorenstimmen unfreiwillig aufgeweckt, stolpert mein Sohn verschlafen aus seinem Zimmer. Wieso ich in aller Herrgottsfrühe Skirennen schaue, will er ein wenig genervt wissen. Weil China sieben Stunden voraus und dort jetzt Mittag ist. Habe es in China überhaupt Schnee? Abseits der Piste jedenfalls nicht. Ich erkläre ihm, dass die ganze Abfahrtsstrecke mit Beschneiungsanlagen hergerichtet worden sei. Wieso sie nicht in der Schweiz skifahren würden, wo in den Bergen genug Schnee liege. Dann könnten wir die Rennen schauen gehen, meint mein Sohn, dem auch nicht entgangen ist, dass keine Zuschauer zugegen sind. In wenigen Sätzen hat er auf den Punkt gebracht, wieso Olympische Spiele in China jeglicher Logik entbehren. Ganz abgesehen davon, dass die Vergabe der Winterspiele auch aus politischen Gründen sehr heikel war. Aber über Menschenrechtsverletzungen mag ich ihm so früh am Morgen nichts erzählen.

Wie bei jeder Grossveranstaltung rückt spätestens bei der ersten Medaille der Sport wieder in den Vordergrund.

Die Winterspiele sind aus Schweizer Sicht nach dem ersten Olympia-Titel von Beat Feuz definitiv lanciert. In einer schnellen und spektakulären Abfahrt, die der Feder von Bernhard Russi entsprungen ist, spielt der Emmentaler seine grosse Routine in beeindruckender Manier aus. Dabei lässt er sich auch von der schwierigen Vorbereitung nicht in seiner Konzentration stören. Während andere über die Wetterkapriolen herziehen und öffentlich ihre Befürchtungen über eine mögliche Wind-Lotterie kundtun, nimmt Feuz die Verschiebung gelassen zur Kenntnis. Wohlwissend, dass er in Vergangenheit mit solchen Widrigkeiten immer gut umzugehen wusste und den anderen damit den einen entscheidenden Schritt voraus ist. Schliesslich hatte er seinen Abfahrts-Weltmeistertitel 2017 in St. Moritz unter ähnlichen Bedingungen geholt. Auch damals musste der Start immer wieder verschoben und schliesslich am nächsten Tag angesetzt werden. Vor vier Jahren bei den Olympischen Spielen in Südkorea, die auch mit Windproblemen zu kämpfen hatten, holte Feuz Silber im Super-G und Bronze in der Abfahrt. Jetzt ist sein Olympia-Medaillensatz komplett.

Und Lara Gut-Behrami macht den Auftakt der Schweizer Skistars perfekt. – Sorry, wenn ich Dich in den nächsten Tagen wieder so früh wecken werde!

francisco.rodriguez@bielertagblatt.ch

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