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Aus der Ferne

Mut zur Lücke bei den Winterspielen

Wissen Sie, weshalb viele Sportfans Quizsendungen meiden? Weil sie die Möglichkeit als relativ hoch einschätzen, an einer Frage zu scheitern, die sie aufgrund ihres über viele Jahre hinweg erarbeiteten Sportwissens eigentlich beantworten müssten.

Patric SchindlerBlattmacher Sport
  • Dossier

Man stelle sich vor, dass einem der Drittplatzierte der letzten Fussball-Weltmeisterschaft vor laufender Kamera und vor über 100 000 Zuschauern, die zuhause mit Ruhepuls 60 auf dem Sofa liegen, plötzlich nicht mehr einfällt. Was das wohl für ein Spiessrutenlauf wäre. Es wäre zweifellos eine gefühlte 0:1-Blamage, wie sie den Schweizer Fussballern 1996 in Aserbaidschan passiert ist. Wobei es doch schon mal vorkommen kann, dass man den Ausgang der unbedeutendsten Fussballpartie seit der Einführung der Testländerspiele vergisst. Micky-Maus-Veranstaltungen der Fifa gehören eigentlich nicht zum Allgemeinwissen.

Nein, an diesen Winterspielen habe ich keine Angst, mich zu blamieren. Mut zur Lücke lautet mein Motto. Es ist einfach nicht möglich, in allen Disziplinen regeltechnisch sattelfest zu sein. Und vor allem die Sportarten, die erst seit kurzem oder sogar erst seit Pyeongchang im olympischen Programm sind, haben es in Sachen Regelwerk in sich. Und wer jetzt noch behauptet, American Football sei zu komplex, der soll sich mal mit den Freestylern befassen. Allen voran mit Slopestyle, also dem Hindernisparcours in den Sparten Ski und Snowboard. So hat mich TV-Kommentator und Snowboard-Olympiasieger Gian Simmen mit seinen Zahlenkombinationen seven-twenty, twelve-sixty oder Backside Triple Cork 1440 längst abgehängt. Letzteres ist übrigens ein dreifacher Rückwärtssalto mit vier Umdrehungen. So genoss ich ohne grosses Know-how bei den Slopestyle-Wettkämpfen einfach nur die Fahrt, sorry, den Run.

Wesentlich weniger Regelkenntnisse braucht es beim Skicross, einer weiteren dieser boomenden Freestyle-Sportarten. Über Sprünge und Steilwandkuren fahren vier Athleten gleichzeitig die Piste hinunter. Die zwei schnellsten Fahrer kommen jeweils eine Runde weiter bis ins Finale. Es werden also im Gegensatz zu anderen Freestyle-Disziplinen unterwegs keine Noten bei den Sprüngen vergeben. Die noch relativ junge Sportart Skicross bietet jede Menge Spektakel. Einige etablierte Wintersportarten müssen sich warm anziehen, denn dem Skicross wird eine grosse Zukunft vorausgesagt. Vielleicht könnte die Bronzemedaillenfahrt von Fanny Smith dieser noch jungen Sportarte in der Schweiz sogar zum Durchbruch verhelfen. Für mich ist Skicross die grösste Gewinnerin unter allen olympischen Disziplinen in Pyeongchang.

Sportfans sei schon jetzt dazu geraten, ab sofort alle Wissenslücken im Skicross zu schliessen. Es wäre doch sehr ärgerlich, in einer Quizsendung an der Frage zu scheitern, wie die Schweizerin heisst, die im Skicross an den Olympischen Spielen in Südkorea Geschichte geschrieben hat.

E-Mail: pschindler@bielertagblatt.ch